Kapitalistische Schwellenländer – Aufstieg der Peripherie?

Passive Revolution und neoliberale Globalisierung in Post-Apartheid Südafrika

September 2006

Das Jahr 1994 stellt den wahrscheinlich wichtigsten Wendepunkt der jüngeren südafrikanischen Geschichte dar. Das formale Ende verschiedener historischer Systeme staatlich institutionalisierter, rassistischer Diskriminierung (Sklaverei, Segregation, Apartheid) wird nicht nur die heutige Generation von Sozial-wissenschaftlerInnen veranlassen, in ihren zukünftigen Analysen zwischen dem „alten“ (prä-1994) und dem „neuen“ (post-1994) Südafrika zu unterscheiden. Andererseits stellte sich die südafrikanische „Revolution“ gänzlich anders dar als vielfach von linken TheoretikerInnen antizipiert. Die erwartete Tabula rasa, die notwendig zusammenhängende Aufhebung von Apartheid und Kapitalismus, die letztlich auf vereinfachenden Vorstellungen eines funktionalen und widerspruchsfreien Verhältnisses zwischen beiden beruhte, blieb aus. Spät formulierte Wolpe (1988) die Einsicht, die Beziehung zwischen Kapitalismus und „weißer“[1][1] Herrschaft müsse als historisch kontingente, nicht als notwendige betrachtet werden.

Eher schon lassen sich die Entwicklungen in Südafrika als „passive Revolution“ im Sinne Gramscis beschreiben: Prozesse gesellschaftlicher Umwälzungen von oben ohne wirkliche Revolution. In Südafrika beschränken sich die – nicht gering zu schätzenden – Veränderungen auf die politische und ideologische Ebene, während die Produktionsverhältnisse und die ökonomische Struktur unangetastet blieben. Diese fundamentalen Kontinuitäten, die der Einstufung Südafrikas als ein wichtiger „emerging market“ sicher nicht abträglich waren, und ihre Folgewirkungen sind Gegenstand der Untersuchung.

Südafrikas kurzer Weg zum Neoliberalismus

Szeftel (2004) identifiziert drei mögliche Wachstums- bzw. Entwicklungspfad-Optionen, denen eine African National Congress (ANC)-geführte Regierung nach dem Wahlsieg hätte folgen können: den „revolutionären Pfad“, den „Pfad der radikalen Reform“ und den „neoliberalen Pfad“. Die erste Option muss, mit Rücksicht sowohl auf den globalen politischen Kontext Anfang der 1990er als auch auf den kompromisshaften Charakter der ausgehandelten Demokratisierung ohnehin als eine eher theoretische Möglichkeit gesehen werden. Darüber hinaus haben einige, trotz des engen Bündnisses des ANC mit der South African Communist Party (SACP) und der teils revolutionären Rhetorik während des Anti-Apartheid-Kampfes, rückblickend den grundsätzlichen Willen der ANC-Spitze, einen solchen Weg einzuschlagen, bezweifelt (vgl. z. B. McKinley 1997). Abgesehen vom gegebenen Kräfteverhältnis zwischen dem National Party (NP)-geführten Apartheidstaat und der Dreier-Allianz aus ANC, SACP und dem Congress of South African Trade Unions (COSATU), das auch in der Hochphase des Kampfes die Möglichkeit eines revolutionären Umsturz nie realistisch erscheinen ließ, scheint die Leichtfertigkeit, mit der sich der ANC von zentralen Punkten seiner emanzipatorischen Ambitionen verabschiedete, diese Position zumindest implizit zu stützen. Im Verlauf der konsensualen Verhandlungen zwischen den politischen Eliten des alten Regimes und dem ANC über die Form der zukünftigen demokratischen Ordnung (Conference for a Democratic South Africa, CODESA) und den entsprechenden Gesprächen über die zukünftige Wirtschaftsordnung im korporatistisch angelegten National Economic Forum (NEF), die von bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Land überschattet waren, billigte der ANC, auch unter dem Druck einer totalen Destabilisierung Einhalt zu gebieten, Zugeständnisse an konservative Kräfte. Im Einklang mit der entstehenden nationalen Kompromiss- und Versöhnungskultur folgte den Wahlen eine vorübergehende Phase der Machtteilung, eine „Regierung der nationalen Einheit“ der stärksten politischen Kräfte, in der die NP Schlüsselministerien, wie das Finanzministerium und das Ministerium für Mineral- und Energieangelegenheiten, besetzte. Die Übergangsverfassung garantierte Eigentumsrechte jeder Art, was z.B. im Bereich der Landreform zu einem zähen Veränderungsprozess führte. Schließlich wurde die Kontrolle der demokratisch gewählten Regierung über zentrale Politikfelder durch die institutionalisierte Unabhängigkeit der Zentralbank entscheidend eingeschränkt (Michie/ Padayachee 1997: 11).

