Buchbesprechungen

"Es gibt nichts gutes …"

von Thomas Ewald-Wehner zu Lorenz Knorr
September 2010

Lorenz Knorr, Geschichtsverfälschung als Machtinstrument; 60 Jahre Verfassungsbruch in der BRD; Geschichtsrevisionismus kontra Sozialstaat und Arbeiterbewegung. Bezug: Lorenz Knorr, Günthersburgallee 10, 60316 Frankfurt/M. (Tel.: 069/432 921) zum Selbstkostenpreis von 2 bis 3 € (plus Porto) je Broschüre.

Mit großer Regelmäßigkeit nimmt der heute 89-jährige Lorenz Knorr mit seinen Broschüren das Ziel „einer ausbeutungs- und kriegsfreien Gesellschaft der Freien und Gleichen“ in den Blick. Das führt ihn immer auf das umkämpfte Terrain der Geschichte und ihrer Deutung.

In seiner neuesten 26-seitigen Broschüre „Geschichtsverfälschung als Machtinstrument“ (April 2010) führt er einleitend aus: „Geschichtskenntnis (...) bleibt wesentlich für die tagespolitische Positionierung. (...) Ein reales Geschichtsbild, also ein unverfälschtes, trägt viel dazu bei, eine sichere Orientierung in manchen Wirren der Zeit zu finden, auch in der gegenwärtigen globalen Krise“. (3)

Das ist sozusagen die Grundlegung für die anderen hier vorzustellenden Texte, die Ergebnis auch seiner Vortragstätigkeit sind und Gegengift zu geschichtsklitternden Darstellungen sein sollen.

So plädiert er für eine vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit der DDR (13ff.): „In der DDR standen nur aktive Antifaschisten an der Spitze (...) Die Macht des Kapitals war gebrochen (...) Das Problem war, dass man den Sozialismus aufzubauen bestrebt blieb, obwohl die große Mehrheit der Staatsbürger vom Faschismus vorgeprägt (...) war.“ (15)

Die Veröffentlichung „60 Jahre Verfassungsbruch in der BRD“ (24 Seiten, März 2010) ist das Ergebnis eines Vortrages vom 29. Januar 2010 in Bremen vor Antifaschisten (VVN). Auf dem Hintergrund der aktuellen „Weltwirtschafts- und Finanzkrise“ und anlässlich des Jahrestages der „Machtübertragung an den ‚Führer’ Adolf Hitler am 30.1.1933 durch Kapitalherren und Generale“ sieht der Autor die „Gefahr autoritärer Praktiken“ wachsen: „Je mehr die Krise wirkt und bewusst wird, desto intensiver versucht die privilegierte Minderheit nach Wegen jenseits demokratischer Praktiken, um ihre fragil gewordene Herrschaft erneut zu stabilisieren.“ (11)

In seinem Text aus dem November 2009 prangert L. Knorr „60 Jahre Verfassungsbruch in der BRD“ an. In der „Delegitimierung der DDR“ und ihrer Etikettierung als „zweite deutsche Diktatur“ (18) sieht er Geschichtsfälschung, die „mehr denn je zu einem Instrument der Systemstabilisierung“ wird. Knorr umtreibt die Frage, warum trotz globaler Krise und wachsendem Elend „Ruhe“ herrscht. Plausible Alternativen müssten massenwirksam ins gesellschaftliche Bewusstsein dringen: „Das Krisenmanagement im Interesse der Reichen sollte deutlicher als bisher vermittelt werden! Eine Aufgabe der (leider zerstrittenen) Linken, die jetzt ihre große Stunde haben könnte!“ (20) – Er mahnt die „absolute Dringlichkeit gut geplanter kollektiver Aktionen mit plausiblen Alternativen zur jetzigen Krisensituation“ an.

In „Globale Krise des Kapitalismus und Rechtsextremismus“ (Juni 2009) beschreibt Knorr, dass die in der „Privat- und Profitwirtschaft wirkenden Expansionskräfte und Aggressivitäten“ deutlich in „Weltordnungskriegen“ zum Ausdruck kommen; auch ohne „treibende barbarische Kraft“ bzw. „auch ohne einflussreiche Neofaschisten“ (15). Der im Titel verwendete Terminus „Rechtsextremismus“ hänge auch damit zusammen, weil „gegenwärtige Gefahren nicht allein von den Neofaschisten ausgehen, sondern auch von anderen zur Zeit mächtigeren Akteuren!“ (3) Das schlösse aber die Nutzung als „Rammböcke“ nicht aus und erkläre, warum bisher ein Verbot z.B. der NPD nicht ausgesprochen wurde.

Im Broschürentext „Geschichtsrevisionismus kontra Sozialstaat und Arbeiterbewegung“ schlägt sich ein Referat nieder, dass der Verfasser am 27. Februar 2008 vor DGB-Senioren aus dem Großraum Frankfurt am Main hielt. Mit „psychotechnischen Methoden“ würde die „Einflussnahme der Volksmassen unterlaufen“. Ein nichtangepasster DGB (könnte) eine potenzielle Gefahr für weitere kapitalistische Ausplünderung und Herrschaft werden.“ Weil die „historische Programmatik der Arbeiterbewegung z. Zt. höchste Aktualität erlangt, wird versucht, die Erinnerung an Ursprung und Zielsetzung der Arbeiterbewegung“ zu löschen (13).

Die Texte aus der „Broschürenwerkstatt“ im Frankfurter Nordend versuchen, zum selbständigen, aktiven Eingreifen zugunsten von Emanzipation und humaner Entwicklung beizutragen. Sie sind im „Selbstverlag“ Lorenz Knorr erhältlich.

Nachtrag: Bei meinem Anruf im schweißtreibenden Hitzemonat Juli 2010 ließ der umtriebige Lorenz Knorr noch wissen, dass er an seinem 26. Buch arbeite. Es solle im Spätherbst im Pahl-Rugenstein-Verlag veröffentlicht werden. Aufgearbeitet würde der „Generalsprozeß“ (1963-1967). Knorr sei auf Betreiben von Verteidigungsminister Franz Josef Strauß angeklagt worden. In dem Prozeß ging es um die hochrangigen Bundeswehrgenerale Speidel und Heusinger, deren Nazi-Vergangenheit aufgehellt wurde.

Thomas Ewald-Wehner