Demokratie – Herrschaft der Eliten?

Kampffeld Europa – Demokratisierung vs. Konzernmacht

März 2007

In Positionspapieren der Linken wird oft die Demokratisierung der Wirtschaft als wichtiger Bestandteil einer sozialen Gesellschaft zitiert. Ohne Veränderung der sozialökonomischen Struktur des heutigen Kapitalismus kann sie jedoch nicht in Gang gesetzt werden. Das betrifft auch den europäischen Integrationsprozess. Seine demokratische Gestaltung verlangt eine konkrete Analyse der Herrschaftsverhältnisse, die sich aufgrund der tief greifenden Umbrüche des Kapitalismus mit der krisenhaften Entwicklung seit den 70er Jahren und vor allem mit dem Zerfall der sozialistischen Weltordnung verändert haben und der Europäischen Union eine besondere Prägung in der internationalen Auseinandersetzung geben, denn im europäischen Wirtschaftsraum ist eine neue Stufe hochkonzentrierter ökonomischer Macht der Konzerne festzustellen. Diese ist nicht nur mit neuen Kräfteverhältnissen in der Welt, verstärkten Rivalitäten zwischen Konzernen und Staaten, sondern auch mit einer antidemokratischen Entwicklung in dem sich erweiternden europäischen Integrationsraum verbunden. Die zunehmende Monopolisierung der Wirtschaft als das heute grundlegende sozialökonomische Verhältnis bedingt die wachsende Macht von Finanz- und Wirtschafteliten, ihr Diktat über die Politik und wachsenden Demokratiedefizite in diesem regionalen Wirtschaftsblock. [1][1]

Gestärkte Konzernmacht in Europa

Für die mächtigen Industrie- und Bankenkonzerne wurden mit der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion seit Beginn der 1990er Jahre und der Liberalisierung in dem sich erweiternden Integrationsraum außerordentliche Rahmenbedingungen für ihre Kapitalverwertung geschaffen. Die 500 größten europäischen Unternehmen verzeichneten 2006 die kräftigste Gewinnexplosion seit der Nachkriegszeit.

Das gesamte Bruttoinlandsprodukt der 25 Mitglieder („EU-25“) betrug im Jahre 2004 10.208 Mrd. EUR. Setzt man diese Kennziffer der wirtschaftlichen Leistung ins Verhältnis zur Ökonomie der drei Zentren USA, Japan und EU, so überragte dieser Wert den der USA um etwa 10 Prozent. Japan erreichte 36,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der EU-25. Allerdings sind die einzelnen Mitgliedsländer an dieser Leistung sehr unterschiedlich beteiligt. Das Leistungspotential konzentriert sich auf wenige hoch entwickelte Staaten, wodurch auch die Interessen und Machtverhältnisse im europäischen Raum bestimmt sind. Deutschland allein trägt ein Fünftel zum EU-Bruttoinlandsprodukt bei. Zusammen mit den EU-Mitgliedsstaaten Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien sind es über 75 Prozent des gesamten BIP. Mit Ausnahme von Polen tragen alle anderen EU-Länder weniger als 1 Prozent zu dieser wirtschaftlichen Leistung bei.[2][2]

Als Schalthebel der Entwicklung des ökonomischen Potenzials der EU fungiert vor allem der Finanzdienstleistungssektor, getragen von Großbanken und Finanzinstitutionen. Es geht hierbei um Kapitalmobilisierung in neuen Dimensionen, um Vermittlung und Steuerung der Kapitalströme, um Risikoabsicherung von Kapitalanlagen in einer zunehmend international geprägten Wirtschaft. Charakteristisch ist daher sein bedeutend schnelleres Wachstum gegenüber der Industrie. Voraussetzungen sind der Wandel in den Finanztechniken, die Ausweitung des Kreditüberbaus sowie die Liberalisierung der Finanzmärkte.

Sowohl in der Industrie mit ihren kapitalintensiven Bereichen wie auch im finanziellen Sektor dominieren die Großunternehmen das wirtschaftliche Geschehen. Die KMU haben in allen EU-Ländern allerdings ein außerordentlich großes Gewicht. Im Wirtschaftsraum der EU-25 gibt es schätzungsweise 21 bis 22 Millionen KMU in den nichtlandwirtschaftlichen Wirtschaftszweigen.[3][3] Nach neuesten Daten[4][4] belief sich deren Zahl 2003 allein im Verarbeitenden Gewerbe auf 2,15 Millionen Unternehmen. Aus der Analyse der Unternehmensstruktur nach Größenklassen geht hervor, dass auf die KMU im nichtfinanziellen Bereich der gewerblichen Wirtschaft 2003 99,8 Prozent aller Unternehmen der EU entfielen. Sie beschäftigten etwa zwei Drittel aller Arbeitskräfte und erwirtschafteten über 57 Prozent der Wertschöpfung.[5][5] Jedoch ist die Lage der KMU äußerst prekär. Sie unterliegen dem Druck des Großkapitals. Ihre gesamte Akkumulation, deren Bedingungen und Richtungen werden von den marktbeherrschenden Konzernen bestimmt. Im industriellen Bereich laufen die Beziehungen zwischen KMU und den industriellen Großkonzernen über die Konkurrenzmechanismen auf die Einbettung der mittelständischen Unternehmen in die Netzwerke der großen Konzerne hinaus. Vor allem aber nutzt das Großkapital seine Finanzstärke zur Unterordnung und Ausbeutung der KMU aus, entzieht ihnen über ihre erpresserische Preispolitik Einkommen, treibt sie in eine sozial labile Lage. Kapitalmangel, knappe Finanzressourcen, eine sehr niedrige Eigenkapitalquote und damit auch Defizite in Forschung und Entwicklung sowie fehlender Zugang zum internationalen Markt bedrohen die Existenz der KMU. Für sie besteht eine besonders hohe Insolvenzgefährdung.[6][6]

Kapitalexpansion in neuen Dimensionen

Charakteristisch für die Entwicklung zu einer neuen Stufe der Machtkonzentration in der EU sind das Ausmaß der Fusionen und die ausländischen Direktinvestitionen. Über sie fließt das akkumulierte Kapital der Konzerne in großen Dimensionen in Bereiche mit höheren Profiterwartungen. Überwiegend werden bestehende Unternehmen aufgekauft oder Kooperationen und Allianzen geschlossen, um bereits vorhandener Anlagen und Ressourcen zu nutzen, weniger um neue Kapazitäten zu errichten. Beide Aktivitäten sind Formen der Zentralisation von Produktion und Kapital unter ein Kommando, schließen aber auch Dezentralisationsmaßnahmen mit ein, d.h. ein Abstoßen von Gesellschaften, Auslagerungen von ehemals dem Konzern untergliederten Abteilungen und Stilllegungen – verbunden mit rigoroser Vernichtung von Arbeitsplätzen.