Während also in der Übergangsphase von 1990 bis 1994 revolutionäre Ambitionen delegitimiert wurden, so fand doch eine intensive Auseinandersetzung zwischen VertreterInnen des radikalen Reformpfades und neoliberalen ApologetInnen statt. Die finale Priorisierung des dritten über den zweiten Pfad, die mit der Implementierung der „Growth, Employment and Redistribution“- Strategie (GEAR) in 1996 ihren Ausdruck fand, ist im Wesentlichen einem Zusammenspiel aus ideologischen Machtkämpfen und strukturellen Faktoren geschuldet. Verschiedene AutorInnen (Bond 2000; Marais 1998; Terreblanche 2003) haben auf die ideologischen Offensiven von internationalen Finanzinstitutionen und nationalen Wirtschaftslobbyorganisationen hingewiesen, die den ANC oder zumindest entscheidende Personen und Fraktionen innerhalb der Organisation erfolgreich zur Einwilligung in den hegemonialen Diskurs der neoliberalen Orthodoxie gedrängt haben. Andere fokussieren auf die Struktur der internationalen politischen Ökonomie, die die Handlungsautonomie (semi-)pe­ripherer Staaten fundamental beschneidet und auf das Damoklesschwert von Kapitalflucht und Finanzkrise, mit dem unliebsame Regierungsentscheidungen sanktioniert werden (Habib u.a. 1998; Handley 2005; Koelble 2004).

Das sich Anfang 1994 vom ANC als Wahlkampfprogramm zu Eigen gemachte „Reconstruction and Development Programme“ (RDP) gilt als programmatisches Aushängeschild des radikalen Reformpfades. Es entstammte einem Diskussionsprozess der Anti-Apartheid-Organisationen und der COSATU. Das RDP war inhaltlich weitgehend mit einem von einer Gruppe progressiver ÖkonomInnen vertretenen neo-keynesianischen Ansatz zur Rekonstruktion der südafrikanischen Ökonomie kompatibel (vgl. MERG 1993). Dieser „Wachstum durch Umverteilung“-Ansatz rückte die extremen Disparitäten der Apartheid-Ökonomie hinsichtlich Reichtumsverteilung und Zugang zu wichtiger sozialer Infrastruktur ins Zentrum der Analyse. Er argumentierte für ein staatlich getragenes Entwicklungsprogramm, das die Basis für ein anschließendes privatwirtschaftlich getragenes Wachstum legen werde.

Doch bereits die erste Fassung des RDP-Dokuments enthielt zum Teil widersprüchliche Passagen, die die partielle Unterstützung unterschiedlicher sozialer Kräfte möglich machten: Während neoliberal und rechts-sozialdemokratisch ausgerichtete Fraktionen Handelsliberalisierung und implizit enthaltene Aussagen über Sozialpartnerschaft teilten, verteidigte die Linke das RDP bezüglich der emanzipatorischen Bestandteile, die die Befriedigung bisher verwehrter Grundbedürfnisse der breiten Bevölkerung und eine Restrukturierung der Apartheid-Ökonomie in Aussicht stellten (Bond 2000: 89ff.). Stellvertretend für linke Kräfte formulierte Saul (zit. nach Saul 2005: 206) zu dieser Zeit die längerfristige Hoffnung, das RDP sei „less what it is, than what it might become“ im Kontext fortgesetzter Klassenkämpfe. Wie recht und zugleich unrecht er hatte, zeigte sich bereits kurz darauf. Die Verabschiedung des RDP-Weißbuches im September 1994 bedeutete „a very significant compromise to the neo-liberal, „trickle-down” economic policy preferences of the old regime. (…) The WP [Weißbuch] will be welcomed only by those who believe that policies which involve any form or degree of state intervention are antithetical to economic growth” (Adelzadeh/ Padayache 1994: 2). Tatsächlich wurde der ursprüngliche RDP-Ansatz trotz der enthaltenen Ambivalenzen von Anfang an scharf von der Kapitalseite attackiert. Das Weißbuch war somit ein erstes Ergebnis des erfolgreich geführten Klassenkampfes von oben.

An dessen vorläufigem Ende stand 1996 mit der GEAR-Strategie die Implementierung eines orthodox-neoliberalen makroökonomischen Rahmens. Inflationsbekämpfung, Defizitreduktion, Privatisierung von Staatsbetrieben, ein flexibler Arbeitsmarkt, Lohnzurückhaltung – all dies würde, so die Modellannahmen, zu einer massiven Steigerung von Investitionen, einer kontinuierlich auf sechs Prozent im Jahr 2000 ansteigenden Wachstumsrate und der Schaffung von 400.000 Arbeitsplätzen jährlich führen. In Übereinstimmung mit frühzeitig erfolgten Tarif- und Steuersenkungen sowie Handels- und Kapitalverkehrsliberalisierung war GEAR der letzte Schritt hin zu einem export- und wettbewerbsorientierten Wachstumsmodell. „Essentially, GEAR was a conventional structural adjustment and stabilisation programme, along the lines advocated by the Bretton Woods institutions (…) The message of GEAR was however clear and this was that the market would be the paramount vehicle for allocating resources and that macroeconomic fundamentals would be pursued resolutely and not tampered with in achieving this goal. As the framework document’s name implies, the pursuit of growth was primary and seen as the vehicle for promoting employment and achieving the much-needed redistribution” (Mhone 2003: 24).

