Eindrücke vom Zweiten Europäischen Sozialforum

Themen und Diskussionsfelder auf dem Europäischen Sozialforum in Paris

März 2004

Das vom 12. bis zum 15. November veranstaltete zweite Europäische Sozialforum sollte nach dem Willen der VeranstalterInnen an das erste erfolgreiche Europäische Sozialforum in Florenz anknüpfen. Tatsächlich war die Zahl der Teilnehmenden mit etwa 60.000, das Spektrum an Organisationen, Veranstaltungen und diskutierten Themen außerordentlich groß. Das von französischen Gewerkschaften, attac Frankreich und einigen europäischen Dachorganisationen – z.B. dem European Network of Democratic Young Left – gebildete Organisationskomitee erklärte in einem Einführungsstatement in der Programmzeitung, es solle ein offenes Diskussionsforum geboten werden, auf dem die Delegierten über die „Möglichkeit einer anderen Welt“ diskutieren, die im Gegensatz zu „einem Prozess kapitalistischer Globalisierung, angeführt von großen multinationalen Konzernen, Regierungen und internationalen Organisationen im eigenen egoistischen Interesse“ steht. So allgemein gehalten entsprach dies der durch und durch heterogenen globalisierungskritischen Bewegung.

In diesem Beitrag soll der Stand der Diskussion über einige wichtige Themen des Forums beleuchtet werden. Ausführlicher wird auf die Rolle der Gewerkschaften als soziale Akteure innerhalb der globalisierungskritischen Bewegungen eingegangen. Anschließend wird nach den Momenten gefragt, die diese unterschiedlichen Positionen unter einem Dach zusammenbringen können und anhand der Abschlusserklärung beschrieben, auf welche Forderungen sich die Akteure einigen konnten. Benannt werden sollen aber auch die Unterschiede und Widersprüche, die auf dem Sozialforum zu Tage getreten sind.

Gewerkschaften und globalisierungskritische Bewegung

Auffällig war die Präsenz vieler europäischer GewerkschaftsvertreterInnen, vor allem von der Gewerkschaftsbasis. Die Erkenntnis scheint sich durchgesetzt zu haben, dass die neoliberale Globalisierung mit ihren negativen Folgen für die europäischen sozialstaatlichen Systeme und für den Einfluss der Gewerkschaften, ein nicht ohne Unterstützung durch Teile der Gewerkschaften selber zustande gekommenes Produkt nationalstaatlicher Politik der letzten Jahrzehnte gewesen ist. Daher rührt das Bedürfnis vieler GewerkschafterInnen, sich mit der globalisierungskritischen Bewegung zusammenzuschließen, wenn auch mehr aufgrund des Bewusstseins der zunehmenden eigenen Machtlosigkeit als aus der Erkenntnis einer notwendigen Alternative zum Kapitalismus. Im Gegensatz dazu steht ein augenscheinliches Misstrauen zwischen Gewerkschaftsbasis und globalisierungskritischer Bewegung einerseits und den Gewerkschaftsführungen andererseits.

Diese Entwicklung lässt einige Konflikte ahnen, die auf dem Forum nicht ausgetragen wurden. Zwar sind sich gewerkschaftliche Basis und globalisierungskritische Bewegung näher gekommen (was in Frankreich schon seit der sozialen Protestbewegung 1997/98 der Fall, in Deutschland dagegen erst allmählich zu bemerken ist), doch besteht weiterhin Misstrauen großer Teile der Bewegung gegenüber den Gewerkschaften – wie sich zeigte, bleibt das Verhältnis zwischen Gewerkschaften und globalisierungskritischer Bewegung weiterhin gespannt. Die unterschiedlichen Vorstellungen über Ziel und Strategie liegen quer zu diesem Verhältnis, was eine Auseinandersetzung schwierig macht. Während sich einige trotzkistische Gruppen auf die Forderung nach einem Bruch zwischen Basis und FunktionärInnen versteifen, orientieren sich kritische GewerkschafterInnen auf eine Stärkung der Gewerkschaftslinken und die Bildung eines neuen historischen Blocks als einer echten Alternative zur neoliberalen Globalisierung.1[1]

