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Die Familienpolitik der AfD – Geschichte und Aktualität

von Gisela Notz
Juni 2017

„Wir wollen das Land unserer Väter und Mütter nicht irgendjemandem hinterlassen, der dieses Erbe verschleudert oder ausplündert, sondern unseren Nachkommen, denen wir unsere Werte vorgelebt und mitgegeben haben. Stabile Familien sind die Mitte und Grundlage jeder sich selbst erhaltenden Gesellschaft, in der Wohlstand und sozialer Frieden herrschen und Werte weitergegeben werden.“[1] So steht es im Wahlprogramm der „Alternative für Deutschland“ (AfD), das am 23. April 2017 in Köln verabschiedet wurde. Wer sind „wir“, wer sind „unsere Väter und Mütter“. wer ist „irgendjemand“ und was sind „unsere Werte“? Mein Vater und meine Mutter hatten kein Land und mein Großvater gründete 1914 mit vielen anderen sozialistischen Arbeitern eine Siedlungsgenossenschaft. Das war kurz vor der Auslösung des Ersten Weltkrieg. Ihm und den meisten seiner Genossen war es verhasst, ihr „Vaterland“ zu verteidigen.

Familismus ist keine neue Erscheinung

Wohlfahrtsverbände und christlichen Organisationen appellierten während des Ersten Weltkrieges an „Vaterlandsliebe“ und Opferbereitschaft von Frauen und Männern. Der Satz: „Der Mann [muss] hinaus ins feindliche Leben, die Frau zur stillen, helfenden, dienenden Liebesarbeit im Innern“[2], stammt aus der bürgerlichen Frauenbewegung, schien jedoch bei vielen Frauen aller Schichten Zustimmung zu finden. Und er zeigt, wie sich zu Kriegszeiten die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der gewünschten „Normalfamilie“ verstärkte, auch wenn sie andere Züge annahm. Schließlich war das gewünschte „geordnete“ Familienleben gar nicht mehr möglich, weil die meisten Frauen nun alleine mit ihren Kindern im „trauten Heim“ saßen. Sie kämpften an der „Heimatfront“ als Ergänzung zur heroisierten kriegerischen Männlichkeit. Auch in der Nazi-Zeit sollte die „Normalfamilie“ die „Keimzelle des Staates“ sein, mit dem Mann als Ernährer und Beschützer und der Hausfrau, die die Kinder versorgte. Frauen sollten sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen, den ihnen gemäßen Platz in der Familie einnehmen, um sich der „wunderbaren Aufgabe“ zu widmen, „ihrem Land und Volk Kinder zu schenken.“[3] Dafür gab es Steuererleichterungen, Kredite und Mutterkreuze. Dies galt allerdings nur für junge „reinrassige deutschblütige“ Frauen, die „sittlich einwandfrei“ waren und dem Führer zur Verfolgung seiner Blut- und Bodenideologie ein „arisches“ und „erbgesundes“ Kind schenkten. Schließlich ging es um „völkisch wertvollen Nachwuchs“. Das Mutterkreuz – verliehen an Mütter, die zwischen vier und acht und mehr Kinder bekamen – sollte eine ähnliche Funktion für die Mütter erfüllen wie das „Eiserne Kreuz“ für die Soldaten, indem es einen Ehrenplatz in der „Volksgemeinschaft“ symbolisierte. Dass Frauen während beider Kriege schließlich in der Rüstungsindustrie und anderswo gebraucht wurden, änderte nichts an der Verherrlichung der arischen Mutter und des in den Krieg ziehenden Vaters. Der verheerende Ausgang ist bekannt.[4]

