Fusionen, Konzernumbau, Kapitalstrukturen

Starke Autoindustrie, komplexe Produktlandschaft

Konzentration in der Metall- und Elektroindustrie

von Wilfried Kurtzke
Dezember 2016

Die Branche im Überblick

Die Metall- und Elektroindustrie ist der wichtigste Sektor und gewissermaßen das Herz der Industrie in Deutschland. Mit 3,8 Millionen Beschäftigten (vgl. Tb. 1) arbeiten in diesem Bereich mehr als die Hälfte der gesamten Arbeitskräfte im Verarbeitenden Gewerbe. Der Umsatz übertraf 2015 erstmals die Schwelle von einer Billion Euro. Statistisch gesehen gibt es diesen Bereich eigentlich gar nicht. Vielmehr werden darunter so verschiedene Branchen wie „Metallerzeugung und -bearbeitung“, „Herstellung von Metallerzeugnissen“, „Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen“, „Herstellung von elektrischen Ausrüstungen“, der „Maschinenbau“, die „Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“, der „Son- stige Fahrzeugbau“, die „Herstellung von sonstigen Waren“ und die „Reparatur und Instandhaltung von Maschinen und Ausrüstungen“ zusammengefasst. Innerhalb dieser Branchen existieren zahlreiche Unterbranchen mit verschiedenen Produkten auf sehr heterogenen Märkten. Die drei wichtigsten (aber natürlich nicht einzigen) Bereiche im „Sonstigen Fahrzeugbau“ sind beispielsweise die Luft- und Raumfahrtindustrie, die Bahnindustrie und der Schiffbau.

Als Klammer für den gesamten Bereich Metall- und Elektroindustrie gelten neben der stofflichen Basis – die Produkte haben alle irgendetwas mit Metallen zu tun – nur die Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Tarifbereich. Davon ausgenommen ist nur die Stahlindustrie, die zur Branche „Metallerzeugung und -bearbeitung“ gehört und einen eigenen Tarifbereich bildet.

Tab. 1: Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie 2005-2015 (in Mio.)

Tabelle siehe PDF !

Quelle: Statistisches Bundesamt

Kennzeichnend für die Metall- und Elektroindustrie ist auch eine hohe internationale Produktionsverflechtung (vgl. Tab. 2). Fast 60 Prozent der Umsätze werden mit dem Ausland getätigt. Dieser Anteil ist in den letzten zehn Jahren noch einmal deutlich gestiegen. Spuren im Auslandsgeschäft hat die Eurokrise hinterlassen. Zwischen 2010 und 2013 war der Anteil des Auslandsumsatzes, der in die Eurozone ging, zurückgegangen. Heute wird etwa ein Fünftel des gesamten Umsatzes in den Euroraum exportiert. Auf der anderen Seite hat das weltweite Geschäft, also außerhalb des Eurogebietes, an Bedeutung gewonnen.

Tab. 2: Inlands- und Auslands-Umsatz der Metall- und Elektroindustrie
2005 bis 2015

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Quelle: Stat. Bundesamt. V. z. Vj.: Veränderung zum Vorjahr; AU: Auslandsumsatz

Die internationale Verflechtung wird nicht nur durch das Exportgeschäft geprägt. Vielmehr sind grenzüberschreitende Produktionsverbünde entstanden. Seit den 1990er Jahren haben sich vor allem in Osteuropa neue Zulieferstrukturen gebildet. Das sind vielfach ausländische Standorte deutscher Unternehmen. Diese Verflechtungen zeigen sich auch darin, dass mittlerweile in den deutschen Exporten erhebliche Anteile ausländischer Wertschöpfung enthalten sind. Nach Berechnungen der OECD auf Basis der input-output-Tabellen[1] betrugen diese Anteile 1995 in der Metall- und Elektroindustrie zwischen 15,7 und 20,8 Prozent. Bis zur Krise 2008 wurden sie stark ausgeweitet, seitdem haben sie sich in den meisten Branchen stabilisiert. Aktuelle Daten existieren dazu allerdings nicht, die neuesten Berechnungen beziehen sich auf das Jahr 2011. In jenem Jahr betrug der Anteil der ausländischen Wertschöpfung am Export zwischen 25,1 und 38,2 Prozent. Der Fahrzeugbau lag mit 32,1 Prozent eher im oberen Bereich, der Maschinenbau mit 26,7 Prozent nahe der unteren Grenze.

