Klimakrise: Industriepolitik und Kapitalinteressen

Die „Carbon Majors"

Zum Anteil der Produzenten von fossilen Brennstoffen und Zement an den anthropogenen Emissionen von Kohlendioxid und Methan 1854-2010

von Richard Heede
Juni 2018

[1]

1. Einleitung

Es herrscht weitgehende Übereinstimmung darüber, dass der anthropogene Klimawandel eine ernste Bedrohung für Gesundheit, Wohlstand und Stabilität menschlicher Gemeinschaften sowie für die Existenz nicht-menschlicher Arten und Ökosysteme darstellt (IPCC 2007; World Bank 2012b; Hoeppe 2011; Busby 2007). Der 1992 etablierte internationale Rechtsrahmen zur Vorbeugung vor „gefährlicher anthropogener Störung“ des Klimasystems hat das Augenmerk auf die Rolle von Nationalstaaten gelenkt und zu Verpflichtungen vieler Nationalstaaten (vor allem der Annex-I- bzw. hoch-entwickelten Nationen) geführt, ihre Treibhausgas-Emissionen zu senken. Allerdings ist der gegenwärtige Klimawandel in erster Linie eine Folge historischer Emissionen (Allen et al. 2009b; Matthews et al. 2009; Wei et al. 2012; IPCC 2013), und die Vertragspartner mit den stärksten Quellen der historischen Emissionen sind nicht zwangsläufig dieselben, die für den entscheidenden Teil der gegenwärtigen Emissionen verantwortlich sind.

Dieser Artikel bietet eine grundlegend neue quantitative Analyse der historischen Emissionen in Form einer Rückverfolgung Emissionen von CO2 und Methan auf die neunzig größten privaten und staatlichen Produzenten von fossilen Brennstoffen und Zement – von 1854 bis 2010. Zweck der Analyse ist es, die historischen Emissionen als Tatsache zu begreifen, das Augenmerk auf ihre mögliche politische Bedeutung zu lenken und das Fundament dafür zu legen, die Verantwortung für den Klimawandel denjenigen Instanzen zuzuweisen, die der globalen Wirtschaft die Kohlenwasserstoff-Produkte liefern.

2. Historische Emissionen in der internationalen Politik

Die kumulativen historischen Emissionen haben eine anhaltend höhere atmosphärische Konzentration von Kohlendioxid und anderer Treibhausgase verursacht (Matthews et al. 2009; Zickfeld et al. 2010). Während atmosphärische Konzentrationen von CO2 auf verschiedene Weise gesenkt werden können, ist allgemein anerkannt, dass zur Vermeidung weiterer gefährlicher anthropogener Störungen des Klimasystems die künftigen Netto-Emissionen, gemessen an „business-as-usual“-Prognosen, reduziert werden müssen. Die Vertragsparteien der UN-Klima-Rahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change – UNFCCC 1992) haben sich darauf verständigt, dass entwickelte Länder „auf der Grundlage der Gerechtigkeit und entsprechend ihren gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten … bei der Bekämpfung der Klimaänderungen und ihrer nachteiligen Auswirkungen die Führung übernehmen“. Mit der Formulierung „unterschiedlich“ wurde anerkannt, dass Annex-I-Nationen die meisten Treibhausgas-Emissionen produziert haben und deshalb für die ersten Schritte zur Reduzierung der Emissionen verantwortlich sind.

Es gibt zahlreiche Vorschläge für eine gerechte Verteilung von Lasten und Maßnahmen zur Behebung des Klimawandels. Dazu gehören u.a.: perspektivisch gleiche Pro-Kopf-Zuteilung (Baer et al. 2000; Bode 2004), Verringerung und Konvergenz hin zu einer gemeinsamen Pro-Kopf-Emissionsrate in einem im Voraus festgelegten Jahr (Global Commons Institute 2008), allgemeine, aber differenzierte Konvergenz mit günstigen (Emissions-) Rechten für non-Annex-I-Länder (Höhne et al. 2006). Die Ignorierung historischer Emissionen benachteiligt ärmere Nationen und verletzt das Prinzip der UN-Konferenz über die Umwelt des Menschen von 1972, nämlich das „Recht der Staaten auf Nutzung der eigenen Ressourcen“, sofern der „Umwelt anderer Staaten kein Schaden zugefügt wird“ (Neumayer 2000).