Neue Fusionswelle

Gegenwärtig erlebt die Europäische Wirtschaft ihre dritte Fusionswelle innerhalb von 20 Jahren.[7][7] Die erste war im Zusammenhang mit der Einführung des Binnenmarktprogramms im Zeitraum von 1987 bis 1990 zu verzeichnen, die zweite mit dem Boom der Finanzmärkte und der New Economy in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre. Die jetzige ergibt sich aus einer weltweiten Fusionswut auf Grundlage überaus hoher Profite und gnadenloser Konkurrenz. Für 2005 wurden 35.208 Fusionen und Übernahmen mit einem Wert von 2.480 Milliarden Euro angegeben.[8][8] Die Unternehmen der EU waren an der Anzahl der Fusionen mit 26 Prozent beteiligt, fast auf dem gleichen Niveau wie die USA (28 Prozent) und Asien (27 Prozent). Bei den Übernahmen hat die Größendimension des Transaktionsvolumens zugenommen. Sie lag im Durchschnitt bei den übernommenen Firmen um 24 Prozent höher als im Jahr zuvor. Das ist in erster Linie auf die Großfusionen zurückzuführen. Von der Europäischen Kommission werden für die Zeit von 2000 bis 2004 allein 1.418 meldepflichtige grenzüberschreitende Unternehmensverbindungen aus dem Kreis der Großunternehmen angegeben.[9][9] Unter den fünf größten Transaktionen im Jahr 2006 befinden sich vier europäische Mammutfusionen – summiert mit einem Transaktionswert von 186 Mrd. EUR.[10][10]

Angesichts derartiger Volumina erklärt sich die Rolle der Banken, Versicherungen und Börsen in der Fusionswelle. Nach einer jüngst veröffentlichten Studie der Wirtschafts- und Beratungsgesellschaft KPMG ist im Jahr 2005 die Zahl der Fusionen und Übernahmen weltweit um 80 Prozent gestiegen. In der Studie wurden 147 private Geschäftsbanken befragt, von denen 89 Prozent derzeit einen Übernahmekandidaten suchen und fast 22 Prozent in den nächsten drei Jahren mehr als 1 Mrd. $ in Übernahmen investieren wollen.[11][11] Die Anzahl grenzüberschreitender Fusionen nimmt dabei zu. Für diese Transaktionen sind finanzielle Mittel ausreichend vorhanden. Nach Schätzungen verfügte das europäische Bankensystem 2005 über ein disponibles Kapital in Höhe von 43 Mrd. EUR. [12][12]

Deutlich wird bei der derzeitigen Fusionswelle der veränderte Charakter von Kapitalzentralisationen. Es zeigt sich, dass der Finanzmarkt der eigentliche Hebel der Kapitalströme ist, der mit „feindlichen Übernahmen“ auf Verwertung schlechthin aus ist. Hedge-Fonds und Private-Equity-Gesellschaften spielen dabei eine besondere Rolle. Sie sind an dem weltweiten Fusionsgeschäft bereits mit 20 Prozent beteiligt. Durch spekulativen Aktienhandel treiben sie die Preise der Transaktionen im Interesse eigener Gewinne hoch und erhöhen die Risiken für Fusionen.[13][13] Es wächst die Instabilität kapitalistischer Wirtschaftsprozesse mit Auswirkungen auf die Unternehmen. Immer stärker werden auch große Konzerne mit ihren Tausenden von Beschäftigten davon betroffen. Nach einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) sind in den 10 Jahren seit 1996 in der Rangliste der 300 Top-Unternehmen in Deutschland 36 Prozent der Konzerne nicht mehr aufgelistet, weil sie übernommen wurden. 32 Prozent der Unternehmen konnten ihre Positionen nicht halten, 14 Prozent erreichten nicht mehr die erforderliche Größe, 9 Prozent gingen in Insolvenz.[14][14]

Direktinvestitionen

Die Entwicklung der ausländischen Direktinvestitionen der EU-Konzerne läuft mit dem Fusionsprozess konform. Sie wird von den Großfusionen angetrieben und stellt damit zugleich Weichen für strukturelle Wirtschaftsprozesse in der EU. Es geht um regionale und sektorale Entwicklungsrichtungen der Machtentfaltung für neue Einflusssphären und Profitquellen. Ausländische Direktinvestitionen haben deshalb nicht nur für die EU-Konzerne einen hohen Stellenwert, sondern auch für deren Konkurrenten. Die Europäische Integration bietet den europa- und weltweit agierenden Konzernen vor allem mit ihrer Liberalisierungspolitik spezifische Kapitalverwertungsbedingungen.

Für den Ausbau der Machtpositionen der EU-Konzerne hat vor allem die Kapitalverflechtung innerhalb des EU-Wirtschaftsraumes eine besondere Bedeutung. Der Kapitalfluss der EU-Staaten in die anderen Mitgliedsländer weist deshalb ein höheres Niveau auf als die der Direktinvestitionen über die EU-Grenzen hinaus. Er vertieft so die sozialökonomische Grundstruktur der EU als kapitalistische Integration mit allen ihren Widersprüchen.