In der Nachkriegszeit war es Bundeskanzler Konrad Adenauer, der bereits in seiner Regierungserklärung „die wachsende Überalterung des deutschen Volkes“ beklagte. Starken Beifall erhielt er für seine Aussage: „Helfen kann nur eines: Stärkung der Familie und dadurch Stärkung des Willens zum Kind.“[5] Immer wieder gab es konservative Politiker und andere, die sich für die Aufklärung der Bevölkerung zuständig fühlten. Die Zuwanderungspolitik und die „Überfremdung“ wurden schon vor der „Wiedervereinigung“ von DDR und BRD als Schreckgespenst an die Wand gemalt. „Geschähe nicht umgehend ein Umdenken“, bestünden die „äußere Gefahr der fremdstämmigen Besetzung“ und die „innere Gefahr der fremdstämmigen Vermehrung“, so der Publizist Pierre Krebs bereits 1987.[6] Robert Hepp, seinerzeit Leiter der Forschungsstelle für phänomenologische Soziologie und Bevölkerungswissenschaft an der Universität Osnabrück, sprach damals von einem „sanften Völkermord an sich selbst“ und – indem er nicht vor dem Gebrauch nationalsozialistischen Vokabulars zurückschreckte – von einer „Endlösung der Deutschen Frage.“[7] Das sind nur zwei Beispiele. Die Argumente rechter Bevölkerungswissenschaftler aus rechten Zeitschriften ließen sich, ergänzt durch Positionen von Theologen und Soziologen aus der „Jungen Freiheit“, der „Nation Europa“ und anderen Publikationen bis heute fortsetzen.[8] Sie sind Wasser auf die Mühlen der konservativen Familisten.[9]

„Geschichte wiederholt sich nicht“ ist ein Spruch, der wieder Konjunktur hat. Gerade so, als wollte man sich und andere damit trösten, dass alles nicht so schlimm sein kann. Freilich sind die historischen Situationen komplex, die Ursachen unterschiedlich und vielfältig sind Wirkungen und Gesamtzusammenhänge. Dennoch hat der August Bebel zugeschriebene Satz „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten“, immer noch Gültigkeit. Geschichte ist niemals nur etwas Vergangenes, sondern auch Wegweiser für die Zukunft.

Das Thema „Familienpolitik“ in der AfD und bei ihrem
Umfeld

Die Alternative für Deutschland (AfD) positioniert sich als politische Kraft rechts von der CDU/CSU. Zudem pflegt sie gute Kontakte in das Milieu der christlichen Rechten und Evangelikalen. Trotz der wesentlichen Bedeutung von Familienpolitik wird das Thema „Familie“ selten problematisiert, wenn es um die AfD geht. Im Zentrum kritischer Veranstaltungen und Publikationen stehen meist die Zuwanderungspolitik, die EU-Politik, und völkische Rhetorik der AfD. Selten werden die familistischen und bevölkerungspolitischen Positionen der Partei angegriffen.

Durch die Wahlsiege der AfD sind Antifeminismus und Familismus in den Kommunal- und Länderparlamenten verstärkt worden. Beatrix von Storch sitzt seit 1. Juli 2014 für die AfD im Europaparlament. Dort kämpft sie gegen Abtreibung, „Genderei“, Feminismus, gegen die Ausweitung von Familienformen, gegen Sexualaufklärung und Homosexualität. Die Forderung nach Aufrechterhaltung des Familismus und der nationalen Werte verbindet die AfD mit der antimuslimisch-rassistischen Pegida-Bewegung, mit den selbsternannten „Lebensschützern“, die jegliche Abtreibung verbieten wollen, sowie mit „Männerrechtlern“ und „besorgten Eltern“, die finden, dass Sexualaufklärung nichts in Kindergarten und Schulen zu suchen haben. Das konservativ-reaktionäre Weltbild der AnhängerInnen all dieser „Bewegungen“ steht in scharfem Gegensatz zur Ausdifferenzierung der Lebensformen ebenso wie die Annahme vielfältiger geschlechtlicher Identitäten. Sie setzen Homophobie und Islamophobie gegen gesellschaftliche Vielfalt. Sie propagieren die standesamtlich geschlossene und möglichst mit kirchlichem Segen versehene, monogame, heterosexuelle Ehe mit eigenen Kindern als die einzige gültige Lebensform. Argumentiert wird weniger mit den eigenen Bedürfnissen der FamiliengründerInnen, als damit, dass es keinen Zweifel daran gebe, dass Kinder eine traditionelle Familie wünschen und nachhaltige Schäden davon-tragen, „wenn dieser ‚elementare Wunsch‘ nicht erfüllt wird“.[10] Familie wird als „Keimzelle des Staates“ gepriesen. Wer kinderlos oder unverheiratet ist, gilt als „Demografiedienstverweigerer“[11], so der mit dem katholischen Journalistenpreis ausgezeichnete Andreas Püttmann, der „Familie“ der „menschlichen Sozialnatur“ zuordnet und damit andere Lebensformen diffamiert und als widernatürlich ausgrenzt.