Ein Vorschlag, der die historischen Emissionen berücksichtigt, ist der vom „Gremium für wissenschaftliche und technische Fragen“ (SBSTA[2]) im Vorfeld des Kyoto-Protokolls analysierte Brasilianische Vorschlag, die Kostenlast zur Bekämpfung des Klimawandels entsprechend der Temperaturveränderungen zu verteilen, die von nationalen historischen CO2-Emissionen ausgelöst worden sind (den Elzen et al. 2005; Rive et al. 2006; Baumert and Kete 2002). Solche auf Gerechtigkeit gründenden Vorschläge argumentieren teilweise mit der engen Verknüpfung des Wohlstands mit dem historischen Energieverbrauch und folglich den historischen Emissionen und der von ihnen bewirkten Veränderung des Wärmehaushalts der Erde (radiative forcing), woraus sich eine größere Verantwortung für Emissionsminderungen für diejenigen Nationen ableitet, die zum großen Teil dadurch reich wurden, dass sie die fossilen Brennstoffe schon seit langem entweder konsumieren und in vielen Fällen für den Weltmarkt produzieren (Gardiner 2004; Jamieson 2009).

Annex-I-Länder haben dieses Argument zurückgewiesen mit der Begründung, sie könnten nicht für Emissionen vor 1990 verantwortlich gemacht werden, dem Jahr, in dem der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) erstmals die Warnung aussprach, dass Treibhausgas-Emissionen zur globalen Erwärmung beitragen. Im Kern argumentierten sie, dass sie nicht für ein Problem verantwortlich gemacht werden können, von dem sie nichts gewusst hätten. Damit ignorieren sie die zahlreichen wissenschaftlichen Warnungen, die in den 1960ern, 1970ern und 1980ern veröffentlicht worden sind (President’s Science Advisory Committee 1965; Matthews et al. 1971; Broecker 1975; World Meteorological Organization 1976; National Research Council 1979; U.S. EPA 1983; siehe die Diskussion in Weart 2003; Fleming 2005; Oreskes and Conway 2010). Dazu kommt, dass viele Länder, darunter Brasilien und die USA, das Rechtsprinzip der „objektiven Verantwortung“ haben, dem zufolge ein Umweltverschmutzer sich nicht durch Berufung auf Unkenntnis des Umweltschadens der Verantwortung entziehen kann.

3. Ein neuer Ansatz: Rückverfolgung der Emissionen auf die Produzenten

Der Wohlstand durch Produktion und Verwendung fossiler Brennstoffe legt eine Alternative zum nationalstaatlichen Ansatz nahe, nämlich die Emissionen aus fossilen Brennstoffen nicht auf die einzelnen Staaten als Verbraucher und Emittenten zu beziehen, sondern auf die privaten und staatlichen Unternehmen, welche die fossilen Brennstoffe produzieren. Unter diesem Blickwinkel zeigt sich, dass die Emissionen in beträchtlichem Umfang aus fossilen Brennstoffen entstehen, die aus „non-Annex-I-Staaten“ (Entwicklungsländer ohne Reduktionsverpflichtungen nach dem Kyoto-Protokoll; d. Übers.) stammen, wie China, Indien, Saudi-Arabien, Südafrika, Iran, Brasilien und Mexiko, oder aus Ländern, die selber keine großen Emittenten sind, wie Nigeria, Venezuela, Kuwait, Angola, Malaysia und Libyen. Die UN-Rahmenkonvention macht für den Klimawandel die reichen „Annex-I-Nationen“ verantwortlich, die am meisten von der Nutzung fossiler Brennstoffe profitiert haben.