Regionale und sektorale Ausrichtungen der ausländischen Direktinvestitionen sind von den sich verändernden ökonomischen und politischen Bedingungen in der Welt abhängig. So haben die Finanzströme der EU in die Länder außerhalb ihres Wirtschaftsraumes seit 2000 eine bemerkenswerte Richtungsänderung erfahren. Es sind andere Empfängerländer in den Vordergrund gerückt, wie Mexiko, China und Japan, aber auch die Regionen Afrika, Mittelamerika und Asien. Die USA als bedeutendes Hauptempfängerland sind demgegenüber stark abgefallen. Auffallend ist zudem eine verstärkte Orientierung auf Drittländer im europäischen Raum wie Russland und die EU-Kandidaten Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Türkei.

Veränderungen gibt es auch hinsichtlich des Zustroms aus Drittländern in die EU. Mit 62,3 Mrd. EUR war 2004 der niedrigste Stand seit 1999 (125,6 Mrd. EUR) zu verzeichnen. Dreiviertel der gesamten aus dem Ausland kommenden DI entfielen auf nur vier Länder: USA, Schweiz, China und Japan. Die dominante Rolle spielen immer noch die USA mit fast 38, gefolgt von der Schweiz mit 23 Prozent. China entwickelt sich kontinuierlich zu einem der Hauptinvestoren in der EU – mit fast 5 Mrd. EUR und damit mit einem Anteil von rund 8 Prozent.

Die sektorale Ausrichtung der Finanzströme entspricht dem Strukturwandel des ökonomischen Potenzials der EU, vom verarbeitenden Gewerbe zum Dienstleistungssektor. Der Anteil des Dienstleistungssektors an den gesamten Intra-EU-DI-Beständen stieg von 1998 bis 2003 von 60 auf 80 Prozent an, während der Anteil des verarbeitenden Gewerbes von 34 auf 15 Prozent zurückging[15][15]. Dabei verschob sich gleichzeitig der Schwerpunkt innerhalb des Dienstleistungssektors zu den Finanzdienstleistungen. Das Kredit- und Versicherungsgewerbe hat mit 55 Prozent des gesamten Bestandes die erste Position eingenommen – Ausdruck der Erweiterung des finanzkapitalistischen Überbaus über der Wirtschaft in der EU.

Im Ergebnis von Fusionen und Kapitalverflechtungen erhöht sich der Internationalisierungsgrad der mächtigen EU-Industrie- und Bankenkonzerne. Gleichzeitig wächst das Gewicht des Auslandskapitals im europäischen Wirtschaftsraum. Die Konzernmacht in Europa trägt daher keinen spezifisch innereuropäischen Charakter, sie ist international geprägt.

Machtpositionen und Strategien der Industrie- und Bankenkonzerne

Die Expansion der EU-Konzerne steht in einem äußerst engen Kontext mit den sich gegenwärtig stark wandelnden Konkurrenzbedingungen in der Welt. Für das kapitalistische Integrationsgebilde in Europa ist nicht mehr nur die Behauptung des europäischen Großkapitals innerhalb der Triade USA-EU-Japan Triebkraft neuer Strategien. Neben der Herausforderung der unilateralen Weltherrschaftsbestrebungen der USA wirken immer stärker die Ressourcen- und Rohstoffproblematik sowie die Herausbildung eines neuen wirtschaftlichen Weltzentrums in Asien mit China und Indien auf Machterhalt und Expansion. In der EU als gewichtigem Raum der Globalisierung werden die Potenzen der Konzerne in der Auseinandersetzung um Machtansprüche in der Welt gebündelt. So haben sich wesentliche Veränderungen in den bisherigen Kräftegruppierungen in der EU selbst, aber auch innerhalb des Weltkapitals vollzogen (Tab.1).

Tab. 1: Verteilung der 100 größten Industriekonzerne der Welt (gemessen am Umfang der Auslandsaktiva) °

Tabelle siehe Datei zum Download!

° non-financial TNCs; * Doppelzählung von multinationalen Konzernen aus zwei Herkunftsländern, jeweils beiden Ländern zugerechnet. Quellen: IPW - Forschungshefte, Die Wirtschaft kapitalistischer Länder in Zahlen, Berlin 1/82, S. 68 und 1/87, S.63; UNCTAD, World Investments Report, Geneva New York, 1992, 2002, 2006.

Im Rückblick bis auf die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts zeigt sich vor allem ein grundlegender Wandel in der ökonomisch-politischen Machtkonstellation USA-Westeuropa. Mit neuen Größenordnungen konnten die europäischen Spitzenkonzerne ihre Positionen gegenüber den amerikanischen Konkurrenten ausbauen. Die nach der Größe der Auslandsaktiva erfassten 100 größten transnationalen Konzerne der Welt[16][16] erreichten 2004 mit 14,9 Millionen Beschäftigten einen Gesamtumsatz von 6102 Milliarden Dollar. Daran waren die 56 Konzerne der EU fast zur Hälfte beteiligt.

Tab. 2: Die umsatzstärksten Konzerne der EU-Staaten nach ausgewählten Branchen und regionaler Herkunft, 2005 (Anzahl unter den umsatzstärksten 500 Europas)

Tabelle siehe Datei zum Download!

Quelle: nach Angaben vom handelsblatt.com Firmen-Ranking 2005

Innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums resultiert der Machtzuwachs führender EU-Konzerne keineswegs nur aus der Erweiterung des Wirtschaftsraumes durch Beitritt neuer Länder, sondern vor allem aus ihrer rigorosen Expansionsstrategie, der gegenseitigen ökonomischen Durchdringung und ihrem vergrößerten Gewicht in der Politik. In der Liste der 500 größten Unternehmen Europas[17][17] – aus dem nicht-finanziellen Sektor – überwiegen im Jahr 2004 mit 439 die Großunternehmen der EU, angeführt von den Konzernen Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands. Die „EU-Kernländer“, die das Gros des ökonomischen Potentials auf sich vereinigen, bestimmen im gleichen Ausmaß auch die Machtverhältnisse im EU-Raum. Außerhalb des Integrationsraumes ist nach der Schweiz mit 24 Großkonzernen jetzt Russland mit 15 Kapitalgesellschaften vertreten. Sie alle agieren auf den Hauptfeldern der Wirtschaft, auf denen sich reguläre Konzernschlachten abspielen.