Kritik an (zuviel) Markt, Sozialabbau und der „Festung
Europa“

Ein anderes wichtiges Thema auf dem Forum war die Frage nach der Zukunft Europas bzw. welches Europa von der Bewegung überhaupt gewollt werden sollte. Neben immer wieder zu hörenden allgemeinen Desideraten eines Europas des Friedens, der Gerechtigkeit und der Solidarität, in dem die Menschen noch die Kontrolle über ihr Leben haben, wo das Wort von einem „Europa der Bürger“ keine Floskel bleibt, wurde jedoch heftig über den Inhalt des europäischen Verfassungsentwurfs des Europäischen Konvents debattiert. Kritisiert wurde der De-facto-Ausverkauf des Sozialstaates, die dadurch ermöglichte europaweite Nivellierung von Sozialstandards, die Einschränkung bürgerlicher Grundrechte sowie die Militarisierung Europas. Ein Vertreter des „Movement for the Initative Citizen“ forderte in Anlehnung an den Begrüßungstext der Programmzeitung (s.o.) die TeilnehmerInnen des Seminars „Constructing a europe that we want“ dazu auf, über eine eigene Formulierung des ersten Artikels einer europäischen Verfassung abzustimmen: Dazu kam es allerdings nicht, da im Plenum darüber gestritten wurde, ob man sich überhaupt auf eine Diskussion über eine Europäische Verfassung einlassen sollte, da sie auf den Erhalt der europäischen wohlfahrtsstaatlichen Systeme, also auf einen europäischen Wohlfahrtschauvinismus hinauslaufe.

In der Abschlusserklärung der sozialen Akteure und Bewegungen2[2] wird an dem europäischen Verfassungsentwurf kritisiert, dass er dem Wirtschaftsliberalismus als offizielle Doktrin der EU Verfassungsrang zugesteht und das Konkurrenzprinzip als Grundlage des europäischen Gemeinschaftsrechts und aller menschlichen Aktivitäten festschreibt. Diese Abschlusserklärung spiegelt die Überzeugung wider, dass gerade in der unterschiedlichen und pluralen Zusammensetzung der Bewegung ihre Stärke liegt. Diese Einschätzung teilt auch Sophie Saphira, eine der Organisatorinnen der Veranstaltung: „Das bunte Bild der verschiedenen Gruppen und ihrer Anliegen zeugt von der Vielfalt und dem Reichtum dieses Sozialforums, das ein großer Erfolg war.“3[3] Doch ob diese Heterogenität tatsächlich so positiv ist, bleibt zu fragen.

So stehen die unterschiedlichen Vorstellungen auch bei einem anderem wichtigen Thema des Forums, dem Sozialabbau, im Vordergrund. Während die italienischen „Disobbedienti“ die Forderung nach Existenzgeld, die über kapitalistische Verwertungslogik hinausweisen soll, formulieren, bleiben viele andere Teile der Bewegung bei dem Appell an die Nationalstaaten nach dem Erhalt des fordistischen Wohlfahrtsstaats stehen. Die Brisanz des Themas Sozialabbau äußerte sich zudem darin, dass in Paris zeitgleich französische Kulturschaffende kurzzeitig das Sozialministerium der Republik besetzt hatten, um gegen die Abschaffung ihrer berufsspezifischen Arbeitslosenversicherung anzugehen, die die Verarmung des kulturschaffenden Sektors zur Folge hätte. Sie beschränkten sich aber nicht auf die Kritik an den französischen Regierungsplänen, sondern verknüpften diese Pläne mit den Prinzipien von WTO und GATTS, die eben diese Marktförmigkeit der Kultur verlangen. Sie forderten den endgültigen Ausschluss des kulturellen Bereichs und des öffentlichen Dienstes von den in der WTO verhandelten Abkommen.4[4] Indem sie Kunst, geistiges Schaffen, kulturelle und sprachliche Identität, das soziale Solidaritätsprinzip, Erziehung und Gesundheit nicht als Marktwerte verstehen wollen, gelang ihnen die Anknüpfung an die Debatten auf dem ESF.

Auch durch die Straßenaktionen während des Sozialforums war die Kritik an der Festung Europa in Paris sehr präsent. So wurde in vielen Zeitungen von der Blockade der Büros der Air France berichtet, um mit der „Forderung Papiere für alle“ gegen die Beteiligung der Fluggesellschaft am Abschiebegeschäft zu demonstrieren. Während in der bundesdeutschen Debatte der so genannten GlobalisierungskritikerInnen das Thema Migration und Rassismus eher eine untergeordnete Rolle spielt, ist es im italienischen und mittlerweile auch im französischen Kontext viel deutlicher präsent. Das zeigte nicht nur die Tatsache, dass bereits 2001 in Genua 18.000 Menschen unter dem Motto „tutti siamo clandestini“ auf die Straße gingen und Abschiebegefängnisse vor ihrer Inbetriebnahme demontiert wurden, sondern auch die Anzahl der Veranstaltungen auf dem Forum. Mit über 25 Veranstaltungen, die sich mit der Situation der „Sans Papiers“, mit Migration generell und restriktiver Einwanderungspolitik auseinander setzten, hielt dieser Themenkomplex Einzug in die „klassischen“ Themen der Globalisierungskritik wie Arbeit, soziale Sicherung, Welthandel, Krieg und Frieden (insbesondere im Irak), Privatisierung natürlicher Ressourcen (insbesondere des Wassers) und öffentlicher Güter wie Bildung und Kultur.