Beträchtlicher Reichtum entsteht allerdings auch bei den Nationen und Unternehmen, welche die Brennstoffe für die internationalen Märkte produzieren. Aus diesem Grund konzentriert sich die vorliegende Untersuchung auf die weltgrößten privaten und staatlichen Produzenten fossiler Brennstoffe, unabhängig davon, ob sie ihren Sitz in Annex-I- oder non-Annex-I-Staaten haben, und berücksichtigt, dass für den Klimawandel und seine Behebung diejenigen Unternehmen ein hohes Maß an Verantwortung tragen, welche die überwiegende Menge der historischen fossilen Brennstoffe gefördert, raffiniert und vermarktet haben.

4. Datengewinnung und Berechnungen

Für die Rückführung auf die Produzenten wurde ein Schwellenwert für die Produktion fossiler Brennstoffe von jährlich 8 Millionen Kohlenstoff (MtC/y) angesetzt. Dadurch wurden neunzig Unternehmen identifiziert: 50 private Unternehmen, 31 staatliche und 9 Staaten mit zentraler Planung (gegenwärtig oder in der Vergangenheit). Von diesen neunzig sind 56 Mineralöl- und Erdgas-Unternehmen, 37 sind Kohleförderer (einschließlich Tochtergesellschaften von Öl- und Gas-Produzenten), und 7 sind Zementhersteller. Mit Sitz in 43 Ländern fördern diese Unternehmen Ressourcen in allen Regionen mit Vorkommen von Öl, Erdgas und Kohle und verarbeiten die Brennstoffe zu marktfähigen Produkten zum Verkauf an alle Nationen der Erde.

Die Ermittlung unternehmensbezogener Produktionsaufzeichnungen erfolgte aus zugänglichen Geschäftsberichten, aus öffentlichen und Universitäts-Bibliotheken in Europa, Nordamerika, Afrika und Asien, von Unternehmens-Internetseiten, aus bei der US-Börsenaufsichtsbehörde archivierten Unternehmensberichten, aus Firmenchroniken und anderen Quellen. Für die jährliche Produktion jedes Unternehmens wurde der Kohlenstoffgehalt von Kohle, Öl, Flüssig-Erdgas und Erdgas mittels der Kohlenstofffaktoren von IPCC, UN, Internationaler Energie-Agentur (IEA) und der US-Umweltschutz-Behörde (EPA) berechnet, um die jährlichen Emissionen auf jedes einzelne Unternehmen zurückzuverfolgen. Wir bemühten uns um historisch vollständige Unterlagen von den frühesten Aufzeichnungen an (die früheste stammt von 1854) bis 2010. Wo Fusionen oder Übernahmen vorkamen, wurde die Produktion von Kohlenstoff mitsamt den Emissionen vor dem Unternehmenszusammenschlusses dem noch existierenden Unternehmen zugerechnet.

Da das Ziel der Analysen die Schätzung der in die Atmosphäre gelangenden Kohlenstoffmengen ist, mussten einige Berechnungen angestellt werden, so u.a. für Kohlenwasserstoffprodukte, die nicht für die Verbrennung bestimmt sind.

Im Falle von Rohöl und Flüssig-Erdgas gehören zur nicht-energetischen Nutzung u.a. Petrochemie, Schmierstoffe, Straßenbau, Wachse, Lösemittel und andere industrielle Anwendungen; im Falle von Erdgas sind es Düngemittel und Pharmazeutika, und im Falle der Kohle Pigmente, Kohlefasern und Stahlproduktion. Die nicht zur Verbrennung bestimmten Anwendungen speichern den Kohlenstoff wirksam und müssen daher von den Emissionsberechnungen ausgenommen werden. Die von uns ermittelte Netto-Speicherrate für Flüssigkeiten beträgt 8,02%, für Erdgas 1,86%, und für Kohle 0,016%. Das sind die Prozentsätze der Brennstoffe, die nicht emittieren.