Kontinuitäten der südafrikanischen Ökonomie:
der „Minerals-Energy Complex“

Stichpunktartig ist die Struktur der südafrikanischen Ökonomie wie folgt zu charakterisieren:

Der „minerals-energy complex (MEC)“ (s.u.) bleibt Südafrikas wirtschaftliche Basis. Die Herstellung intermediärer Kapitalgüter bleibt, mit Ausnahmen der auf den Bergbau bezogenen, unterentwickelt. Viele Luxusgüter, historisch auf die privilegierte KonsumentInnen-Gruppe der „Whites“ ausgerichtet, werden lokal produziert, allerdings zu international nicht wettbewerbsfähigen Bedingungen. Im Gegensatz dazu ist ein Großteil der Haushalte vom Zugang zur öffentlichen Infrastruktur abgeschnitten. Für große Teile der Bevölkerung, die in extremer Armut leben, ist selbst die Befriedigung elementarer materieller Bedürfnisse nicht gesichert (Bond 2000: 18f.)

Seit Ende des 19. Jahrhunderts stellen Abbau und Export der reichhaltigen Mineralvorkommen das Herz der südafrikanischen Kapitalakkumulation dar. Unterstützt durch staatliche Interventionen hat sich herausgebildet, was Fine und Rustomjee (1996) mit dem Begriff des MEC beschrieben haben. Diese spezifisch südafrikanische Akkumulationsstrategie umfasst in ihren hochentwickelten Kernsektoren privatwirtschaftliche und ursprünglich staatliche, aber zunehmend privatisierte Unternehmungen im Diamant-, Gold- und Kohleabbau, Elektrizitätserzeugung, Eisen- und Stahlhütten, industrielle Produktion von Bergbaumaschinerie und -anlagen sowie Produktion und Verarbeitung von Nichteisenmetallen (Chrom, Kupfer, Silber, Aluminium, Platin etc.) und Petrochemikalien (Kunstdünger, Pestizide, Kunststoffe, Petroleum etc.). Während diese Systematisierung ökonomischer Aktivitäten aus verschiedenen Sektoren zu einem Komplex auf den ersten Blick willkürlich erscheinen mag, erklärt sich die innere Logik bei Betrachtung der zahlreichen Vorwärtsverflechtungen ausgehend vom Bergbau. So wird abgebaute Kohle zum überwiegenden Teil zur Stromerzeugung genutzt; Strom wiederum ist zentraler Input für die energieintensive Produktion und Veredelung von Eisen, Stahl, Petrochemikalien, Nichteisenmetallen, etc. Dieser Analyse folgend ergibt sich ein Bild, das der Mainstream-Ansicht einer abnehmenden Bedeutung der Bodenschätze für Südafrikas Ökonomie widerspricht. Außerdem wird die Behauptung einer mangelnden Konkurrenzfähigkeit des sekundären Sektors spezifiziert, da sich zeigt, dass die Bereiche, die funktional auf den Bergbau bezogen sind, verhältnismäßig stark sind (Magubane 2002: 101).

Historisch betrachtet liegen die Wurzeln des MEC insbesondere im Bereich des Goldbergbaus. Mit der baldigen Erschöpfung der an der Oberfläche liegenden Adern stieg die Notwendigkeit des Untertageabbaus. Die ungleich höheren Kapitalerfordernisse trugen maßgeblich zur voranschreitenden Eigentumskonzentration bei. Mit der Diversifizierung der Investitionen in die Ausbeutung einer breiteren Palette von Rohmineralvorkommen sowie in nachgeordnete industrielle Verarbeitungsschritte und in den Finanzsektor weitete sich die entstandene oligopolistische Struktur während der nächsten Jahrzehnte sukzessive auf die gesamte südafrikanische Wirtschaft aus. Insbesondere nach der Flucht ausländischen Kapitals im Anschluss an das Sharpeville-Massaker in 1960 und der durch Kapitalverkehrskontrollen und Sanktionen eingeschränkten Möglichkeiten der Auslandsinvestition nahmen Fusionen und Übernahmen zu. Sechs Konzerne, von denen die Anglo-American Corporation wohl der bekannteste ist (vgl. Innes 1984), dominieren Südafrikas Ökonomie. Zahlreiche wechselseitige Verflechtungen und die Ausbreitung in verschiedene ökonomische Sektoren (Bergbau, Industrie, Finanzdienstleistungen) lassen Fine und Rustomjee von sechs „Kapitalachsen“ sprechen (1996: Kap. 5). Strategische staatliche Investitionen in Infrastruktur und Kern-MEC-Bereiche (Stahl, Energiesektor etc.), oftmals in der Form von Joint Ventures mit südafrikanischem und internationalem Kapital, haben wesentlich die Stärkung dieses modernen Wirtschaftssegmentes unterstützt.