In einer gemeinsamen Erklärung fordern einige europäische Organisationen, Bewegungen und Initiativen von Flüchtlingen, MigrantInnen und AntirassistInnen die Teilnehmenden des ESF auf, für die bedingungslose Legalisierung aller hier lebenden „Sans Papiers“ und die sofortige Schließung aller Abschiebeknäste einzutreten. Die Abschaffung des rassistischen Schengenabkommens wird ebenso wie das Recht auf Bewegungsfreiheit und freie Wahl des Wohnorts und ein tatsächliches Asylrecht in allen europäischen Ländern gefordert.5[5] Diese Erklärung findet sich später auch in Teilen in der Abschlusserklärung wieder.

Ambivalenzen des Forums

So stehen eine Menge ziemlich unterschiedlicher und zum Teil widersprüchlicher politischer Ansätze, Forderungen und Handlungsoptionen auf dem Sozialforum nebeneinander, ohne dass bisher erkennbar ist, wie diese in einen organisatorischen Zusammenhang zu bringen sind.

Auch für weniger emanzipatorische Forderungen gab das Forum Raum, sich zu artikulieren. Regionalistische und separatistische Vorstellungen waren recht unkritisiert präsent. Jedes noch so kleine Region konnte hier das Anliegen, Staat zu werden, ausbreiten. Die baskische Partei Herri Batasuna zog sogar mal eben die Grenzen in ganz Europa neu: Unter dem Slogan „Für ein Europa der Völker!“ forderte sie nicht nur die Konstituierung eines unabhängigen Baskenlandes, sondern vereinte auch gleich noch die BRD mit Österreich, „Südtirol“, Kaliningrad sowie Teilen der Schweiz und Frankreichs. Spätestens bei solchen Positionen sollten sich die Akteure dieser Bewegung schleunigst distanzieren. Überhaupt gilt es, die höchst ambivalente Forderung nach einem „Selbstbestimmungsrecht der Völker“, auf die sich innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung viele affirmativ beziehen, kritisch zu hinterfragen, da sich eben auch sämtliche ethnonationalistischen Gruppen auf sie beziehen. Nach wie vor besteht durchaus auch eine reaktionäre Variante von Globalisierungskritik. Die Gefahr, dass sich Teile der Bewegung in diese Richtung entwickeln ist durchaus vorhanden.

Wie für jede soziale Bewegung sind auch für diese die Symbole, die ihre kollektiven Bekenntnisse ausdrücken, wichtig. Die auffälligsten Symbole in Paris waren die, die auf der großen Abschlussdemonstration getragen wurden, die unter dem Motto „Für ein Europa der Rechte in einer Welt ohne Krieg“ stand. Dazu zählen die regenbogenfarbenen „Pace“-Fahnen und sämtliche Accessoires, die Solidarität mit Palästina bekunden. Und es scheint so zu sein, dass die uneingeschränkte Solidarität mit Palästina als ein identitätsstiftendes Moment in Teilen der Bewegung wirkt. Was jenen passieren kann, die eine andere Position vertreten, bekamen Mitglieder der „Aktion 3. Welt Saar“ zu spüren. In einem Flugblatt forderten sie die Selbstverständlichkeit der Anerkennung des Existenzrechts Israels und sprachen sich für eine Zwei-Staaten-Regelung aus. Sie wurden daraufhin von Ordnern des ESF als Faschisten beschimpft, erhielten Platzverweise und wurden aus Veranstaltungsräumen hinaus geworfen. Dass Solidaritätserklärungen an Israel so behandelt werden können, zeigt, wie lückenhaft die Auseinandersetzung mit Antisemitismus ist. So hatten von den 55 großen Debatten, 250 Seminaren und noch mehr Workshops auch lediglich zwei das Wort Antisemitismus im Titel. Wer jedoch die globalisierungskritische Bewegung mit einem antisemitischen Mob gleichsetzt, auch dem seien mehr Bemühungen um Differenzierung empfohlen. Der Konsens innerhalb der Bewegung, wenn man die Abschlusserklärung so betrachten will, besteht wohl eher darin, den Rückzug der israelischen Armee aus den besetzten Gebieten zu fordern und sich solidarisch mit israelischen und palästinensischen Bewegungen zu zeigen, die für einen gerechten und dauerhaften Frieden kämpfen.