Tab. 3: Umsatz und Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie nach Branchen 2005 und 2015

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Quelle: Stat. BA, Erhebung in Betrieben ab 50 Besch.

Innerhalb der Metall- und Elektroindustrie haben zwei Branchen eine herausragende Bedeutung: die „Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“ sowie der „Maschinenbau“ (vgl. Tab. 3). Hinter der ersten Kategorie verbirgt sich die Autoindustrie mit einigen Zulieferern. Die Komplexität der Zulieferbeziehungen kommt in dieser Branche allerdings nur annähernd zum Ausdruck. Viele Zulieferbetriebe gehören zu anderen Branchen der Metall- und Elektroindustrie oder auch zu ganz anderen Bereichen. Es handelt sich insgesamt um eine homogene Branche mit einem sehr hohen Verflechtungsgrad der Produktionsverbünde, in der ein einziges Endprodukt (Kraftwagen, d.h. PKW und LKW) erzeugt wird. Ganz anders ist der Maschinenbau aufgestellt. Hier geht es um eine extrem heterogene Produktgruppe, zu der Pumpen und Kompressoren, Armaturen, Hebezeuge und Fördermittel, Büromaschinen und Werkzeugmaschinen gehören, um nur eine kleine, unvollständige Auswahl beispielhaft aufzuführen.

Mit über 400 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2015 ist die Autoindustrie die mit Abstand umsatzstärkste Branche in der Metall- und Elektroindustrie, fast 40 Prozent des gesamten Umsatzes werden dort erzielt. Seit 2005 ist der Umsatz in der Autoindustrie kräftig um 41 Prozent gestiegen. Auch der Umsatzanteil an der Metall- und Elektroindustrie ist in diesem Zeitraum leicht um 1,8 Prozentpunkte gestiegen. Deutlich kleiner als beim Umsatz ist mit 23,1 Prozent der Anteil an der Beschäftigung. Dieser Anteil ist zudem seit 2005 leicht um 0,9 Prozentpunkte zurückgegangen.

Die meisten Arbeitskräfte in der Metall- und Elektroindustrie arbeiten im Maschinenbau. Mehr als 900.000 Menschen waren dort im Jahr 2015 beschäftigt, ein Anteil von über 27 Prozent an der gesamten Branche. Sowohl absolut (+19 Prozent) als auch als Anteil der Metall- und Elektroindustrie (+2,1 Prozentpunkte) hat die Beschäftigung seit 2005 zugelegt. Der Umsatz war mit gut 200 Milliarden Euro aber nur etwas mehr als halb so groß wie in der Autoindustrie. Auch der Umsatz im Maschinenbau hat aber seit 2005 sowohl absolut wie als Anteil zugelegt.

Autoindustrie führend bei den 100 größten Unternehmen

Die vielfältige Struktur der Metall- und Elektroindustrie zeigt sich auch, wenn man die (nach inländischer Wertschöpfung) 100 größten Unternehmen in Deutschland betrachtet (vgl. Tab. 4). 15 davon kommen aus dem Bereich der Metall- und Elektroindustrie, 19 weitere sind, neben anderen Branchen, auch in diesem Bereich aktiv. Angesichts des großen wirtschaftlichen Gewichts zeigt das die insgesamt eher kleinteilige Struktur dieser Branche. Ganz anders sieht es bei der Automobilindustrie aus. Vor allem die OEM (Fertigung der Endprodukte) konzentrieren sich auf nur fünf Großkonzerne. An der Spitze der 100 Größten liegen mit VW, Daimler und BMW die drei großen Autoproduzenten. Opel (GM) liegt noch auf Platz 33, Ford auf Platz 52. VW und Daimler belegen seit Jahren die ersten Plätze, während BMW 2010 noch auf dem achten Rang lag.

Auch die Autozulieferer konzentrieren sich in immer größeren Einheiten. Mit Bosch, ZF und Schaeffler gehören zu den zehn größten M+E-Unternehmen noch drei Konzerne, die vorwiegend als Autozulieferer aktiv sind und eine deutlich größere Wertschöpfung generieren als die Endhersteller Opel und Ford. Nicht zum Bereich Auto gehören lediglich Siemens (Elektro-Mischkonzern), Airbus (Luft- und Raumfahrt) und Thyssen Krupp, die ursprünglich aus dem Stahl-Bereich kommen und inzwischen auch viel breiter aufgestellt sind (auch mit einer Auto-Zulieferersparte).