Eine weitere Berechnung ermittelt den Kohlenstoffgehalt jedes Brennstoffs und damit das bei der Verbrennung freigesetzte CO2. Das ist besonders relevant für Kohle, weil die Produzenten lieber physische Mengen als Heizwerte berichten (d.h. Tonnen, Barrels oder Kubikfuß statt Energiegehalt). Die Faktoren für den Kohlenstoffgehalt für jeden Brennstoff entsprechen internationalen Richtlinien. Der Faktor variiert am meisten für Kohle – von ca. 33% Kohlenstoff für Braunkohle bis ca. 72% für Anthrazite.

Weitere Emissionsquellen, die Öl-, Gas- und Kohleaktivitäten zuzuordnen sind, ist CO2 aus der Verarbeitung von Rohgas, CO2 vom Gas-Abfackeln (typisch für Ölfelder mit Gasvorkommen) und verflüchtigtes oder abgeblasenes Methan von Öl- und Gas-Aktivitäten und von Kohleförderung. Die Emissionsraten wurden aus der internationalen Fachliteratur herangezogen (u.a. IPCC, EPA, Weltbank, Europäische Kommission). Sie unterliegen großen Schwankungen nach Ländern, Unternehmen, Lage der Felder, offshore oder onshore, Kohleförderung über- oder unterirdisch, Dekade der Produktion u.dgl.

Die Emissionsfaktoren, die Methodologie und die Resultate wurden mit der Datenbank der globalen CO2–Emissionen abgestimmt, die sich beim Carbon Dioxide Information Analysis Center (CDIAC) befindet und den Zeitraum 1751 bis zur Gegenwart umfasst (Marland and Rotty 1984; Marland et al. 2011). Die Emissionsraten für Methan wurden für 1970 bis 2008 mit der EDGAR-Datenbank der Europäischen Kommission verglichen (fortgeschrieben bis 2010) und für 1860-1969 mit den Methan-Daten bei Stern & Kaufmann. Methan wurde gemäß IPCC 1996 mit dem 21-fachen Treibhauspotential von CO2 (GWP 21) angesetzt.

Sieben Zementhersteller – sechs private Unternehmen in Japan, der Schweiz, Frankreich, Deutschland, Italien und Mexiko; dazu China – trugen Prozess-Emissionen aus der Kalzinierung (Brennen) von Kalkstein bei (CaCO3→CaO+CO2). CO2-Emissionen aus der Energiezufuhr in die Öfen und Kraftwerke sind nicht hier, sondern bei den Brennstoffen berücksichtigt. Die Daten liegen für 1990 bis 2010 vor, für China sogar seit 1928. Die Emissionen aus der Kalzinierung stammen aus den Daten, die die Industrie an die World Business Council for Sustainable Development’s Cement Sustainability Initiative (WBCSD 2011) übergibt.

5. Die „Carbon Majors”

Durch Analyse der historischen Produktionsaufzeichnungen von 1854 bis 2010 lassen sich insgesamt 914 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente (GtCO2e) auf neunzig internationale Unternehmen zurückführen.

Abb.g 1: CO2-Emissionen global und durch „Carbon Majors” 1859-2010. Linie: Globale CO2-Emissionen nach CDIAC plus Methan nach Stern & Kaufmann und Europäischer Kommission. Gestrichelt: Gesamte CO2- und Methan-Emissionen der „Carbon Majors“.

Diese Unternehmen produzierten kumulativ 985 Milliarden Barrel (bbl) Rohöl (79 Milliarden bbl davon für nicht-energetische Zwecke), 2.248 Billionen Kubikfuß (cubicfeet) Flüssiggas und 163 Milliarden Tonnen Kohle verschiedener Qualitäten.