Der Energiebereich rangiert gegenwärtig an vorderster Stelle des Machtkampfes um Führungspositionen. Das Vordringen der großen Mineralölkonzerne – es ist das herausragende Merkmal der gegenwärtigen Machtkonstellation in Europa – ergibt sich aus der brisanten Rohstoffsituation, der Ressourcenknappheit für die europäische Wirtschaft und aus der Preisentwicklung auf diesem Sektor. Russland hat sich unter den mächtigsten 500 allein mit 5 Mineralölunternehmen platziert. Das insgesamt enger gewordene Netz wird in der „Optimierung der Gewinnsituation“ und in massiver Preistreiberei sichtbar. Die vier deutschen marktbeherrschenden Energieversorger E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall haben 80 Prozent der deutschen Stromerzeugung monopolisiert und kamen 2005 kumuliert auf einen Gewinn von 13,5 Mrd. EUR.[18][18]

2005 befanden sich unter den 1.000 größten Banken der Welt 268 aus der EU, die anteilig mit 51 Prozent der Bilanzsumme und 37 Prozent der Gewinne ihre gewonnene Kapitalstärke – vor allem gegenüber den mächtigen USA-Banken – zeigen. Zu den 25 größten Banken der Welt gehören 15 EU-Bankkonzerne, davon je vier aus Großbritannien und Frankreich. drei aus den Niederlanden, zwei aus Belgien und je eine aus Deutschland, Italien und Spanien. Neben den drei größten Banken der USA und den zwei aus der Schweiz ist Asien mit zwei japanischen und einer Großbank aus China unter den TOP-25 vertreten.[19][19]

In ihrem gegenwärtigen Agieren konzentrieren sich die Banken und andere Finanzinstitutionen zielgerichtet auf ihre eigentliche Funktion, die Regulierung der Finanzgeschäfte, um Höchstrenditen in kürzester Frist zu realisieren, und koppeln sich verstärkt von der Realökonomie ab. Gleichzeitig beginnt jedoch auch eine Umkehr der traditionellen finanzkapitalistischen Verflechtung zwischen Bank- und Industriekapital. Während Banken sich von ihren Industriebeteiligungen teilweise trennen, expandieren große Industriekonzerne, aber auch Handelsketten, Energieversorger, Mobilfunkbetreiber ins Finanzgeschäft, in kapitalmarktnahe Dienstleistungen. Dazu zählen beispielsweise die Autobanken der großen Automobilunternehmen. In Deutschland gibt es davon 12 mit einem Kreditbestand von fast 50 Mrd. EUR.[20][20]

Die Strategien der Großkonzerne des Finanzsektors zielen in erster Linie auf Expansion durch Übernahmen und erweiterte Marktstruktur. Nach der bedeutenden Anhäufung von Kapital in den letzten Jahren stehen vor allem Zukäufe im nationalen, vorwiegend aber im europäischen Wirtschaftsraum im Vordergrund. Dabei verändern sich auch die Strukturen der Großbanken. Die Deutsche Bank ist zu einem allmächtigen Finanzkonzern geworden, der mehr als 76 Prozent seines Gewinns aus dem Wertpapierhandel, aus Fusionen und Unternehmensberatungen erzielt, 8,2 Prozent aus der Vermögensverwaltung 11,2 Prozent aus dem Privatkundengeschäft und nur noch 4,9 Prozent aus Firmenbeteiligungen.

In diesem Prozess der Umgruppierungen in der Sphäre der Industriekonzerne und Banken prägen zudem zwei Charakteristika die gegenwärtigen Strategien: Einmal die Zunahme feindlicher Übernahmen – fast 65 Prozent der Kaufangebote deutscher Konzerne in diesem Jahr zählen dazu; zum anderen das erhöhte Tempo bei den Aufkäufen zur kurzfristigen Profitmaximierung. Unabwägbare Konzernübernahmen und Fusionen und darin eingeschlossen fehlerhafte Konzernentscheidungen, Ausschlachtung von Unternehmen mit riesigen Verlusten von Arbeitsplätzen werden zur typischen Erscheinung der Wirtschaft. Sie dokumentieren die wachsende Instabilität der monopolistisch geprägten Wirtschaft in der EU.

Ansatzpunkte zur Demokratisierung des europäischen Wirtschaftsraums

Die gewachsene Wirtschaftsmacht der Großkonzerne stellt eine große Herausforderung für die politische Gestaltung der EU dar, denn sie hat ihre sozialen Grundbedingungen wesentlich verändert. Mächtige Konzerne bestimmen gravierend das enge Beziehungsgeflecht von Wirtschaft und Politik. Dem Bemühen um Gemeinsamkeiten in der politischen Ausrichtung zum Ausbau der EU stehen die durch das Konkurrenzprinzip hervorgerufenen Rivalitäten entgegen. Sie entspringen dem sehr widerspruchsvollen, ambivalenten Verhältnis zwischen Monopolen und Staat auf nationaler, zwischenstaatlicher und internationaler Ebene und machen den europäischen Wirtschaftsraum immer mehr zu einem Spannungsfeld von Konflikten.