Tab. 4: Die zehn größten Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie
(nach Wertschöpfung) 2014

Tabelle siehe PDF !

Quelle: Monopolkommission, 21. Hauptgutachten, 2016

Die großen Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie sind international aufgestellte Konzerne. Sie exportieren nicht nur in erheblichem Umfang in alle Teile der Welt, sie haben auch in vielen Ländern Tochterunternehmen oder ausländische Standorte. Trotzdem bleibt Deutschland ein wichtiger Produktionsstandort, an dem ein großer Teil der Wertschöpfung erzielt wird. Eine immer wieder diskutierte Verlagerung zu ausländischen Standorten lässt sich in den letzten Jahren nicht beobachten.

In den fünf größten M+E-Unternehmen wurde nach den Berechnungen der Monopolkommission (21. Hauptgutachten) zwischen 2012 und 2014 die inländische Wertschöpfung, abgesehen von einer Ausnahme, kräftig gesteigert. Bei VW um 15,2 Prozent, bei Daimler um 21 Prozent, bei BMW um 29,1 Prozent und bei Bosch um 17,1 Prozent. Lediglich bei Siemens ging sie um 3,4 Prozent zurück. Dagegen schrumpfte bis auf VW in den anderen vier Unternehmen die ausländische Wertschöpfung (wobei offenbleiben muss, inwieweit dabei Wechselkurseffekte eine Rolle spielen). Aber auch bei VW wuchs die inländische Wertschöpfung viel stärker als die ausländische, sodass der Inlandsanteil ebenfalls zulegte. Insgesamt lag der Inlandsanteil zwischen 77,5 Prozent (BMW) und 43,8 Prozent (Siemens).

Die Eigentumsstrukturen bei den großen Metall- und Elektrounternehmen sind äußerst heterogen. Beim Blick auf die größten zehn zeigt sich, dass Kapitalverflechtungen mit der Gruppe der insgesamt 100 größten Unternehmen keine große Rolle spielen. Lediglich bei Airbus machten sie 2014 einen Anteil von 12,82 Prozent aus, bei Siemens 5,33 Prozent. Hingegen hat Daimler noch einen kleinen Anteil an Airbus von 3,68 Prozent (2012 waren es noch knapp 15 Prozent). Siemens und Bosch sind mit je 50 Prozent die alleinigen Eigentümer von BSH Hausgeräte und Schaeffler gehören 46 Prozent von Continental. Durchaus einflussreich können ausländische Investoren sein. Sie sind in vielen Unternehmen vertreten. Bei VW (18,1 Prozent), Daimler (25,61 Prozent), BMW (9,49 Prozent), Siemens (17,44 Prozent), Airbus (34,72 Prozent) und Thyssen Krupp (23,92 Prozent) haben sie durchaus relevante Anteile. Diese Zahlen sagen allerdings noch nichts darüber aus, ob sich diese Anteile auf einzelne bzw. wenige Anteilseigner verteilen oder breiter gestreut sind. Ein Sonderfall ist Opel, das Unternehmen ist eine 100prozentige Tochter von General Motors.

Die öffentliche Hand hat nur bei VW eine nennenswerte Kapitalbeteiligung von 20 Prozent. Der Einfluss auf die Firmenpolitik ist durch die besondere Mitbestimmung bei VW sogar noch deutlich größer. Zwei Unternehmen sind im vollständigen Eigentum von Stiftungen. Im Fall von Bosch einer privaten Familienstiftung, bei ZF liegt die Firmenpolitik in der Hand einer öffentlichen Stiftung (Zeppelin-Stiftung). Schaeffler befindet sich noch vollständig im Familienbesitz. Aber auch bei VW (Piech, Porsche) und BMW (Quandt) wird die Unternehmenspolitik stark von den Eigentümerfamilien geprägt, die immerhin etwa die Hälfte des Kapitals halten. Bei Thyssen ist der Einfluss mit 23 Prozent etwas kleiner. Bei Daimler, Siemens und Airbus liegt die Aktienmehrheit im Streubesitz, bei BMW sind es immerhin 44 Prozent.