Perspektiven der globalisierungskritischen Bewegung und des ESF

Insgesamt ist innerhalb der Bewegung relativ unumstritten, was zunächst zu tun ist, um ein anderes, ein sozial gerechteres Europa zu schaffen, häufig auch in Abgrenzung zu den USA: „Gegen das neoliberale Modell mobilisieren!“ So lautet auch die Überschrift der Abschlusserklärung.

Auch wenn die Anzahl der TeilnehmerInnen ein wenig hinter den Erwartungen zurück blieb, sind die meisten Akteure guter Dinge und freuen sich, dabei gewesen zu sein. Gezeigt hat sich aufs Neue die große Heterogenität der Bewegung. Von linksradikalen antikapitalistischen und libertären/anarcho-syndikalistischen Gruppen wurde schon im Vorfeld kritisiert, dass das ESF zu hierarchisch organisiert und zu sehr von sogenannten „reformistischen Kräften“ (Gewerkschaften, attac) dominiert sei. Auf der Abschlussdemonstration am Samstag, den 15.11. zeigte sich allerdings ein ganz anderes Bild: attac und die Gewerkschaften gingen in dem bunten Fahnenmeer eher unter. Den Gewerkschaften bzw. attac wurde von diesen Gruppen vorgeworfen, staatsorientiert und zu wenig kapitalismuskritisch zu sein, weshalb parallel zum ESF ein „libertärer Gegenkongress“ stattfand. Von einigen (insbesondere trotzkistischen) Gruppen wurde das ESF sogar als „bürgerlich orchestriert“ abqualifiziert – womit unter anderem auf die (öffentlich) wohlwollende Haltung der französischen Regierung angespielt wurde.

Es standen unvereinbar scheinende Positionen nebeneinander, zu wirklich kontroversen Diskussionen kam es kaum. Manchmal schien es, als ginge es ReferentInnen wie TeilnehmerInnen vorrangig um die Vorstellung ihrer eigenen Arbeit oder anders gesagt, um ihre Selbstdarstellung, anstatt mit anderen Teilen der Bewegung über Alternativen zu diskutieren. Dies bewegt Martina Meister wohl, das ESF in der FR so zu beschreiben: „Die Altermondialisten sind zum großen Meltingpot geworden, zum warmen Wohlfühlbecken der Gleichgesinnten, deren Treffen wie dieses zweite Europäische Sozialforum zu politischen Wellnesswochenenden geraten, bei denen jeder auf seine Kosten kommt: Alt-Trotzkisten und Antieuropäer, Kriegsgegner, Yogafreunde und Biobauern.“6[6]

Nun könnten die Sozialforen Raum und Zeit geben, die unterschiedlichen Standpunkte auszudiskutieren und über Perspektiven nachzudenken sowie Strategien zu entwickeln. Selbst Bernard Cassen, der Ehrenpräsident von attac Frankreich musste zugeben: „Wir sind überzeugt, dass eine andere Welt möglich ist, aber wir wissen noch nicht, wie wir dorthin gelangen.“7[7] Während er selbst schon über eine Parteigründung nachdenkt, ist dies anderen Teilen der Bewegung ein Dorn im Auge, die eher die Öffentlichkeit, die über ein solches Forum erreicht werden kann, als deren große Errungenschaft sehen.

In nahezu allen Veranstaltungen wurde über europaweite Treffen und Kongresse zu den jeweiligen Themen nachgedacht. Die Studierenden mehrerer europäischer Länder, die zur Zeit gegen sich verschlechternde Bedingungen im Bereich der Bildung demonstrieren, versuchten ihre bisher dezentralen Pro­teste aufeinander abzustimmen und sie möglichst in die geplanten gewerkschaftlichen Proteste im kommenden Frühjahr einzugliedern.

Ob ein europäischer Bildungskongress, ein Treffen, um sich über Strategien im Kampf gegen Neofaschismus und Rechtspopulismus auszutauschen oder um die unterschiedlichen Konzepte von Existenzgeld zu vergleichen – überall begannen oder intensivierten sich Vernetzungsprozesse. Seit am 15.2.2003 in vielen Städten der ganzen Welt gegen den Irakkrieg demonstriert wurde, und damit die Bewegung ohne jeden Zweifel als eine weltweite angesehen wird, sind auch gemeinsame Aktionstage hoch im Kurs. Das Motto, das autonome Gruppen zum Titel ihres Vernetzungstreffen machten: „Think global - act global“, scheint Gestalt anzunehmen. Bleibt abzuwarten, ob sich diese zunehmende Vernetzung auch in der Wirkungskraft der Proteste bemerkbar machen wird.