Politische Dominanz des Großkapitals in Europa und
Neoliberalismus

Die Diskrepanz zwischen der forcierten Monopolisierung der Wirtschaft mit ihrer eigenständigen Regulierung und dem Nachhinken der staatlichen Integration, vor allem in Hinblick auf die soziale und demokratische Gestaltung wird offensichtlich. Es eskalieren die Widersprüche innerhalb des europäischen Integrationsraumes. Sie beruhen erstens darauf, dass auf nationaler Ebene der Staat unter dem politischen Druck des Großkapitals die „eigenen“, in der Wirtschaftstruktur verankerten Konzerne mit zahlreichen Maßnahmen wie Steuererleichterungen, Subventionen, Exportförderung in ihrer Expansion unterstützt, gleichzeitig deren Interessen auch bei bilateralen und multilateralen Abkommen zwischen den Staaten durchzusetzen versucht. Zweitens sind sie dadurch bedingt, dass die Konzerne – gefördert durch nationalstaatliche Maßnahmen und außenpolitischer Rückendeckung – immer mehr als eigenständige Wirtschaftsorganisationen mit einem international weit verflochtenen Netz agieren und so auf nationaler oder internationaler Ebene staatliche Maßnahmen unterlaufen und unwirksam machen können. Drittens kollidieren auf der multilateralen Ebene des europäischen Wirtschaftsblocks mit seinen Institutionen die unterschiedlichen Interessen der Mitgliedsländer entsprechend den Kräfteverhältnissen, die von den mächtigsten Konzernen der EU über „ihre“ politischen Vertreter und ihren etablierten Verbänden bestimmt werden.

Die Dominanz des Großkapitals mit seinem politischen Einfluss im europäischen Wirtschaftsgeschehen ist deshalb der Hauptfaktor des wachsenden demokratischen Defizits in der EU. Die Kernthese der EU-Politik, dass nur die weitere Liberalisierung mit flexibleren Arbeitsmärkten die „Wettbewerbsfähigkeit Europas“ sichern könnte, entstammt den Empfehlungen der Wirtschaftslobby. Diese neoliberale Orientierung treibt die staatlichen EU-Institutionen immer stärker in eine Situation der politischen Lähmung gegenüber notwendig gewordenen Aufgaben in der erweiterten EU und bedingt ihre politische Handlungsunfähigkeit.

An dieser Sachlage hat sich bisher nichts Wesentliches geändert, obgleich die Chancen, Alternativkonzepte in der Öffentlichkeit einzubringen und unsoziale Maßnahmen zu stoppen, mit dem Wirken demokratischer Kräfte gewachsen sind. Die Konsequenzen, die aus der Machtkonstellation und dem Erpressungsdruck der Großkonzerne auf die Politik erwachsen, werden für die halbe Milliarde in der EU lebenden Menschen immer fühlbarer: Arbeitslosigkeit, sinkendes Sozialniveau, wachsende Armut und Demokratieabbau. Die Voraussetzungen, auf denen bisher noch soziale Kompromisse ausgehandelt werden konnten, sind durch die neuen Machtkonstellationen des Großkapitals verloren gegangen.[21][21]

Die Konzernmacht in der EU steht einem sozialen, demokratischen und friedlichen Europa entgegen. Die wirtschaftliche Integration Europas darf deshalb nicht mehr nach den Regeln der Konkurrenz und der Herrschaft der stärksten Konzerne gestaltet werden, denn das bedeutet ein Europa als spezifische Form der Internationalisierung des Großkapitals unter der Ägide der mit ihr eng verbundenen politisch herrschenden Klasse. Es ist dringend geboten, dieser Entwicklung eine alternative Strategie entgegenzusetzen, in der die Zurückdrängung der Macht der Konzerne einen zentralen Stellenwert einnimmt. Dies entspricht auch dem Anliegen der europäischen Linken in der gegenwärtigen Debatte um das Europäische Gesellschaftsmodell, „das Ganze in den Blick zu nehmen“[22][22].

Zurückdrängung der Macht des Großkapitals –
Kampf um „Wirtschaftsdemokratie“

In der Diskussion um den Zustand der Europäischen Union werden gegenwärtig von vielen politischen Richtungen Forderungen nach grundlegenden Reformen in der EU gestellt und unterschiedliche Alternativen zur gegenwärtigen Entwicklung vorgeschlagen, die größtenteils auf Veränderungen einzelner Bereiche von Wirtschaft und Politik gerichtet sind. Ein weitergehendes Konzept hat die Europäische Memorandum-Gruppe[23][23] vorgestellt. Als Alternative zur Fortsetzung neoliberaler Politik schlägt sie eine umfassende europäische Entwicklungsstrategie vor, mit der bei der europäischen Integration ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimensionen in der Gesellschaft erreicht werden soll. Sie fordert dazu als notwendige wirtschaftspolitische Maßnahmen mehr und intensivere gesamtwirtschaftliche und strukturpolitische Eingriffe, strengere Regeln für das Kapital und einen breiten Einsatz des öffentlichen Sektors. Daran ist anzuknüpfen, einen breiten demokratischen Meinungsprozess und eine öffentliche Diskussion in Gang zu setzen, um die verschiedenen alternativen Vorstellungen und -konzepte zu debattieren, nach Schwerpunkten und aktuellen Erfordernissen zu ordnen und gemeinsame Ziele über gesellschaftliche Perspektiven zu formulieren, die über den Kapitalismus hinausgehen.

Generell kann die alternative Politik einer antikapitalistischen Linke nur von der Vision eines demokratischen Sozialismus ausgehen, die auch auf eine Veränderung der sozialökonomischen Grundlagen und eine grundsätzlich anderen Wirtschaftsordnung zielt. Deshalb sollte nach der Übernahme der seit Jahrzehnten in der Arbeiterbewegung diskutierten Idee der Demokratisierung der Wirtschaft[24][24] durch die Linken in der Ausarbeitung einer komplexen alternative Wirtschaftsstrategie auch die Eigentumsfrage einen zentralen Stellenwert erhalten. Unter dem Leitprinzip der Wirtschaftsdemokratie können hierbei entsprechend den neuartigen fortgeschrittenen Veränderungen in den ökonomisch-politischen Machtgrundlagen des heutigen Kapitalismus eine Vielzahl von verschiednen Ebenen erfasst, überzeugende Alternativen lang-, mittel- und kurzfristig und praktikabel angelegt werden – als zielgerichtete Orientierung und gesellschaftliche Aktion für „soziale Gleichheit“. Auf jeden Fall ist Wirtschaftsdemokratie nicht unabhängig von Veränderungen in der durch die Herrschaft des Kapitals bestimmten ökonomischen Struktur durchzusetzen. Ohne diese hat reale Demokratie auch in politischen Verhältnissen kaum Chancen.