Wettbewerbssituation

Nennenswerte Verflechtungen bestehen zwischen dem deutschen Finanzsektor und den großen M+E-Unternehmen nicht mehr. Früher waren solche Verflechtungen ein wichtiger Kern der „Deutschland AG“, über die gemeinsame industrielle Strategien entwickelt wurden. Heute besitzt die Deutsche Bank noch etwa ein Prozent an Daimler und Siemens, die Commerzbank zwei Prozent an Thyssen und die Allianz drei Prozent an Siemens. Unmittelbare Einflüsse des Finanzkapitals finden heute eher über institutionelle Anleger statt. Hier stehen vor allem die großen US-amerikanischen Vermögensverwalter im Focus. Blackrock ist mit einem verwalteten Vermögen von 4,7 Billionen US-Dollar die Nummer eins weltweit, Vanguard mit 3,1 Billionen US-Dollar die Nummer zwei. Beide zusammen sind mit 7,2 Prozent an Daimler beteiligt, mit 5,2 Prozent an BMW und mit 5,1 Prozent an VW. Zusätzlich halten sie Aktienanteile in ähnlicher Größenordnung an Honda, Ford, GM, Tesla und Renault.[2]

Angesichts der Eigentümerstruktur gerade in den großen Unternehmen der Branche ist es für institutionelle Anleger sicherlich schwierig, Einfluss auf strategische Unternehmensentscheidungen nehmen zu können. Hinzu kommt die Situation auf den Kapitalmärkten, an denen derzeit in einer Überakkumulationssituation eher eine Machtasymmetrie zu Lasten der Anleger herrscht. Es ist für profitable Unternehmen derzeit nicht schwierig, sich zu günstigen Konditionen auf dem Finanzmarkt zu refinanzieren. Dagegen haben Finanzinvestoren große Schwierigkeiten, rentable Anlagemöglichkeiten zu finden.

Dennoch gibt es ein latentes Risiko, dass institutionelle Anleger versuchen, Einfluss auf die Unternehmen auszuüben und den Wettbewerb zu beeinträchtigen. Auch die Monopolkommission betont in ihrem aktuellen Gutachten diese Gefahren: „Die Monopolkommission sieht ein wesentliches wettbewerbsverzerrendes Potenzial durch indirekte Horizontalbeteiligungen zwischen Portfoliounternehmen desselben Wirtschaftsbereichs über institutionelle Investoren. Dabei gilt dies theoretisch ebenso für Beteiligungen an Portfoliounternehmen entlang einer Wertschöpfungskette. Dieses Potenzial besteht trotz der geringen Höhe gehaltener Anteile und begrenzter Einflussmöglichkeiten institutioneller Investoren auf strategische Entscheidungen ihrer Portfoliounternehmen. Das wettbewerbsbeeinträchtigende Potenzial indirekter horizontaler Verflechtungen verschärft sich durch zusätzliche Faktoren, wie etwa das Vorliegen von Interessengleichheit verschiedener institutioneller Investoren und eine institutionalisierte Stimmrechtsberatung.“[3]

Insgesamt zeigen die Analysen der Monopolkommission, dass der Monopolisierungsgrad sowohl in der Gesamtwirtschaft als auch in der Industrie langfristig relativ stabil ist. Größere Verschiebungen sind eher die Ausnahme. Für einzelne Branchen kann sich die Situation aber ganz anders darstellen. Gerade in der Automobilindustrie ist es weltweit – mit einem besonderen Schwerpunkt im letzten Jahrzehnt – zu zahllosen Übernahmen und Fusionen gekommen. Zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit gilt es in der Branche als Notwendigkeit, eine bestimmte Größe zu erreichen. In Deutschland war dabei VW sehr aktiv – mit dem erklärten Ziel, durch Zukäufe zum größten Automobilproduzenten der Welt aufzusteigen. Das Ziel wurde zwar verfehlt, aber nach Toyota ist VW zum zweitgrößten Hersteller aufgestiegen und hat General Motors klar auf den dritten Rang verwiesen. Zum Imperium von VW gehören inzwischen die PKW-Produzenten Audi, Skoda, Seat, Bentley, Lamborghini, Bugatti und Porsche. Vorläufig abgeschlossen wurde die Expansion im Sommer 2012 mit der vollständigen Übernahme von Porsche. Eine zwischenzeitliche Beteiligung an Suzuki galt dagegen als gescheitert und wurde im September 2015 wieder aufgegeben. Im Bereich Fahrzeugbau gehören außerdem Mehrheitsbeteiligungen bei den Nutzfahrzeugproduzenten MAN und Scania und dem Motorradhersteller Ducati zum VW Konzern.