Erste Anzeichen einer Überakkumulationskrise traten in Südafrika im Lauf der 1970er Jahre auf. Massive Konsumgüterüberschüsse führten zu spekulativen Investitionen von liquidem Kapital in den Luxus-Immobilien- und Finanzmarkt sowie illegaler Kapitalflucht. Wachstums- und Profitabilitätsraten fielen zwischen 1970 und 1990 besonders im sekundären Sektor rapide ab. Reinvestitionen im sekundären Sektor trugen zu steigender Kapitalintensität bei, was die Krise intensivierte. War die südafrikanische Ökonomie bisher eher von Arbeitskräftemangel gekennzeichnet gewesen, der durch staatlich forcierte Proletarisierung beseitigt wurde, so traten ab dem Ende der 1970er steigende Arbeitslosenzahlen auf. Die „Homelands“ dienten als Auffangbecken für die von Arbeitslosigkeit betroffenen „Africans“. Während sich die Situation dort stetig verschlechterte, war die Minderheit der in den urbanen Zentren lebenden „Africans“ in der Lage, ihre materielle Situation zu verbessern. Diese weiterhin im Produktionsprozess stehenden Insider profitierten von graduellen Reformen, die das Apartheidregime billigte, um die politischen Konflikte zu befrieden. Eine Kombination aus andauernder ökonomischer Krise, wachsenden politischen Unruhen und verstärktem internationalen Druck auf das Apartheidregime führte schließlich zum Demokratisierungsprozess, einer Vorbedingung für die Reintegration Südafrikas in die internationale politische Ökonomie.

Die Wiedereingliederung Südafrikas in die Weltwirtschaft und die damit korrespondierenden Kapitalstrategien bedeuteten eine Steigerung der Produktivität und der Profitraten (Nattrass 2004). Sie haben an der grundlegenden dualistischen Struktur der südafrikanischen Ökonomie, die für einen Großteil der Bevölkerung nichts als Arbeitslosigkeit, Armut und Deprivation bedeutet, jedoch keinerlei positive Veränderung bewirkt.

Moderate Wachstumsraten des BIP von durchschnittlich knapp unter drei Prozent pro Jahr (2,77%) zwischen 1994 und 2003 sind zwar respektabel, bleiben aber deutlich hinter den Modell- Prognosen der GEAR- Strategie zurück. Zudem sorgt ein fast ebenso starkes Bevölkerungswachstum (2% pro Jahr) dafür, dass das rechnerische Pro-Kopf-Einkommen nahezu stagniert. Auch die Investitionen liegen für denselben Zeitraum mit ca. zwölf Prozent des BIP äußerst niedrig. Der öffentliche Sektor hat dies trotz einer leicht expansiven Tendenz seit 2001 nicht ausgeglichen (Gelb 2005: 384ff.).

Hauptresultat der Liberalisierung des Handels und der Exportorientierung ist ein zunehmendes Gewicht kapitalintensiver Produktionssektoren im Bereich des traditionell starken MEC. Damit gehen massiver Arbeitsplatzabbau und steigende Arbeitslosigkeit einher.

Tab. 1: Exporte nach Sektor (Prozent)

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Quelle: Gelb 2005

Tabelle 1 zeigt die prozentualen Veränderungen der sektoralen Zusammensetzung am Gesamt-Warenexport. Auffällig ist die deutliche Abnahme des Mineral-Sektors zugunsten von einfachen Industriegütern und Maschinen/ Geräten. Innerhalb des Mineral-Sektors hat Platin seit Anfang 2000 Gold als Hauptexport abgelöst, was aber den im Goldabbau auftretenden Arbeitsplatzabbau nicht aufgewogen hat. Die gestiegene Bedeutung einfacher Industriegüter (Chemikalien, Kunststoffe, einfache Metalle) und Maschinerie folgt aus der vermehrten Wertschöpfung im Bereich der Veredelung inländischer Bodenschätze, die dann als verarbeitete Produkte, nicht als Roherze exportiert werden. So beinhaltet Maschinerie Fahrzeugkomponenten, wie z.B. platinbeschichtete Katalysatoren und Ledersitze, die den überwiegenden Teil der südafrikanischen Exporte in dieser Kategorie ausmachen. Während diese einzelnen Sparten einen aggressiven Exportboom verzeichnen, überwiegt gesamtwirtschaftlich die Importdurchdringung. Besonders arbeitsintensive Sektoren wie die Kleidungs- und Nahrungsmittelindustrie haben auf verschärfte Konkurrenzbedingungen mit Stellenabbau reagiert. Zusammengefasst gibt es „some evidence to suggest that trade liberalisation and increased trade (…) have induced a structural change in production towards capital-intensive sectors. South Africa has a low and declining share of exports that use unskilled labour, and a high share using more skilled labour“ (Lewis zit. nach Gelb 2003). Downsizing im öffentliche Sektor und Ausgabenkürzungen im Bereich des staatlichen Wohnungsbaus haben die Beschäftigungskrise weiter intensiviert (Gelb 2005: 395f.; Seidman Makgetla 2004: 272ff.).

Wandel der Ungleichheit – Klasse schlägt „Rasse“

Im Zeitraum von 1917 bis 1970 gab es kaum Veränderungen hinsichtlich der Verteilung des Gesamteinkommens auf die vier Apartheid-Bevölkerungsgruppen. Auf „Whites“ entfielen konstant etwa 70% des Gesamteinkommens bei einem Bevölkerungsanteil von etwa 20%. Auf der anderen Seite erhielt die Gruppe der „Africans“, die ca. 70% der Bevölkerung ausmachen, 20% des Einkommens. Die übrigen zehn Prozent verteilten sich auf Asians und Coloureds.

Seit den 1970er Jahren (s.o.) und besonders seit dem Ende der Apartheid ist dieser historische Trend gebrochen (Tab. 2).

