Editorial

September 2004

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Der 60. Jahrestag der Gründung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank sind der äußere Anlaß, im Schwerpunkt des vorliegenden Heftes erneut die Beziehungen zwischen den entwickelten kapitalistischen Ländern und der Peripherie – der „Dritten Welt“ – zu thematisieren: Nord-Süd: Ökonomie und Politik des „New Imperialism“.

Rainer Falk bilanziert im Einleitungsbeitrag die Kapitalbewegungen zwischen Nord und Süd, die sich in den letzten fünfzig Jahren mehrfach wesentlich verändert haben, wenn die Seite des Kapitalexports betrachtet wird (öffentliche Hände, Banken, Direktinvestitionen etc.). Insgesamt hat die Bedeutung der Entwicklungsländer für den globalen Kapitalfluß abgenommen. Falk bringt diesen Strukturwandel in Zusammenhang mit der Entwicklung der politisch-institutionellen Rahmenbedingungen der internationalen Kapitalakkumulation – Abkehr vom Bretton-Woods-System, Verschuldungskrise, neuer Bedeutungszuwachs des IWF als Krisenmanager auf den Weltfinanzmärkten und Schuldeneintreiber, die neoliberale Offensive im Zeichen des Washington-Konsenses sind entsprechende Stichworte.

Können die Dritte-Welt-Länder dem über Kapitalexport, Schuldendienst und ungleichen Austausch vermittelten globalen Ausbeutungsprozess eigene Machtpositionen entgegensetzen oder bleiben sie in der Rolle des ohnmächtigen Verlierers? Stefan Schmalz untersucht neue Formen der Süd-Süd-Kooperation seit dem gescheiterten WTO-Gipfel in Cancún. Nachdem die Diskussion um eine verstärkte Zusammenarbeit peripherer Staaten in den vergangenen zwei Jahrzehnten entweder gar nicht oder unter neoliberalen Vorzeichen geführt wurde, sind nun erste Anzeichen neuer Kooperationsformen zu erkennen. David Harvey fasst in einem Interview seine Theorie eines „neuen Imperialismus“ zusammen. Als Kern dieses Herrschaftsverhältnisses fungiert ein Akkumulationsprinzip, das er „Akkumulation durch Enteignung“ nennt. Dabei diagnostiziert er die Wendung von einer neoliberalen zu einer neokonservativen imperialistischen Strategie.

Mit dem „General Agreement of Trade in Services” (GATS) werden der grenzenlose Handel und grenzenlose private Investitionstätigkeiten jetzt auch im Dienstleistungsbereich massiv vorangetrieben. Christina Deckwirth stellt die Grundzüge des GATS vor. Sie arbeitet heraus, welche Interessen sich in dem Abkommen in seiner gegenwärtigen Form durchgesetzt haben und welche Folgen diese Liberalisierung des Dienstleistungssektors hat. Für die Autorin handelt es sich um eine neue Stufe der Privatisierungspolitik.

Es folgen Beiträge zur Analyse des Euro-Kapitalismus. Das GATS wurde u.a. aus der EU-Kommission heraus vorangetrieben, und die Liberalisierung bzw. Privatisierung insbesondere öffentlicher Dienstleistungen ist auch in den EU-Mitgliedsländern auf dem Vormarsch. Barbara Dickhaus und Kristina Dietz geben einen Überblick über die Erfahrungen mit solchen Reformvorhaben in der EU. Sie warnen vor einer Aushöhlung der öffentlichen Infrastruktur, sozialen Verwerfungen und auch ökonomischen Problemen als Folge von Reformen, die aus Sicht der Autorinnen an einem ökonomistisch verkürzten Effizienzbegriff ausgerichtet sind. Die Bestimmungen des EU-Verfassungsentwurfs hinsichtlich einer zukünftigen Militärmacht EU unterzieht Gregor Schirmer einer gründlichen Analyse. In diesem Entwurf wird die EU als Militärmacht erstmals konstitutionell verankert. Die Option auf (auch präventive) Militäreinsätze außerhalb des EU-Territoriums und außerhalb der Selbstverteidigung erhält ausdrücklich Verfassungsrang. Aufrüstung wird zur Verfassungspflicht erhoben. Die herkömmlichen zivilen EU-Organe (Kommission, Parlament) spielen in den Entscheidungsgremien der neuen Militärunion keine zentrale Rolle. Dieser Militarisierung der EU stellt Schirmer die Option einer zivilen europäischen Union entgegen.

Internationale Politik: Die Aussichten der amerikanischen Weltherrschaft im Lichte der Erfahrungen der Expansion Roms diskutiert Jörg Roesler. Er stellt die Prognose, dass zwar fürs Erste die Durchsetzung der amerikanischen Weltherrschaft durch die „Demokratisierung“ immer neuer Schurkenstaaten kaum aufzuhalten sei, aber, so Roeslers These, dies werde wahrscheinlich, anders als im Falle Roms, wegen der andersgearteten Zielstellung der US-amerikanischen Machtausübung nicht von historisch längerer Dauer sein. Im zweiten Teil seines Artikels über Haiti (Teil I in Z 58) rekonstruiert Alexander King die Geschichte des Karibikstaates. Im 17. Jahrhundert spanische Besitzung, wird Haiti 1697 französische Kolonie und 1804 unabhängig. King untersucht Ökonomie und politische Herrschaftsformen bis zum Engagegement amerikanischer Konzerne auf der Insel im 20. Jahrhundert. Haiti war stets Spielball imperialer Ambitionen und ist es, so der Verfasser, heute noch.

Weitere Beiträge: In Z 46 (Juni 2001) hatte sich Eberhard Czichon, der wohl profundeste Kenner der Rolle von Abs und der Deutschen Bank im Dritten Reich,kritisch mit der Geschichtsdarstellung der Bank auseinandergesetzt. Er prüft diesmal eine neue Studie von Harold James, die das „Wechselspiel von moderner Barbarei, Unternehmensstruktur und geschäftlicher Logik“ erhellen will. Johan Frederik Hartle bietet in seinem Aufsatz einen theoriepolitischen Einblick in die jüngsten politiktheoretischen und philosophischen Produktionen der französischen Denker, allen voran Alain Badiou. Einem liberalistischen Universalismus entgegengesetzt, zeigt Hartle, wie ein subversives und radikal an der Idee der Emanzipation ausgerichtetes Denken dieser Provenienz gerade für Marxisten fruchtbar sein kann.

Den Berichten über verschiedene Tagungen der Linken folgt ein umfangreicher Rezensionsteil. Wir hoffen damit die verschiedentlich geäußerte Kritik daran, dass (platzbedingt) im letzten Heft nur wenige Besprechungen veröffentlicht wurden, auszubügeln.

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Zum Schluss noch eine erfreuliche Mitteilung: Guido Speckmann, Politologe und Sozialwissenschaftler aus Marburg, verstärkt als neues Mitglied die Redaktion.