Aus der Übernahme von Chrysler durch Fiat entstand 2015 Fiat Chrysler Automobiles (FCA). Zu diesem transatlantischen Autokonzern gehören die Marken Fiat, Chrysler, Dodge, Jeep, Alfa Romeo, Lancia, Maserati und eine Mehrheitsbeteiligung an Ferrari. Der französische Renault Konzern (Marken: Renault, Dacia) ist über wechselseitige Beteiligungen mit dem japanischen Autoproduzenten Nissan verbunden. Renault befindet sich zudem in einer engen Kooperation mit Daimler, Nissan hat gerade eine Minderheitsbeteiligung an Mitsubishi erworben. Schon länger existiert der rein französische Zusammenschluss von Peugeot und Citroen zum PSA Konzern. Mit der Übernahme von Volvo durch das chinesische Unternehmen Geely 2010 und von Jaguar/Land Rover durch die indische Tata Gruppe 2008 haben zudem zwei Unternehmen aus Schwellenländern einen Brückenkopf in Europa. Mit der Beteiligung von Dongfeng an PSA ist jüngst noch ein weiterer hinzugekommen. Mit ihren eigenen Produkten sind die chinesischen und die indischen Hersteller ansonsten noch nicht auf dem Weltmarkt präsent. Schon diese kurze – und keinesfalls vollständige – Übersicht zeigt die vielfältigen Verflechtungen auf dem weltweiten Automarkt.

Tab. 5: Marktanteile der Autoproduzenten bei PKW
(Januar bis August 2016, in Prozent)

Tabelle siehe PDF!

Quelle: für Europa ACEA, für Deutschland KBA

Ein wesentlicher Faktor für mögliche Marktmacht sind die Marktanteile (vgl. Tab. 5). Auffällig ist dabei die starke Stellung von VW. Der größte Autohersteller Europas dominiert klar den deutschen PKW-Markt mit einem Anteil bei den Neuzulassungen von annähernd 40 Prozent. Daimler ist mit zehn Prozent auf dem zweiten Platz schon weit abgeschlagen. Auch in ganz Europa ist VW sehr stark. Etwa jeder vierte PKW kommt aus dem VW-Konzern. Dahinter liegen die beiden französischen Anbieter PSA und Renault mit etwa zehn Prozent ungefähr gleich auf. Trotz der starken Stellung eines Anbieters ist der Automarkt durchaus von einem scharfen Wettbewerb geprägt. Im Massenmarkt stehen die Anbieter im starken Preiswettbewerb, der mit Rabattschlachten auch jenseits der offiziellen Preislisten geführt wird. Bei den so genannten Premiumprodukten wird eher mit dem Einsatz von Technik und mit Imagefaktoren um Marktanteile gekämpft.

Die Machtstrukturen der großen Konzerne zeigen sich eher auf anderen Ebenen. Ein Lehrbeispiel dafür ist der Diesel-Skandal. Im Zentrum dieses Skandals steht VW, aber offensichtlich wurden von der gesamten Autoindustrie die Abgaswerte von Diesel-PKW manipuliert und jahrelang damit die gesetzlichen Vorschriften hintergangen. „Trotz massiver Verdachtsmomente gegen andere Hersteller ist VW bislang der einzige Autobauer, der wegen der Manipulation seiner Abgasreinigung beim Diesel zur Verantwortung gezogen wurde.“[4] Es ist schon erstaunlich und deutet auf nicht funktionierende Marktprozesse, dass scheinbar kein einziger Hersteller versucht hat, mit wirklich sauberen Produkten sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Für den Gesamtzusammenhang muss eine andere Ebene dieses Skandals verdeutlicht werden: er zeigt die herausragende Vernetzung der Großkonzerne mit den politisch-administrativ Verantwortlichen. Die strafrechtliche Verfolgung des Skandals erfolgt bisher ausschließlich von der US-amerikanischen Justiz. Auch Schadenersatz wird bisher ausschließlich Kunden in den USA zuteil. Die Behörden in Deutschland und anderen europäischen Staaten sind bisher kaum tätig geworden. Dieses auffällige Desinteresse legt den Verdacht nahe, dass die Autoindustrie hier bewusst geschont werden soll.