Tab. 2: Einkommen nach Bevölkerungsgruppen und Anteil an der Gesamtbevölkerung (%)

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Quelle: Whiteford/ van Seventer 1999

Betrachtet man die Verteilung zwischen armen und reichen Haushalten, so erhalten die ärmsten vierzig Prozent der Haushalte knapp unter vier Prozent, die reichsten zehn mehr als die Hälfte des Gesamtverdienstes. Wichtig ist, dass die Ungleichheit innerhalb der Gruppen zugenommen hat. Die ärmsten Haushalte mussten zum Teil drastische Einbußen hinnehmen, die reichsten konnten Zuwächse verbuchen. Dies drückt sich ebenfalls in gestiegenen Gini-Koeffizienten innerhalb der vier Apartheid-Bevölkerungsgruppen aus.

Tab. 3: Gini-Koeffizienten 1975-1996

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Quelle: Whiteford/ van Seventer 1999

Dieser Trend legt ebenfalls nahe, dass in den verschiedenen Einkommensklassen eine Veränderung in Bezug auf deren Zusammensetzung nach Bevölkerungsgruppen zu vermuten ist (Tab. 4).

Tab. 4: Zusammensetzung der Einkommensgruppen (Haushalte in Dezilen) nach Apartheid-Bevölkerungsgruppe (%)

Tabelle siehe Datei zum Download!

Quelle: Whiteford/van Seventer 1999

Auch wenn die Proportion der „White“-Haushalte in den unteren Einkommensdezilen leicht zugenommen hat, bleibt die Gruppe der „Africans“ doch überrepräsentiert. Interessante Entwicklungen sind vor allem in den oberen Dezilen zu verzeichnen. Dort hat der Anteil der „White“-Haushalte rapide abgenommen. Begleitet wurde dies durch starke Zuwächse von „African“-Haushalten, insbesondere in den zwei oberen Dezilen. Dies ist vor allem ein Ergebnis des Wegfallens der Schranken, die das Apartheidregime der Aufwärtsmobilität von „Africans“ gesetzt hatte. Eine Verbesserung der materiellen Verhältnisse hat sich allerdings nur für eine sehr kleine Gruppe der „Africans“ erfüllt. Von Affirmative Action-Programmen haben vor allem die profitiert, die schon gegen Ende der Apartheid-Ära zu den Insidern gehörten und jetzt von gestiegenen Löhnen, höherem (Aus-)Bildungsniveau und besserem Zugang zur sozialen Infrastruktur profitieren.

Armut und soziale Ungleichheit weisen auch in Südafrika eine starke Korrelation mit Erwerbslosigkeit auf. Wer in den Jahren nach dem Ende der Apartheid arbeitslos wurde und/oder keinen Job fand, gehörte zur großen Gruppe der VerliererInnen in diesem Zeitraum, wohingegen KapitaleignerInnen und die auch weiterhin in Beschäftigung stehenden ausgebildeten (Fach-)Arbeitskräfte oft Einkommenszuwächse sichern konnten (Nattrass/ Seekings 2005: 351).

Südafrikas ohnehin hohe Arbeitslosenquote ist im Verlauf der letzten Jahre nochmals drastisch angestiegen. Wurde 1994 noch eine Quote von 20 bzw. 28,6 Prozent angegeben, erhöhte sich diese bis 2002 auf 30,5 bzw. 41,8 Prozent.[2][2] Diese Werte liegen signifikant höher als die für vergleichbare Länder in der Gruppe der middle-income-countries, z.B. Südkorea, Malaysia oder Brasilien.

Während die akademische Diskussion um adäquate Definitionen und Messverfahren von Armut weiterhin kontrovers geführt wird (vgl. Magalesa 2006), so herrscht zumindest was die beeinflussenden Faktoren betrifft, weitgehende Einigkeit. Es ist wenig überraschend, dass das strukturelle Vermächtnis der Apartheidjahre auch hier nachwirkt. Die Arbeitslosenquote von Menschen aus armen Haushalten liegt deutlich über der gesamtnationalen. Auch die Erwerbsbeteiligung ist in armen Haushalten vergleichsweise niedriger. Arbeitslosigkeit und damit oft auch Armut ist generell stärker in der Bevölkerungsgruppe der „Africans“ als in allen anderen verbreitet. Sie ist darüber hinaus in den ländlichen Provinzen, die die früheren „Homelands“ inkorporieren, höher als in den übrigen, besonders den urbanen Provinzen. Und sie betrifft verstärkt ungelernte und geringqualifizierte Arbeitskräfte und hat einen klaren gender-bias (Leibbrandt/Woolard 2001).

Anders als in vergleichbaren Ländern stellen Subsistenz-Landwirtschaft und der informelle Sektor kaum alternative Einkommensquellen für verarmte Haushalte dar. Versuche der „African“-Bevölkerungsgruppe, bis dato existierende Subsistenzwirtschaft auch unter dem Apartheidregime weiter zu betreiben, wurden durch Enteignungen des Landes, „forced removals“ und bewusst hohe Bevölkerungsdichte in den „Homelands“ im Laufe der 1950er und ’60er Jahre zunichte gemacht. Der informelle Sektor ist zwar nach 1994 rasch gewachsen, bleibt aber trotzdem verhältnismäßig klein und ist als Auffangbecken für die Masse der Erwerbslosen eher unbedeutend (Nattrass/ Seekings 2005: 320).