Die auf die „Carbon Majors“ (wie nachfolgend die neunzig weltgrößten Produzenten kohlenstoffhaltiger Produkte genannt werden; d. Übers.) zurückgehenden Emissionen repräsentieren 63% der globalen Emissionen von CO2 und Methan im Zeitraum 1751 bis 2010: aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe, aus Abfackeln, Abblasen und Eigenverbrauch, aus Verflüchtigung und Ablassen von Methan sowie aus der Zementherstellung (Abb.1; Tabelle 1). An erster Stelle stehen 366 GtCO2 aus der Verbrennung von Erdölprodukten durch 55 Unternehmen, die 77,5% der globalen erdölbedingten-Emissionen nach CDIAC-Schätzung (Carbon Dioxide Information Analysis Center) ausmachen. (Tabellen 1 und 2; Marland et al. 2011).

Tabelle 1: CO2- und CH4-Emissionen:
Diese Studie und CDIAC-Schätzungen für 1751-2010*

Tabelle siehe PDF!

* Globales CO2 aus Brennstoffen nach Carbon Dioxide Information Analysis Center (CDIAC); Methan nach Stern & Kaufmann und Europäischer Kommission.

Von den gesamten CO2- und CH4-Emissionen zwischen 1751 und 2010 stammt die Hälfte aus der Zeit nach 1984 (Marland et al. 2011). Die auf die „Carbon Majors“ zurückführbaren Emissionen aus der Produktion von fossilen Brennstoffen und Zement entstanden zur Hälfte nach 1986 (Abb. 1). Kumulativ gehen Emissionen von 315 GtCO2e auf private Unternehmen zurück, 288 GtCO2e auf staatliche Unternehmen und 312 GtCO2e auf nationale Eigentümer (Planwirtschaften, nation states) (Abb. 2). Die „Delle“ in der Produktion der „nation states“ in den späten 1980ern bis in die frühen 2000er ist Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion und der Bildung neuer staatlicher Öl- und Gas-Unternehmen in Russland sowie der Umwandlung des chinesischen Erdölsektors in staatliche Unternehmen.

Tabelle 2: Kumulative Emissionen der Carbon Majors 1854-2010
nach Quellkategorien

Tabelle siehe PDF!

Abb. 2: Durch Carbon Majors bedingte Emissionen nach Eigentümerkategorien 1919-2010. Die historischen Gesamtbeiträge der einzelnen Eigentümerkategorien sind fast gleichgroß: 34,4% private Eigentümer (gestrichelt), 34,1% nationale Eigentümer (gepunktet) und 31,5% staatliche Eigentümer (durchgehende Linie), jedoch mit abwechselnden Proportionen im Zeitverlauf.

Die kumulativen Emissionen, die auf die zwanzig größten privaten und staatlichen Unternehmen im Zeitraum 1751 bis 2010 zurückzuführen sind, betragen insgesamt 428 GtCO2e oder 29,5% der globalen Emissionen (Tabelle 3). Auf die zehn größten privaten Unternehmen gehen allein 230 GtCO2e oder 18,8% der globalen Emissionen bis 2010 zurück.

6. Diskussion

Gemäß UN-Klima-Rahmen-Konvention von 1992 haben die Annex-I-Staaten den überwiegenden Teil der Finanzmittel für internationale Verhandlungen und für Anpassungsmaßnahmen der ärmsten Länder aufzubringen und die Führungsrolle im Kampf gegen den Klimawandel zu übernehmen, und zwar auf der Grundlage des Arguments, dass sie als historisch größte Emittenten den größten Nutzen aus den Emissionen gezogen haben und daher die größte Verantwortung für deren Eindämmung tragen. Dieses System hat bislang die globalen Treibhausgas-Emissionen nicht verringert, und einige Beobachter meinen, es stecke in einer Sackgasse.