Das wirklich Neue an den Sozialforen ist, dass es nunmehr nicht mehr (oder viel weniger) die Kader hierarchisch aufgebauter politischer Organisationen sind, die hier diskutieren, sondern die Basis selbst sich Wissen über den Kapitalismus aneignet. Das mag sich zwar negativ auf das Niveau der Diskussionen auswirken, dennoch bekommen die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich direkt mit anderen sozialen Situationen und Kämpfen zu konfrontieren und sie kennen zu lernen. In genau dieser Erfahrung anderer sozialer Realitäten liegt die große Stärke solcher Veranstaltungen. So resümiert auch ein Sprecher der „Coordination nationale de Sans-Papiers“: „Die öffentliche Meinung hat nur lückenhafte Kenntnisse zur Situation der Sans Papiers ... Das europäische Sozialforum hat deshalb für uns eine sehr wichtige Funktion. Die Problematik der Sans Papiers vollzieht sich im europäischen Rahmen: die französische Einwanderungspolitik steht sicherlich nicht isoliert da. Das Forum erlaubt uns also aus der Anonymität hervorzutreten und uns mit anderen Realitäten der Unterdrückung und Ungerechtigkeit auseinander zusetzen, damit wir Pläne für den gemeinsamen Kampf entwickeln können.“8[8]

Wenn die AktivistInnen tatsächlich anfangen, ihre lokalen Kämpfe und Forderungen in den europäischen oder gar den globalen Kontext zu stellen und die Chancen der Vernetzung, die diese Foren bieten, auch anschließend nutzen, dann wären sie eines der wesentlichen Momente, diese globalisierungskritische Bewegung zu einem Akteur zu machen, der sozialen Wandel herbeiführen oder sogar die Verhältnisse nachhaltig ändern könnte.

1[9] Dem steht eine auf dem Forum immer wieder herauszuhörenden Hoffnung auf Einflussnahme auf staatliche Politik über herkömmliche Kanäle gegenüber. Dass es auch anders geht, lässt sich im Ansatz an einer französischen Entwicklung festmachen: Im Unterschied zu den deutschen Gewerkschaften bzw. den deutschen gewerkschaftslinken Debatten gibt es innerhalb der französischen linken Gewerkschaften auch eine Debatte über die Struktur von Gewerkschaften selbst, vor allem bei der SUD (Solidaire Unitaire Democratique), einem Verbund basisorganisierter Gewerkschaften, die schon sehr früh mit den verschiedensten sozialen Bewegungen (z.B. den „Sans Papiers“) zusammenarbeiteten. Während der ehemals kommunistische Gewerkschaftsbund CGT zwar auch den Weg zur globalisierungskritischen Bewegung gefunden hat, begreifen sich die Gewerkschaften der SUD stärker als ein Teil der Bewegung, wobei sie allerdings die ReformerInnen in der Bewegung stark kritisieren. Jedenfalls fällt dieser gewerkschaftlichen Orientierung eine Zusammenarbeit mit der Bewegung sehr viel leichter, da das einigende Element, dass sich alle sozialen Gruppen, die durch die von der neoliberalen Globalisierung hervorgerufene „Prekarisierung“ (vgl. insbes.: Stefanie Hürtgen, in: PROKLA 130, S. 7 – 27) ihrer sozialen Lage betroffen sind und sich daher zusammenschließen müssen, stärker im Vordergrund steht als die Verteidigung einzelgewerkschaftlicher Interessen.

2[10] http://www.kpoe.at/bund/esf-paris/esf-erklaerung.htm

3[11] Zitiert nach Ralf Kingsieck, „Eine fröhliche Demo und offene Fragen“, FR v. 17.11.03.

4[12] Vgl. http://cip-idf.ouvaton.org

5[13] Vgl. http://www.rechtauflegalisierung.de/aktuell/esf.html

6[14] Martina Meister, „Wohlfühlbecken der Gleichgesinnten. Auf dem Pariser Sozialforum verhandelt die Attac-Bewegung Abnutzungserscheinungen, die aus ihrem Erfolg resultieren“, FR, 17.11.03

7[15] Zitiert nach Ralf Kingsieck, a.a.O.

8[16] Vgl. http://de.indymedia.org/2003/12/69061.shpml

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