Wie bereits dargestellt, ist die übrige Metall- und Elektroindustrie im Gegensatz zum Fahrzeugbau deutlich kleinteiliger und heterogener aufgestellt. Das heißt aber nicht, dass die Wettbewerbsintensität überall größer ist und Monopolisierungstendenzen nicht existent sind. Einzelne Produktmärkte können durchaus auch stark vermachtete Strukturen aufweisen. Es würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen, dies für einzelne Märkte systematisch aufzubereiten. Beispielhaft sei hier nur auf den besonderen Fall der Luft- und Raumfahrtindustrie hingewiesen. Dieses Beispiel zeigt zwei Besonderheiten: zum einen ist die Luftfahrtindustrie – zumindest was die Endhersteller betrifft – mit Airbus von einem einzigen, transnationalen Konzern geprägt. Als „Heimatland“ dieses Unternehmens muss in gleichem Maße Frankreich und Deutschland gelten. Bei der Entstehung des Unternehmens hat zudem die Politik eine wesentliche Rolle gespielt. Zum anderen gibt es für Passagierflugzeuge (von Kleinflugzeugen einmal abgesehen) weltweit nur noch zwei Anbieter: Boeing und Airbus! Die technologischen Marktzutrittsbarrieren sind extrem hoch. Obwohl verschiedene Unternehmen aus China, Russland, Brasilien und Kanada versuchen, auf diesen Markt zu kommen, ist das zumindest bisher noch nicht wirklich gelungen. Trotz dieser Duopolsituation herrscht zwischen den Anbietern ein scharfer Wettbewerb.

Autoindustrie vor gewaltigen Umwälzungen

Auf den ersten Blick befindet sich die Autoindustrie in einer komfortablen und stabilen Lage: Trotz einer seit Jahrzehnten prognostizierten Sättigungskrise wächst sie durch die Eroberung fremder Märkte weiter. Die Marktbereinigungen sind zumindest für Europa weitgehend abgeschlossen, die Eigentümerstrukturen zeigen eine hohe Kontinuität und neuen Konkurrenten aus Schwellenländern gelang es seit den Herstellern aus Südkorea nicht mehr, in die Stammmärkte der Industrieländer einzubrechen. Lediglich der Dieselskandal zeigt zumindest für VW bedrohliche Ausmaße und belastet das Image der gesamten Autoindustrie.

Die Entwicklungen der letzten Jahre deuten jedoch darauf hin, dass die Branche vor gewaltigen strukturellen Umbrüchen steht. Neue Herausforderungen zeigen sich:

- Mobilitätsanbieter lösen zunehmen den Zusammenhang zwischen Auto-fahren und Autobesitz auf.

- Die Digitalisierung des Autos schreitet voran. Die Autotechnik wird zunehmend von Rechnern und Sensoren geprägt. Datenmanagement wird zur Herausforderung.

- Autonomes Fahren wird zum prägenden Zukunftstrend.

- Zur Bewältigung der ökologischen Herausforderung wird der elektrische Antrieb zur Schlüsseltechnologie.

All diese neuen Techniken (bzw. Dienstleistungen) gehören nicht zu den Kernkompetenzen der Autohersteller. Sie haben enorme Erfahrungen bei der Entwicklung von Fahrwerken, Karosserien und Verbrennungsmotoren aufgebaut. Sie sind aber keine Technologieführer in den neuen Bereichen. Start-up Unternehmen haben mit Software-Apps neue Fahrdienstvermittlungen aufgebaut. Der bekannteste von ihnen ist Uber. Traditionelle Softwareunternehmen engagieren sich stark beim Thema Digitalisierung des Autos und autonomes Fahren. Google testet seit längerem ein Roboterauto. Immer wieder wird in den Medien darüber berichtet, dass Apple ein eigenes, selbstfahrendes Auto auf den Markt bringen will.

Schlüsseltechnologie für die Elektromobilität sind die Batteriesysteme. Bei der Produktion von Batteriezellen, die für Elektroautos geeignet sind, liegen die Produktionskapazitäten heute vor allem in Japan (26 Prozent), Südkorea (24 Prozent), China (22 Prozent) und den USA (22 Prozent). Europa ist weit abgeschlagen. Die größten Produzenten sind AESC (ein Gemeinschaftsunternehmen von Nissan und NEC), Panasonic, LG Chem und Samsung.[5] Der größte Markt für Elektroautos ist derzeit China. 2015 wurden dort (reine Elektroautos und Plug-in-Hypride) 180.000 Fahrzeuge zugelassen.[6]