Was speziell die Demokratisierung des europäischen Wirtschaftsraumes betrifft, so sollte in der Debatte um das Europäische Gesellschaftsmodell von den linken europäischen Kräften das Konzept einer Wirtschaftsdemokratie angesichts der neuen Hegemonialordnung in der EU als langfristig angelegte Strategie stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt und mit konkreten Vorstellungen und praktikablen Maßnahmen zur Diskussion gestellt werden. Vorschläge für ein wirtschaftsdemokratischen Umstieg als Alternative zu den gegenwärtig dominanten Herrschaftsverhältnissen der Konzerne sind notwendig, um einen weiteren Sozialabbau zu verhindern und Chancen für ein soziales Europa zu eröffnen, zumal unter den heutigen Kräfteverhältnissen Vorstellungen einer Umwandlung der Wirtschafts- und Sozialordnung der EU in eine sozialistische Richtung keine reale Basis haben.

Politische Regulierung und alternative Eigentumspolitik

Im Rahmen solcher strategischer Überlegungen stellt eine alternative Eigentumspolitik mit ihren verschiedenen Facetten eine längerfristige Aufgabe dar. Es handelt sich dabei um eine Gesellschafts- und Ordnungspolitik, die mit einer entsprechenden Ausgestaltung der Wirtschaftsverfassung, mit verschiedenen Formen und Steuerungsinstrumenten den monopolistischen Kapitalstrukturen entgegensteht und eine Regulierung ermöglicht, die über Vorgaben sozialer und ökologischer Standards, über Wettbewerbsrecht und Steuergesetzgebung dem gesamten Wirtschaftsmechanismus durch Einschränkung monopolistischer Eigentumsstrukturen und Kapitalverfügung eine andere Richtung gibt.

Dazu zählen:

1. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Das Eigentumsrecht sowie die Verfügung über Eigentum muss sozialen Belangen, einer nachhaltigen Entwicklung und anderen Erfordernissen des Gemeinwohls gerecht werden.[25][25] Bei diesem Grundsatz handelt es sich in erster Linie um das Eigentum an den wichtigsten, die Wirtschaftsstruktur bestimmenden Produktionsmitteln und Ressourcen als Voraussetzung sozialer Verhältnisse und der Beziehungen von Klassen, Schichten und Individuen zueinander im Hinblick auf die Produktion, ihre Gestaltung sowie die Aneignung der Resultate des Wirtschaftsprozesses. Daraus sind die aktuellen Erfordernisse zur Einschränkung der Macht der Konzerne abzuleiten.

2. Die Notwendigkeit unterschiedlicher Eigentumsformen im sozialen Wettbewerb innerhalb einer erneuerten Europäischen Union. Auf der Grundlage der vorhandenen Unternehmensstruktur in den EU-Staaten sind neben den öffentlich-rechtlichen Unternehmen, Genossenschaften, kommunale Einrichtungen und dem Handwerk vor allem die KMU zu stärken. Insbesondere können durch den Abbau von Subventionen für die mächtigen Konzerne zielgerichtet die kleinen Unternehmen mit Hilfe von Staatsinterventionen gefördert und Kooperationsverbünde zwischen ihnen initiiert und unterstützt werden.

3. Der Stopp der Privatisierung von gesellschaftlichem, staatlichen und kommunalem Eigentum. Dies schließt auch die Rückführung privatisierter Ressourcen der öffentlichen Versorgung wie Wasser- oder Verkehrsbetriebe in gesellschaftliches Eigentum mit festgelegten demokratischen Richtlinien für ihre Arbeit ein.

4. Die Errichtung einer demokratischen Kontrolle über wichtige Bereiche der Wirtschaft und strenge Regulierungen durch demokratisch legitimierte Organe. Darin eingeschlossen ist auch als Option die Überführung von Schlüsselindustrien oder Wirtschaftssektoren in gesellschaftliches Eigentum. Das betrifft in erster Linie den Bankensektor in seiner Funktion als Hebel der Machtkonzentration im europäischen Wirtschaftsraum, die hoch monopolisierte Energiewirtschaft sowie die Rüstungswirtschaft, die den Rüstungsboom forciert und die EU mit Hilfe der politischen Klasse in einen aggressiv-expansionistischen Machtblock verwandelt.

Voraussetzung für die längerfristige Gestaltung einer Wirtschaftsdemokratie in der EU ist es, eine Informationsbasis sowie Diskussions- und Arbeitsgremien der politischen Linken in Europa für ein multilaterales Projekt, für gemeinsame Konzepte und für eine schrittweise Lösung der Probleme zu finden. Ein Anfang ist dafür bereits durch den 1. Kongress der neuen Partei der Europäischen Linken (EL) gemacht, der sich für das gemeinsame Erarbeiten von Alternativen ausgesprochen hat.[26][26] Entsprechend den aktuellen Erfordernissen sind gleichzeitig auch solche Initiativen parlamentarisch und außerparlamentarisch zu entwickeln, wie unter gegebenen Bedingungen und politischen Kräfteverhältnissen praktikable Vorstellungen realisiert werden könnten.

Ansatzpunkte einer alternativen Wirtschaftspolitik in Europa

Bei diesem Vorhaben kann auch auf folgende Ansatzpunkte Bezug genommen werden, die sich schlussfolgernd aus der konkreten Analyse der Konzernmacht in Europa ergeben:

- Aufgrund der ungleichen Verteilung der Ressourcen und der wirtschaftlichen Entwicklung im europäischen Wirtschaftraum erfährt der Integrationsprozess mit dem Übergewicht der großen führenden Länder durch die Macht und Strategien ihrer mächtigen Konzerne eine undemokratische Prägung. Sie kommt in der politischen Dominanz der „Kernländer“ über die kleinern Mitgliedsländer der EU zum Ausdruck. Über die Gestaltung einer demokratisch abgestimmten Wirtschaftspolitik zwischen den EU-Mitgliedsländern könnte eine vorausschauende Industrie-, Struktur- und Regionalpolitik entwickelt werden, die die Ungleichheit zwischen den Ländern beseitigen hilft und eine existenzsichernde Grundlage für die Beschäftigten in allen Ländern schafft. Das schließt intensivere gesamtwirtschaftliche und industriepolitische Eingriffe, strengere Regeln für das Kapital und einen umfangreicheren Einsatz und die Ausweitung des öffentlichen Sektors mit ein und wäre ein großes Feld parlamentarischen Agierens.