Das südafrikanische Wohlfahrtssystem unterstützt hauptsächlich Alte, Eltern und Behinderte, bietet aber keine direkte Unterstützung für den Großteil der Arbeitslosen. Zwar können nach vorheriger Einzahlung Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung geltend gemacht werden. Allerdings erreicht dies nur ca. fünf Prozent der Erwerblosen (Nattrass 2004: 142). Neben Geldsendungen von Familienangehörigen ist daher die staatliche Altersrente die wichtigste und oft einzige Einkommensquelle für arme Haushalte. Im Unterschied z.B. zur finanziellen Unterstützung für Eltern, deren Inanspruchnahme in den letzten Jahren zwar angestiegen, aber hinter der geschätzten Zahl der Anspruchsberechtigten zurückbleibt, erreicht die Altersrente eine ungleich höhere Zahl armer Haushalte. Seit die Altersrente in 1993 für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich gemacht wurde, ist ihr Realwert auf Grund fiskalischer Beschränkungen kontinuierlich um 1,5 Prozent pro Jahr gefallen. Trotzdem bedeutet sie gerade für arme Haushalte in ländlichen Gebieten effektiv einen Schutz vor dem schlimmsten Elend, zumal sie mit möglichen anderen Einkünften oft das Überleben aller Personen des Haushaltes sichert (Roberts 2005: 492). Allerdings bleibt zu konstatieren, dass sechzig Prozent der Armen auf keinerlei Sozialleistungen zurückgreifen können (ebd. 488).

Die Ergebnisse im Kampf gegen Ungleichheit und Armut in den ersten Jahren nach der Demokratisierung sind enttäuschend. Die Regierung kontert diese rein auf die Einkommensverteilung fokussierte Kritik jedoch mit Hinweisen auf die erzielten Erfolge im Bereich der Ausweitung essentieller sozialer Infrastruktur (Unterkunft, Strom, Wasser, sanitäre Anlagen, Transport, Bildung). Da Zugang zu diesen Gütern und Dienstleistungen historisch für den Großteil der Bevölkerung versperrt oder nur eingeschränkt möglich war, stellen Verbesserungen in diesem Bereich zweifellos einen weiteren wichtigen Test für die Bewertung der Post-Apartheid-Phase im öffentlichen Bewusstsein dar. Darüber hinaus können Sachleistungen dieser Art einen wichtigen, nicht-monetären Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten.

Tatsächlich hat sich in den Jahren nach 1994 die Situation verbessert. Fast die Hälfte (49%) des Haushaltsbudgets 2002/ 2003 war Bildungs-, Gesundheits- und anderen sozialen Ausgaben gewidmet (Gelb 2003: 15). Leitungswasser fließt zum ersten Mal in viele Gegenden, neue Häuser wurden gebaut, alte an das Sanitärsystem angebunden.

Trotzdem sind auch diese Prozesse oft geprägt von Diskontinuitäten und Widersprüchen. Die im GEAR-Dokument festgeschriebene neoliberale Sparpolitik hat zu substanziellen Einschnitten in die Summe der für Sozialausgaben angewiesenen Transfers von nationalen zu provinziellen und kommunalen Regierungsstellen geführt. Outsourcing und Privatisierung von ehemals staatlichen Dienstleistungsbetrieben in Verbindung mit gestrichenen Subventionierungen haben die Kosten explodieren lassen. Gleichzeitig sind alle, auch arme Haushalte unter dem Imperativ der Kostendeckung angehalten, den vollen Preis für die zur Verfügung gestellten Dienstleistungen zu bezahlen (McDonald/ Pape 2002).

Gerade ärmere Haushalte stellt dies vor unlösbare Zahlungsprobleme. Schätzungen über die Anzahl der auf Grund von Zahlungsrückständen von Strom- und/oder Wasserabschaltungen betroffenen Personen rangieren von 4-5 (Hemson/ Owusu-Ampomah 2005: 525) bis 10 Millionen (McDonald 2002: 170). Darüber hinaus schätzt McDonald (ebd.) die Zahl der aus denselben Gründen von Räumungen und Beschlagnahmungen betroffenen Personen auf zwei respektive 1,5 Millionen.

In ländlichen Räumen mit einer durchschnittlich höheren Anzahl von Haushalten unter der Armutsgrenze kommt die Entwicklung am langsamsten voran. Verhältnismäßig hohe Investitionssummen in Infrastruktur wären nötig. Doch die Wahrscheinlichkeit der schnellen Amortisierung dieser „sunken costs“ ist gering und schreckt Investoren ab. Im Ergebnis wird die strukturelle räumliche Ordnung der Apartheid-Ära perpetuiert. Ein spektakuläres Beispiel für die Unvereinbarkeit von marktgetriebenen Entwicklungsstrategien und Armutsbekämpfung liefert der Cholera-Ausbruch in Madlebe (KwaZulu-Natal- Provinz) nach Einführung einer Prepaid- Wasserversorgung im Jahr 2000. Unbezahlbare Registrierungsgebühren und der baldige Zusammenbruch des gesamten Systems ließen den BewohnerInnen keine andere Wahl, als unsaubere Flüsse und stehende Gewässer zu nutzen. In der Folge brach eine Cholera-Epidemie aus. Es erkrankten 100.000 Menschen, von denen 200 starben (Cottle/ Deedat 2002).