Die traditionellen Autokonzerne sind sich dieser Herausforderung bewusst und stellen sich ihr. Alle versuchen, diesen Strukturwandel zu bewältigen und mit eigener Technik die Marktposition zu behaupten. Beispielhaft sei hier nur auf VW verwiesen. Im Juni 2016 wurde die „Together Strategie 2025“ vorgestellt, mit der der „Volkswagen Konzern zu einem führenden Anbiete nachhaltiger Mobilität werden soll“. Neben klassischer Effizienzsteigerung ist eine Elektrifizierungsoffensive mit 30 neuen E-Modellen bis 2025 geplant, Batterietechnologie, Digitalisierung und autonomes Fahren sollen zu neuen Kompetenzfeldern werden und das neue Geschäftsfeld Mobilitätslösungen soll zügig ausgebaut werden. „Das ist auch ein Blickwinkel, der bei einer weiteren Kerninitiative eine wichtige Rolle spielt: dem Aufbau der Batterietechnologie zu einer Kernkompetenz des Volkswagen Konzerns. Diese Grundsatzentscheidung ist gefallen. Denn die Batterietechnologie ist der Schlüssel zur Elektromobilität. Ihr Wertschöpfungsanteil liegt bei vollelektrischen Fahrzeugen bei 20 bis 30 Prozent. Allein für die Ausstattung unserer eigenen E-Flotte benötigen wir bis 2025 eine Batteriekapazität in einer Größenordnung von 150 Gigawattstunden – was zugleich ein gewaltiges Beschaffungsvolumen repräsentieren würde.“[7]

Allen Autoherstellern ist allerdings auch klar, dass sie aus eigener Kraft diese Herausforderungen nicht bewältigen können. So haben sich in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer Kooperationsbeziehungen und Unternehmensverflechtungen etabliert, um die Technologieführerschaft in den neuen Feldern erobern zu können. Im vergangenen Jahr erwarben Audi, BMW und Daimler zusammen den Kartenanbieter Here (vorher eine Tochter von Nokia) für drei Milliarden Euro.[8] Die drei Autoproduzenten sind mit Here zudem eine Kooperation mit Ericson, Huawei, Nokia, Intel und Qualcomm eingegangen. Renault-Nissan hat dagegen eine Partnerschaft mit Microsoft geschlossen. FCA kooperieren beim Thema autonomes Fahren mit Google.[9] Bei den neuen Mobilitätsdiensten stieg General Motors bei Lyft ein, VW bei Gett und Toyota bei Uber. PSA haben dagegen die Gründung eines eigenen Mobilitätsdienstes angekündigt.[10] VW ging für die Entwicklung und den Bau von Elektroautos eine Kooperation mit dem chinesischen Hersteller JAC ein, der derzeit führend auf diesem Gebiet ist.[11] Auch bei den Zukunftstechnologien können allerdings auch nicht alle Kooperationen und Zusammenschlüsse die in sie gesteckten Erwartungen erfüllen. Daimler hat schon vor Jahren seine Beteiligung an Tesla wieder abgestoßen.

Auch die Autozulieferer stellen sich auf die gewaltigen Umbrüche in der Branche ein. 2015 übernahm ZF den US-amerikanischen Autozulieferer TRW Motive für 9,5 Milliarden Euro.[12] Dabei geht es auf der einen Seite um Konsolidierung in der Branche und um Größenvorteile. Der neue Konzern kommt auf einen weltweiten Umsatz von 30 Milliarden Euro. Auf der anderen Seite geht es um das Schließen von Technologielücken. TRW besitzt viel Know How im Bereich Assistenzsysteme und autonomes Fahren. Damit will ZF sicherstellen, für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet zu sein.

Gewaltige strukturelle und technologische Umbrüche sind der Hintergrund, vor dem sich bestehende Marktstrukturen vollkommen umwälzen können. Das ist der Zeitpunkt, wo neue Anbieter etablierte Konzerne aus dem Markt drängen könnten. Das muss aber nicht so kommen. Es ist auch möglich, dass die bisherigen Anbieter (oder einige von ihnen) die neuen Dienstleistungen und Techniken schnell genug adaptieren können und ihre Marktstellung verteidigen.