„Positive Unterordnungsfähigkeit“

Die AfD bezeichnet sich selbst als Familienpartei. Bereits in ihrem Grundsatzprogramm heißt es: „Die Wertschätzung für die traditionelle Familie geht in Deutschland zunehmend verloren. Die Familie aus Vater, Mutter und Kindern als Keimzelle der Gesellschaft zu verstehen und den Bedürfnissen der Kinder und Eltern gerecht zu werden, muss wieder Mittelpunkt der Familienpolitik werden“. Die Partei fordert „eine solidarische Förderung der Familien“ als Investition „in unsere gemeinsame Zukunft“. Für die „Bildung als Kernaufgabe der Familie“ sollen in erster Linie die Eltern verantwortlich sein. Der flächendeckende Ausbau von Kitas und Krippen wird zwar gefordert, eine „Kita- und Krippenpflicht“, die niemand verlangt hat, wird jedoch abgelehnt.[12] Allen anderen Lebensentwürfen außerhalb der „Normalfamilie“ mit Vater, Mutter, Kind wird häufig die Berechtigung abgesprochen. Auch beim Parteitag der AfD am 22. und 23. April 2017 in Köln wurde betont, dass der Begriff „Familie“ nicht auf andere Lebensgemeinschaften ausgedehnt werden dürfe.[13] Besonders der Queerfeminismus wird dadurch zur Angriffsfläche, da er vielfältige Familien- und Lebenskonzepte entwirft und an tradierten Vorstellungen rüttelt.

Alleinerziehende Elternteile wurden nach dem Grundsatzprogramm zwar anerkannt, aber: „Der Idealfall für die kindliche Entwicklung ist jedoch immer das Vorhandensein von Mutter und Vater“.[14] Auch beim Bundesparteitag im April 2017 votierten die Delegierten für einen Antrag, in dem das Alleinerziehen als ein „Notfall“ bezeichnet wird und als „Ausdruck eines Scheiterns eines Lebensentwurfs“. Eine „vorbehaltlose Förderung Alleinerziehender“, wie sie von etablierten Parteien praktiziert werde, sei falsch.[15]

Die Vorsitzende Frauke Petry betonte in einem Interview mit der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ ausdrücklich: Familienpolitik, das dürfte man heute wieder sagen, sei Bevölkerungspolitik.[16] Ihr Idealbild: Jede deutsche Familie sollte drei Kinder haben. Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der AfD im thüringischen Landtag und Star des reaktionär-rechtskonservativen Milieus, sieht das ebenso: „Wir brauchen eine politische Elite, die bereit ist, gegen den Zeitgeist der Dekadenz eine Drei-Kind-Familie zu postulieren und vorzuleben“, denn „die Familie ist die wichtigste Sozialisationsinstanz. Es werden dort Werte vermittelt, Gemeinschaftsorientierung, eine positive Unterordnungsfähigkeit“ (!).[17]

Auf dem Kölner Parteitag nahm das Thema „Familie“ einen breiten Raum ein, während die Presse vor allem über das neue oder abgedankte Führungspersonal berichtete. An der Politik der AfD ändert diese Auseinandersetzung nichts. Aus der Überschrift des Kapitels im Wahlprogramm: „Willkommenskultur für Kinder: Familien und Bevölkerungsentwicklung“, wird deutlich, dass ein enger Zusammenhang zwischen Zuwanderungspolitik Familien-, Bevölkerungs- und Kinderwunschpolitik besteht. Deutlich wird, dass es beim Thema Bevölkerungspolitik keinesfalls lediglich um „mehr Kinder“ geht, oder um eine generell familien- und kinderfreundliche Politik; es geht auch um die ‚richtigen‘, gewünschten deutschen Kinder und um ‚ordentliche‘ als ‚normal‘ bezeichnete Zusammenlebensformen. Ihnen alleine gilt die Freundlichkeit (nicht nur) im Wahlprogramm:

„Die dramatische Zunahme der Ehe- und Kinderlosigkeit und das Verschwinden normaler mittelgroßer Familien – von den etablierten Parteien längst als alternativlos hingenommen – sorgen für eine Schrumpfung unserer angestammten Bevölkerung um mehr als 250.000 Personen pro Jahr, mit stark steigender Tendenz. Die AfD stemmt sich gegen diesen Trend zur Selbstabschaffung und will Deutschlands Gesellschaft von Grund auf familien- und kinderfreundlicher gestalten.“

Auf der anderen Seite lehnt die AfD jeglichen Familiennachzug für Flüchtlinge ab und will „ausschließlich qualifizierten Zuzug nach Bedarf [der deutschen Wirtschaft – G.N.] zulassen“. Darüber hinaus wird eine feste jährliche Abschiebequote gefordert. Sollten die Herkunftsländer ihre BürgerInnen und deren Kinder nicht wieder zurücknehmen, müsse durch Einstellung der Entwicklungshilfe Druck ausgeübt werden. Dass täglich 30.000 Kinder auf der Welt verhungern, ist kein Thema der „familien- und kinderfreundlichen“ Politik der AfD.

Maßnahmen zur Geburtenförderung

Auch konkrete Maßnahmen zur Erhöhung der Geburtenzahl wurden beim Parteitag genannt. So sollen Familien durch Steuerentlastungen stärker gefördert werden, junge Eltern sollen ein „Baby-Begrüßungsgeld“ erhalten. Ein „Familiensplitting“ soll zu einer spürbaren Entlastung von Familien führen. Zunächst bleibt unklar, ob nur “deutsche junge Eltern“, die „deutsche Kinder“ bekommen, gefördert werden sollen. Was ist ein „deutsches Kind“? In Deutschland war die Staatsbürgerschaft bis zum Jahr 2000 an die blutsverwandte Abstammung einer Person gebunden. Erst nach der Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes 2000 wurde das Geburts- und Territorialprinzip einbezogen. Das Abstammungsprinzip gilt weiter. Die AfD will nun das Geburtsprinzip wieder abschaffen: „Das Geburtsortsprinzip (Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit allein durch Geburt in Deutschland, auch wenn kein Elternteil Deutscher ist) wollen wir wieder aus dem Gesetz streichen und zum Abstammungsprinzip, wie es bis zum Jahr 2000 galt, zurückkehren.“[18]

Der § 218, dessen Streichung aus dem Strafgesetzbuch für alle emanzipatorischen Kräfte längst überfällig ist, soll verschärft werden: „Auch ungeborene Kinder haben ein Recht auf Leben“, heißt es im Wahlprogramm. Dieses Recht dürfe nicht der Selbstverwirklichung oder sozialen Zukunftsängsten untergeordnet werden. Die AfD fordert eine Meldepflicht für Abtreibungen. „Bei Nichterfolgen soll eine spürbare Strafe ausgesprochen werden.“ Auch die bereits jetzt restriktive Pflichtberatung (Beratungsscheinregelung) soll überprüft und gegebenenfalls gesetzlich verschärft werden, damit die Schwangerschaftskonfliktberatung „tatsächlich dem Schutz des Lebens“ dient.

Junge Menschen sollnahegelegt werden, eine Familie zu gründen. Ihnen soll durch die Lehrpläne und Schulbücher „aller allgemeinbildenden Schulen“ ein positives Bild von Elternschaft vermittelt werden. Hingegen sollen die „Sexualpädagogik der Vielfalt“ und „staatlich geförderte Umerziehungsprogramme“ aus Kindergärten und Schulen beseitigt werden.

Das Scheidungsrecht will die AfD restriktiver gestalten: „Schwerwiegendes Fehlverhalten gegen die eheliche Solidarität muss bei den Scheidungsfolgen wieder berücksichtigt werden.“ Das heißt, das erst nach langen Auseinandersetzungen 1977 abgeschaffte Schuldprinzip bei Scheidungen soll wieder eingeführt werden.