Profitabilitätszwängen untergeordnet bleibt das progressive Potential der Ausweitung sozialer Infrastruktur zumindest für die ärmsten der Armen eine Illusion. Hemson/ Owusu- Ampomah folgern: „The mediating factor between service delivery and poverty alleviation, then, is employment, which (…) remains elusive to many South Africans” (2005: 533).

Während der seit dem Ende der Apartheid verfolgte Entwicklungspfad eine grundlegende Rekonstruktion der Ökonomie verfehlte und deren asymmetrische Struktur perpetuiert, trägt das Verschwinden der formellen rassistischen Diskriminierung zu einer Lockerung des Zusammenhangs von „Rasse“ und Klasse bei. Die soziale Ungleichheit zwischen den Apartheid-Bevölkerungsgruppen weicht zunehmend der „Normalität“ einer Spaltung entlang „multirassischer“ Klassen.

Autoritarismus, Marginalisierung und
neue soziale Bewegungen

Auf dem afrikanischen Kontinent hat Südafrikas Ökonomie eine strukturelle Machtposition inne. Insbesondere im sub-saharischen Afrika ist Südafrikas wirtschaftliches Potential konkurrenzlos und bildet die Basis für eine semiperiphere Hegemonialrolle (Ahwireng-Obeng/ McGowan 1998a/b). Nach dem Ende der Apartheid haben sich die Handelsbeziehungen Südafrikas mit dem Kontinent intensiviert. So belief sich der Handelsüberschuss in 2001 auf ein Verhältnis von 5:1. Südafrika ist die Quelle der meisten FDI für den afrikanischen Kontinent (Daniel u.a. 2003). Diese starke kontinentale Position findet jedoch keine materielle Entsprechung im globalen Kontext. Zu groß sind die Probleme (langsames Wachstum, Arbeitslosigkeit, geringes Bildungsniveau, Kriminalität, HIV/AIDS, brain-drain), zu gering das Gewicht auf dem Weltmarkt.

Allerdings wird in Südafrika verschiedentlich ein einflussreicher diplomatischer Stellvertreter des Gesamtkontinentes gesehen, der in internationalen Organisationen die Interessen der peripheren Länder vertritt und auf eine Neugestaltung der internationalen (Wirtschafts-)Ordnung drängt (vgl. Schoeman 2003). Kritische Stimmen hingegen können Pretorias Außenpolitik keine progressiven Aspekte abgewinnen, sondern sehen vielmehr eine weitgehend widerspruchslose Subordination unter den neoliberalen Diskurs (Bond 2004).

Taylor (2001: 6) trifft den Kern mit seiner Charakterisierung des südafrikanischen Multilateralismus als „reformist within the hegemonic discourse“ wahrscheinlich am besten.

Mit Rücksicht auf seine Allianzpartner COSATU und SACP wich der ANC auch auf nationaler Ebene in sensiblen Bereichen von neoliberalen Standardrezepten ab. Die dauerhafte Institutionalisierung des korporatistischen National Economic Development and Labour Council (NEDLAC, vorher National Economic Forum NEF) hat die Rolle der Gewerkschaften gestärkt, wenn auch um den Preis einer zeitweilig abnehmenden Militanz. COSATU war in der Lage, die industriellen Beziehungen durch eine Reihe von progressiven Gesetzen (Labour Relations Act, 1995; Basic Conditions of Employment Act, 1997; Employment Equity Act, 1998; Skills Development Act, 1998) erfolgreich zum Vorteil der abhängig Beschäftigten zu restrukturieren. Insgesamt hat sich das Kräfteverhältnis innerhalb der Allianz aber zugunsten des ANC verschoben. Anstatt der von COSATU und SACP favorisierten redistributiven Wirtschafts- und Sozialpolitik setzte der verstärkt von angebotsorientierten Ansätzen inspirierte ANC seine Linie durch. Dieser Kurs ist seitdem Hauptstreitpunkt in der Allianz. Die Gewerkschaften haben ihrerseits mit einigen landesweiten Mobilisierungen und Generalstreiks reagiert (Buhlungu/ Webster 2004). Es ist nicht auszuschließen, dass die zunehmend offen ausgetragenen Machtkämpfe innerhalb der Allianz das Tempo des neoliberalen Umbaus verlangsamt haben; ein qualitativer Politikwechsel scheint aber nicht absehbar zu sein.

Im Gegenteil, der ANC, oder wenigstens einzelne Fraktionen antworten mit einem zunehmend autoritären Politikstil. Bereits das GEAR-Dokument wurde, entgegen bindender Vereinbarungen, nicht im NEDLAC-Forum zur Diskussion gestellt. Um weitere Debatten im Keim zu ersticken, verkündete Finanzminister Trevor Manuel die neue Strategie mit dem Zusatz, diese sei „nicht verhandelbar“ (Williams/ Taylor 2000: 33).