Fazit

Die Entwicklung der Metall- und Elektroindustrie war in den letzten Jahren von Stabilität und Kontinuität geprägt. Insgesamt gab es ein leichtes Wachstum bei Umsatz und Beschäftigung. Die Gewichte innerhalb des Bereichs haben sich leicht zu Gunsten des Fahrzeugbaus und des Maschinenbaus verschoben. Im ohnehin schon hoch konzentrierten Bereich der Autoindustrie hat es eine weitere Konzentration und Marktbereinigung gegeben. Größere Umwälzungen in den Eigentumsstrukturen fanden nicht statt. Neue Einzelkapitale sind nicht in Erscheinung getreten.

Diese Stabilität könnte mit den anstehenden dramatischen technologischen Umbrüchen zumindest für die Autoindustrie und ihre Zulieferer Vergangenheit sein. Die Technologiekompetenz, die für die Digitalisierung des Autos, für autonomes Fahren und die Umstellung auf elektrische Antriebe notwendig ist, liegt zu einem erheblichen Teil bei Unternehmen der Informationstechnologie. Das könnte die bestehenden Kapitalstrukturen erheblich erschüttern. Die Autokonzerne haben die Herausforderungen angenommen. Mit eigenen Entwicklungen und vielen neuen Allianzen versuchen sie, ihre Marktstellung über den Strukturwandel hinweg zu erhalten. Ob dies gelingt, ist derzeit eine völlig offene Frage. Welche Konzerne den Automobilmarkt (oder den Markt für Mobilität) in zwanzig Jahren beherrschen, lässt sich nicht prognostizieren.

Die Metall- und Elektroindustrie ist mit extrem hohen und noch wachsenden Exportquoten auf den Weltmarkt ausgerichtet. Insgesamt hat sie ihre Position bisher gegen neue Aufsteiger aus den Schwellenländern gut verteidigen können. Das gilt aber nicht für alle Bereiche. Die Stahlindustrie, aber auch die Produktion von Solarmodulen sind Beispiele, wo etablierte Anbieter von neuen Konkurrenten verdrängt werden. Ein technologischer Pfadwechsel in der Autoindustrie könnte auch dort das Einfallstor für neue Anbieter werden.

Das Verhältnis des Finanzkapitals zur Metall- und Elektroindustrie hat sich stark gewandelt. Der nationale Bankensektor hat erheblich an Bedeutung verloren. Er besitzt kaum noch eigene Aktienanteile in diesem Bereich. Zudem ist durch die Emittierung von eigenen Unternehmensanleihen und hohen Renditen die Abhängigkeit von Bankkrediten zumindest für die Großunternehmen stark zurückgegangen. Stattdessen haben die großen institutionellen Anleger des internationalen Finanzmarktes mittlerweile nennenswerte Aktienanteile an der Metall- und Elektroindustrie. Auch wenn die Monopolkommission hier durchaus Risiken für Wettbewerbseinschränkungen sieht, dürften für die Finanzinvestoren eher das Anlagemotiv als der Einfluss auf strategische Unternehmensentscheidungen im Vordergrund stehen.

Globale Produktionsketten sind prägend für die Metall- und Elektroindustrie. Bei den Zulieferketten handelt es allerdings oft um (ost-)europäische statt globale Strukturen. Auf Seiten der Absatzmärkte sind die Wachstumsperspektiven in Europa nur noch begrenzt. Es wird deshalb verstärkt in internationale Standorte investiert. Umso erstaunlicher, dass in den letzten Jahren die nationale Wertschöpfung in Deutschland stark zugenommen hat.

[1] http://stats.oecd.org/index.aspx?DataSetCode=EO93_INTERNET#

[2] Alle Angaben nach Handelsblatt vom 29.09.2016.

[3] Monopolkommission, 21 Hauptgutachten 2016, Ziffer 687.

[4] Handelsblatt vom 20.10.2016

[5] Alle Angaben nach: Nationale Plattform Elektromobilität, Roadmap integrierte Zell- und Batterieproduktion Deutschland, 2016.

[6] manager magazin online, 07.09.2016.

[7] Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender VW, 16.06.2016, Quelle:
http://www.volkswagenag.com/content/vwcorp/info_center/de/talks_and_presentations/2016/06/together.bin.html/binarystorageitem/file2/D_Strategie_PK_M%C3%BCller_VERTEILVERSION_final.pdf

[8] Angabe nach Handelsblatt vom 13.10.2016.

[9] NZZ online, 28.09.2016.

[10] Spiegel online, 12.09.2016.

[11] manager magazin online 07.09.216.

[12] FAZ.net vom 15.09.2014, Handelsblatt vom 19.10.2016.