Dürfen Frauen berufstätig sein?

Die AfD kritisiert, dass „die Wirtschaft“ die Frauen als Arbeitskräfte betrachtet. Sie will Gender Mainstreaming, Quotenregelungen, und „Propagandaaktionen wie den „Equal Pay Day“ abschaffen. Es sei falsch verstandener Feminismus, wenn Frauen einseitig im Erwerbsleben geschätzt werden, nicht aber Frauen, die „nur” Mutter und Hausfrau sind. Sie würden auch finanziell benachteiligt.

Laut Wahlprogramm will die AfD prekäre Beschäftigung abbauen und Mindestlöhne einführen, weil „das Fehlen einer materiellen Grundlage durch eigene Arbeit z.B. Familiengründungen erschwert“ und negative Auswirkungen „für die Demografie“ die Folge seien. Sie denkt dabei weniger an die vielen Mini-Jobs, die Frauen innehaben, sondern eher an die „Leih- und Werkarbeiter“. Die sollen nur noch 15 Prozent der Beschäftigten in Unternehmen ausmachen dürfen. Was in der aktuellen Situation wie eine gewerkschaftliche Forderung klingt, hat für die vielen Verkäuferinnen und andere Frauen, die im Niedriglohnsektor beschäftigt sind, keine Wirkung. Bei einer Lebensarbeitszeit von 45 Jahren plädiert die AfD dafür, den Rentenanspruch „abschlagfrei“ zu gewähren. 45 Jahre sind eine Lebensarbeitszeit, die Frauen in aller Regel nicht erreichen, wenn sie Kindererziehungszeiten und Pflegezeiten ausfüllen. Dafür, dass die Stabilisierung der Sozialsysteme mit Schwierigkeiten verbunden ist, macht die AfD wiederum eine „unverantwortliche Zuwanderungspolitik“ verantwortlich, die „unsere begrenzten Mittel“ angeblich auffrisst.

Darüber, dass Familie auch Ort der Gewalt und Unterdrückung ist, wird von der AfD nicht gesprochen. „Wenn Sie Gewalterfahrungen suchen, gleich ob als Opfer oder als Täter, gründen Sie am besten eine Familie“, lautet das zugespitzte Fazit, das Kai Bussmann, Professor für Strafrecht an der Universität Halle-Wittenberg, aus seiner Forschung zieht.[19] Bussmann erklärt: „Es gibt in unserer hochzivilisierten Gesellschaft keinen unsichereren Ort als die Familie.“ Insgesamt sei Gewaltkriminalität in Deutschland rückläufig. Aber aus dem öffentlichen Raum sei sie erfolgreicher verdrängt worden als aus dem privaten Bereich.

Schlussbemerkungen

Familienpolitik ist im Jahr der Bundestagswahlen für alle Parteien im Fokus. Zu befürchten ist, dass antifeministische und familistische Inhalte nicht nur extrem rechte Wahlkämpfe durchziehen, sondern in Teilen der Gesellschaft an Salonfähigkeit gewinnen. Eine erstarkende AfD, die bereits in mehreren Landtagen vertreten ist und ein sich auch in bürgerlichen Kreisen immer weiter ausbreitendes autoritäres und antifeministisches Denken verleiten selbst etablierte Parteien dazu, sich nationalkonservativen Positionen anzunähern, auch in der Hoffnung auf Wählerstimmen. Etablierte Parteien passen sich schon jetzt der Programmatik der AfD an: „Einige Dinge, die vorher unsagbar waren, werden mittlerweile sogar von der CDU aufgenommen.“, hieß es bereits beim Kölner Parteitag der AfD.[20] Andere Parteien könnten folgen. Das Engagement gegen den Abbau emanzipatorische Errungenschaften sollte Potentiale für feministische und anti-familistische Gegenwehr zusammenführen. Notwendig werden breite Bündnisse zur Organisierung von Protest und Widerstand gegen Rechts – europaweit und weltweit. Dazu braucht es eine Zielvorstellung davon, wie die Welt, die es zu verändern gilt, aussehen soll. Es sollte keine Rolle spielen, ob Menschen alleine, zu zweit oder in Gemeinschaften, mit oder ohne (eigene) Kinder, monogam oder polygam, homo-, hetero-, bisexuell oder in anderen (nicht-)sexuellen Beziehungen friedlich zusammenleben. Es sollte auch egal sein, aus welchem Land sie kommen, welche Hautfarbe sie haben und welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlen. Es geht um die Möglichkeit von freien Zusammenschlüssen unter freien Menschen ohne Unterdrückung und Gewalt. Es geht um eine Lebens- und Arbeitswelt, in der alle Menschen an dem viel zitierten „guten Leben“ teilhaben können.