- Anzustreben ist der Aufbau einer demokratisch gestalteten Wirtschaftsverfassung in den einzelnen Ländern durch Abkehr von Liberalisierung und Deregulierung. Er sollte mit Orientierungen verbunden sein, die auf eine Unternehmensstruktur in den einzelnen Mitgliedsländern zielen, mit der entsprechend den regionalen Gegebenheiten der Länder wirtschaftliche Potenziale wachsen und die eine generelle Abhängigkeit von international agierenden Konzernen und ihren Strategien ausschließen. Dies beinhaltet beispielsweise eine gezielte Förderung der öffentlichen Auftragsvergabe besonders an kleine Unternehmen und die Schaffung von Anreizen zur Gründung genossenschaftlicher Unternehmen.

- Die Machtpositionen der Industrie- und Bankenkonzerne sind einzuschränken. Instrumente dafür könnten unter demokratischer Kontrolle eine strenge Begrenzung der Marktanteile, Einführung der staatlichen Genehmigung von Preisen im Versorgungsbereich wie Energie und Wasser oder bei pharmazeutischen Produkten, eine Umorientierung der bestehenden Steuerpolitik durch Abschaffung der Steuersubventionen für Großunternehmen, die Installierung eines Abgabensystems zur Beschneidung der Maximalprofite im Interesse des Gemeinwohls oder für Gemeinwohl orientierte Projekte sein.

- Die Situation der kleinen und mittleren Unternehmen in der EU muss in einer demokratisch verfassten Wirtschaftspolitik einen besonderen Stellenwert erhalten. Dies beinhaltet nicht nur eine gezielte Förderung besonders der kleinen Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten, sondern verlangt ein breiter angelegtes Förderprogramm hinsichtlich der Unterstützung bei Forschung und Entwicklung, der Orientierung auf Innovation und Technologie, Begünstigungen bei Kreditaufnahme, Marktzugang und bei der Gründung genossenschaftlicher Unternehmen und Kooperationen – umfangreiche Staatsinterventionen zugunsten dieser „tragenden Säule der Wirtschaft“.

- Die unkontrollierte Fusionswut ist zu stoppen. Die Wettbewerbsordnung ist zu überprüfen und Vorschläge zur Veränderung des Europäischen Kartellrechts sind mit dem Ziel einzubringen, demokratische Kontrollmöglichkeiten bei den meldepflichtigen Fusionen einzuführen, um ökonomische Machtkonzentration zu verhindern, Prüfungsverfahren zu verkürzen und die Genehmigungsverfahren mit der Maßgabe einer Beschäftigungssicherung zu verknüpfen. Im deutschen Wettbewerbsrecht ist die Ministererlaubnis zugunsten eines demokratischen Kontrollorgans mit Recht auf Eingriffe in Unternehmensstrukturen im Interesse des Gemeinwohls abzuändern.

- Die Konzernstrategien sind ausschließlich profitorientiert. Deshalb sollte die Besetzung der Vorstände und Aufsichtsräte einer demokratischen Kontrolle unterliegen, um Entscheidungen transparent und öffentlich zu machen. Gleichzeitig könnten demokratisch legitimierte „Europäische Konzernräte“ geschaffen werden, die ein Gegenpol zum internationalen Management bilden. Sie sollte mit Rechten ausgestattet sein, die über die Kompetenzen der seit 1994 eingerichteten Europäischen Betriebsräte hinausgehen. Dazu könnte das Konzernrecht überprüft und verändert werden.

- Der Abbau der Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten ist nicht nur aufzuhalten, deren demokratische Mitbestimmung ist auszubauen. Ein stärkerer politischer Druck auf eine Harmonisierung der Mitbestimmungsrechte in Konzernen der EU ist nötig, um in allen Großunternehmen eine qualitativ neue Mitbestimmungsregelung durchzusetzen und Einfluss über demokratische Kontrollorgane auf anstehende Konzernentscheidungen zu nehmen.

- Die Auslandsinvestitionen sind Grundlage der internationalen Machtexpansion der Konzerne und bestimmen die strukturellen Richtungen der Wirtschaftsentwicklung. Sie sind einzig Ergebnis von Entscheidungen der Konzernspitze. Notwendig ist daher eine Verpflichtung zur Transparenz und zur Information bei Konzernentscheidungen über die Finanzströme und eine Kontrolle hinsichtlich der strukturpolitischen Konzepte im Rahmen der EU, z.B. bei der Förderung bestimmter Regionen. Die Begünstigungen für die ausländischen Direktinvestitionen, z.B. die Risikoabsicherungen für Großinvestoren, sind abzuschaffen. Eine höhere Besteuerung von Vermögenserträgen und der Erträge aus ausländischen Direktinvestitionen ist einzufordern. Konzerne, die aus Profitgründen Unternehmen schließen und ins Ausland verlagern, haben Subventionen und andere staatliche Fördermittel zurückzuzahlen.

- Die Macht der Finanzkonzerne in der EU ist weit fortgeschritten und bildet ein Instrument der Diktatur der Finanzmärkte über die Wirtschaft im europäischen Raum. Eine demokratische Kontrolle insbesondere der Investmentfonds und scharfe Regeln für die Tätigkeit der Finanzinstitutionen sind notwendig. Es ist generell eine Regulierung des Finanzmarktes einzufordern, die nicht spekulative Gewinne begünstigt, sondern auf Strukturen zielt, mit denen ein qualitatives, umweltverträgliches Wirtschaftswachstum unter Berücksichtigung der Ressourcen und der ökonomischen Möglichkeiten der einzelnen Länder gesichert werden kann.