Die Disziplinierung, die Jeremy Cronin, hochrangiges SACP-Mitglied, zu spüren bekam, ist ein weiteres Beispiel für den Umgang des ANC mit allianzinterner Kritik. Auslöser waren Cronins Interviewaussagen über Tendenzen einer „Zanufication“ des ANC[3][3], einer Bürokratisierung des Kampfes, die Stärkung neoliberaler Kräfte innerhalb des ANC und die Unterdrückung linken Dissenses. Nach Veröffentlichung des Interviews wurde Cronin durch internen Druck zur Distanzierung und öffentlichen Entschuldigung gezwungen. Gleichzeitig wird von ANC-Spitzen ein Diskurs angestoßen, der jegliche linke Kritik an der neoliberalen Marschroute als „ultralinke Abweichung“, „linkssektiererisch“ und letztlich Gefahr für Südafrikas junges demokratisches Projekt diffamiert (vgl. Andreasson 2004; Saul 2005: 232f.).

Obwohl einige den Standpunkt vertreten, der Kampf um die Seele des ANC sei noch nicht entschieden (vgl. Seidman- Makgetla in Andreasson 2004: 16) und der ANC als politische Kraft sicher noch einigen, wenn auch schwindenden Kredit bei seinen traditionellen AnhängerInnen genießt, so hat sich doch in relativ kurzer Zeit eine beachtliche Anzahl neuer sozialer Bewegungen heraus gebildet, die die Regierungspolitik oft radikal in Frage stellen.

Die Heterogenität dieser Bewegungen hinsichtlich thematischer Schwerpunkte, Größe, Organisations- und Aktionsform etc. macht es schwer, allgemeine Aussagen zu treffen (Ballard/ Habib u.a. 2005). Viele dieser Bewegungen (z.B. das Anti-Privatisation Forum, das Soweto Electricity Crisis Committee, die Western Cape Anti-Eviction Campaign) haben sich jedoch als Reaktion auf materielle Probleme, Armut, Arbeitslosigkeit und die voranschreitende Kommodifizierung der sozialen Infrastruktur herausgebildet. Aktionsformen, die von legalistisch bis militant ein breites Spektrum abdecken, haben teils harte staatliche Repressionen nach sich gezogen (Desai 2002).

Momentan sind diese Kämpfe sicherlich von einem defensiven Charakter geprägt. Oftmals zielen die Forderungen auf die Einlösung von getroffenen Regierungsversprechen; eine systemtranszendierend-antikapitalistische Motivation kann nicht bei allen Organisationen automatisch unterstellt werden. Politische Unterschiede existieren hinsichtlich zukünftiger Ziele und entsprechender Überlegungen zu angemessener Strategie und Taktik, z.B. dem Verhältnis zu COSATU, der SACP und dem ANC. Die bevorstehenden Entwicklungen hängen zum einen davon ab, wie die amtierende Regierung auf die wachsende Unzufriedenheit und Opposition reagiert. Zum anderen wird es entscheidend sein, ob es der pluralen Linken gelingt, interne Differenzen zu überwinden und ein gemeinsames politisches Projekt zu formulieren, das über eine reine Kritik des Bestehenden hinausreicht. Sollte letzteres gelingen, bietet die südafrikanische Geschichte reichlich Inspiration, um den Kampf, jetzt gegen die Klassen-Apartheid, wieder aufzunehmen.

Literatur

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[1][5] Ein zentrales Merkmal südafrikanischer Sozialgeschichte ist die Unterscheidung verschiedener „Rassen“. Selbstverständlich repräsentieren diese Kennzeichnungen keinerlei vorgängige, „natürliche“ biologische oder ontologische Differenzen, sondern sind diskursive Konstrukte, die der Legitimation von Herrschaft dienen. Um Distanz zu diesen Begriffen deutlich zu machen, werden sie durchweg mit Anführungszeichen versehen. Dies gilt auch für die vier Kategorien, nach denen das Apartheidregime seine Bevölkerung unterschied, die darüber hinaus in englischer Sprache belassen werden („White“, „Coloured“, „Indian“, „Native“/ „African“/ „Bantu“). Es ist aber auf Grund der rigiden Kategorisierung während der Apartheid, die maßgeblich die damit zusammenhängende soziale Stellung beeinflusste, nicht möglich, auf diese Begriffe zu verzichten, da ansonsten wichtige Veränderungen, z.B. der südafrikanischen Sozialstruktur, nicht sinnvoll erfasst werden können.

[2][6] Die erste Zahl bezieht sich auf die enge, die zweite auf die breitere Definition von Arbeitslosigkeit. Die enge Definition bezieht nur den Teil der Arbeitslosen ein, der aktiv nach Beschäftigung sucht. Die breite Begriffsauslegung berücksichtigt auch Personen, die zwar angeben, arbeiten zu wollen, aber die Suche nach einem Arbeitsplatz eingestellt haben. Dies trifft vor allem auf Frauen in ländlichen Gebieten zu (Altman 2003: 159).

[3][7] In Anspielung auf die autoritären Praktiken von Robert Mugabes „Zimbabwe African National Union – Patriotic Front“ (ZANU-PF).

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