[1] Alternative für Deutschland: Programm für die Wahl zum deutschen Bundestag am 24. September 2017, verabschiedet auf dem Parteitag der AfD am 22. Und 23. April 2017 in Köln, Kapitel 7, Willkommenskultur für Kinder: Familien und Bevölkerungsentwicklung, S. 34. Die Zitate, soweit nicht anders gekennzeichnet, sind aus diesem Programm.

[2] Einladung zum Vortrag „Saat und Ernte in der Kriegsarbeit“ von Agnes Harnack, in: Neckar-Zeitung, Heilbronn vom 18. 3. 1916, S. 5.

[3] Joseph Goebbels, zit. Nach Renate Wiggershaus: Frauen unterm Nationalsozialismus, Wuppertal 1984, S. 15.

[4] Siehe hierzu: Gisela Notz: Kritik des Familismus. Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes, Stuttgart 2015, Kapitel 2.7.

[5] Titelgeschichte ohne Autor: Wuermeling: Des Papstes Garde, in: DER SPIEGEL vom 15. 9. 1954, Nr. 38/1954, S. 8 und 10-15; hier S. 10.

[6] Pierre Krebs: Spektrale Analyse des Geburtenrückganges, in: Elemente zur Metapolitik 3/1987, S. 7 – 16; hier S. 7.

[7] Robert Hepp: „… als würde der deutsche Wald das deutsche Volk überleben“, in: Elemente zur Metapolitik 3/1987, S. 16 – 24; hier: S. 20 ff.

[8] Siehe hierzu: Gisela Notz, Kritik des Familismus, S. 165 ff.

[9] Unter Familismus versteht man in der Sozialwissenschaft die Position, die die klassische heterosexuelle, monogame Kleinfamilie mit Vater, Mutter, Kind/ern zum Dreh- und Angelpunkt der Gesellschaft hochstilisiert und die Politik auf ihre Förderung ausrichtet.

[10] Gabriele Kuby: Auf dem Weg zum neuen Gender-Menschen, Kisslegg 2007, S. 26.

[11] Andreas Püttmann: Runter vom Sockel, in: Christ und Welt, H. 26/2013.

[12] https://www.alternativefuer.de/wp-content/uploads/sites/7/2016/03/Leitantrag-Grundsatzprogramm-AfD.pdf. (Zugriff: 24.4.2017).

[13] www.br.de/nachrichten/bundesparteitag-afd-duo-schlussstueck-100.html (Zugriff: 24.4.2017).

[14] https://www.alternativefuer.de/wp-content/uploads/sites/7/2016/03/Leitantrag-Grundsatzprogramm-AfD.pdf. (Zugriff: 24.4.2017).

[15] www.zeit.de/news/2017-04/23/parteien-das-afd-programm-zur-bundestagswahl-23135808 (Zugriff: 24.4.2016).

[16] Andreas Kemper: Keimzelle der Nation – Teil 2, Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung, 2014, S. 12.

[17] Zit. nach Andreas Kemper: „Die neurotische Phase überwinden, in der wir uns seit siebzig Jahre befinden“, Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen 2016.

[18] Wahlprogramm, S. 29.

[19] Nicola Siegmund-Schultze: Schlachtfeld Familie, in Süddeutsche Zeitung vom 19. 5. 2010.

[20] Zugriff: 23. 4. 2017.