Im linken Spektrum der demokratischen Kräfte existiert bereits eine Vielzahl von alternativen Vorstellungen zu Veränderung der gegenwärtigen Verfasstheit im europäischen Raum. Es kommt darauf an, diese Fragen stärker in die Öffentlichkeit einzubringen, um auch Mehrheiten zum Umbruch der politischen Kräfteverhältnisse und zur Realisierung von Alternativen zu gewinnen.

[1][27] Der Beitrag hat die Studie „Konzernmacht in der Europäischen Union – Untersuchung der wichtigsten Indikatoren der europaweit agierenden Industrie- und Bankenkonzerne und Entwicklung von Ansatzpunkten für das parlamentarische Agieren der Bundestagsfraktion zur Demokratisierung des europäischen Wirtschaftsraumes“, September 2006, zur Grundlage. Die Studie enthält umfangreiches statistisches Material zu den in diesem Beitrag angeschnittenen Fragen, auf das der interessierte Leser verwiesen werden kann. Veröffentlichung in Vorbereitung.

[2][28] European business –Facts and figures, Eurostat, Panorama of the European Union, 2005 Edition, 07.03.2006, S.16.

[3][29] Nach der Empfehlung der Europäischen Kommission 2003/361/EG gelten als KMU Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten, die einen Jahresumsatz von bis zu EUR 50 Mio. oder eine Bilanzsumme von höchstens 43 Mio. haben.

[4][30] eurostat, Online-Datenbank v. 29.06.06.

[5][31] eurostat, Statistik kurz gefasst, 24/2006.

[6][32] Gerade mit der Liberalisierung der Finanzmärkte haben sich die Rahmenbedingungen für die KMU beträchtlich verschlechtert. Mit dem Regelwerk von Basel II, der “Neuen Basler Eigenkapitalvereinbarung“ verbunden mit dem Rating-System zur Ermittlung der Bonität von Unternehmen, hängt die Kreditvergabe an Unternehmen von der Eigenkapitalausstattung ab. Diese hat sich aber bei den KMU drastisch verschlechtert. In Deutschland sank die Eigenkapitalquote der KMU im Verlauf von vierzig Jahren sukzessiv ab. 1965 betrug sie noch 30, aber 2005 nur noch 9,5 Prozent (vgl. unternehmermagazin, Bonn, 4.2006). Die Großbanken sehen jetzt die große Chance, sich mit einem ganzen Arsenal neuer Finanzierungsinstrumente einen lukrativen Markt für profitable Geldanlagen zu erschließen. (Vgl. Mittelstandsfinanzierung – Partnerschaftliche Zusammenarbeit von Unternehmen und Banken, Bankenverband, Bundesverband deutscher Banken, Berlin, Februar 2005.)

[7][33] Vgl. Jörg Huffschmid, Die dritte Fusionswelle, in: Blätter für Deutsche und internationale Politik, Bonn, 11/2006, S. 1514; vgl. auch die Beiträge von Binus, Bischoff, Kisker und Huffschmid in Z 39, September 1999, Themenschwerpunkt „Konzentration/Monopolisierung“.

[8][34] DG ECFIN European Commission, Mergers & Acquisitions NOTE, Nr. 3 April 2006, S. 2.

[9][35] Europäische Kommission, Bericht über die Wettbewerbspolitik, Teil 1, 2005, S.117; Meldepflicht entsprechend der Fusionskontrollverordnung für Operationen, an denen sehr große Unternehmen mit nennenswerten Aktivitäten in mehr als einem Mitgliedsland beteiligt sind.

[10][36] FTD, Hamburg, vom 5.12.06.

[11][37] FTD, Hamburg, vom 21.06.06.

[12][38] diebank, Berlin, 8.2005.

[13][39] Neue Zürcher Zeitung, Zürich, vom 26. Juni 2006.

[14][40] FTD, Hamburg v.21.Juli 2006.

[15][41] eurostat, Statistik kurz gefasst 13/2006, EU-Direktinvestitionen, S. 6.

[16][42] Diese seit 1954 jährlich veröffentlichte Statistik führt nicht mehr nur Industriekonzerne auf, sondern bezieht jetzt auch Handel, Medienwirtschaft und auf die Industrie bezogenen Dienstleistungsunternehmen mit ein. Überwiegend handelt es sich um Industriekonzerne.

[17][43] Veröffentlicht im handelsblatt.com: Firmen-Rankings 2005.

[18][44] Der Spiegel, Hamburg, Nr. 24 vom 12.6.06, S. 80.

[19][45] diebank, Berlin 10.2006, S. 29ff.

[20][46] diebank, Berlin 3.2005, S. 28f.

[21][47] Vgl. Vladimiro Giacché, Welche „Demokratie“?, in: Marxistische Blätter, Essen, H. 5-06, S. 19ff.

[22][48] Vgl. Andreas Wehr, Das Publikum verlässt den Saal, Köln 2006, S. 181.

[23][49] „Arbeitsgruppe europäischer Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirtschaftswissenschaftler für eine Alternative Wirtschaftspolitik“, EuroMemo 2005: Demokratische Politik gegen die Herrschaft der Märkte. Vorschläge für eine integrierte Entwicklungsstrategie in Europa, Hamburg 2006.

[24][50] Vgl. Ulla Plener, Wirtschaftdemokratie – Erfordernis sozialer Gerechtigkeit, in: Z, Nr. 42, Juni 2000, S. 160ff.; Ulla Plener, Soziale Gerechtigkeit erfordert Wirtschaftsdemokratie, in: UTOPIE kreativ, H. 127, S. 441ff.; Fritz Vilmar, Wirtschaftdemokratie – eine Alternative, in: Widerspruch, Zürich, 43/02, S. 39ff.

[25][51] Vgl. Gregor Schirmer, Für eine alternative EU-Verfassung, in diesem Heft.

[26][52] ND, Berlin, vom 5. Mai 2006.

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