Ohne die Logik der UNFCCC in Frage zu stellen, verweist die hier vorgelegte Analyse auf eine etwas andere und vielleicht nützliche Betrachtungsweise der Verantwortung für den Klimawandel. Sie hebt hervor, dass die führenden Produzenten fossiler Brennstoffe nicht alle ihren Sitz in Annex-I-Staaten haben: Saudi Arabien, Iran, China, Indien, Venezuela, Mexico, Kuwait, Abu Dhabi und Algerien stehen auf der Liste der „Top-20“ (Tabelle 3). Von den 85 heute noch bestehenden Unternehmen haben 54 ihren Sitz in Annex-I-Staaten und 31 in non-Annex-I-Staaten.

Diesen „Carbon Majors” und ihren staatlichen Unterstützern und privaten Eignern sind beträchtliche Vorteile entstanden. Angesichts dessen scheint es durchaus angemessen, sie in der ethischen Verpflichtung zu sehen, an der Bewältigung der Destabilisierung des Klimas mitzuwirken (Gardiner et al. 2010; Gardiner 2011). Darüber hinaus verfügen viele dieser Unternehmen, sowohl staatliche als auch private, über die finanziellen Ressourcen und das technische Entwicklungspotential, zu Klimaschutz und Klimafolgenanpassung beizutragen.

Eine umfassende Analyse der der globalen Kohlenstoffindustrie zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Milderung, Anpassung und Verbesserung des Klimas würde dieses Papier sprengen. Eine unvollständige Aufzählung beinhaltet folgende: Kapazitätsaufbau von CO2-Abscheidung und –Speicherung (Carbon Capture and Storage) (Allen et al. 2009a), Finanzierung von Anpassungsprogrammen (wie etwa der UNFCCC-Anpassungsfonds), Investition in oder Entwicklung von Technologien und Programmen für das enorme Potenzial zu effizienter Nutzung kohlenstoffhaltiger Brennstoffe (Lovins 2011), Entwicklung von alternativen Brennstoffen und energieerzeugenden Systemen auf Basis von „lowerzero“-Kohlenstoff, Forschungsförderung von „Geo-Engineering“, öffentliche Verpflichtung zur Abscheidung, Speicherung (CCS) oder Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre entsprechend ihrer historischen Emissionen, Unterstützung internationaler Klima-Diplomatie und innerstaatlicher Gesetzge-bung (womit führende multinationale Öl- und Gas-Unternehmen begonnen haben) und für den Fall, dass die Haftung für historische und/oder künftige Emissionen nicht abgewendet wird, Bildung von Rücklagen zur Deckung möglicher klimabezogener Haftungsansprüche.

Tabelle 3: Top-20 der privaten und staatlichen Unternehmen
und CO2- und CH4-Emissionen

Tabelle siehe PDF!

* Die rechte Spalte stellt für jedes Unternehmen die kumulativen Emissionen 1854-2010 den globalen Emissionen nach CDIAC für 1751-2010 gegenüber. Ausgenommen sind British Coal, deren Produktion nicht den bestehenden Unternehmen zugerechnet wurde, und fünf von neun „nation state“ (Planwirtschafts-) Unternehmen (ehemalige Sowjetunion, China, Polen, Russische Föderation und Tschechoslowakei, in dieser Reihenfolge).

Erforderlich ist außerdem größere Transparenz einschließlich umfassender Berichterstattung über alle direkten und produktbezogenen Emissionen, vollständige Information der Investoren über potenzielle Haftungsansprüche aus Unternehmenstätigkeit oder Produkten sowie über wesentliche Risiken für das Unternehmensvermögen und wesentliche Gefahren für künftige Gewinne aus dem Klimawandel (Hancock 2005; Coburn et al. 2011).

Wenn wir uns einen Augenblick auf die Möglichkeit künftiger Anstrengungen zur Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) konzentrieren, gilt es zu beachten, dass die meisten der in dieser Analyse betrachteten Unternehmen die technischen und institutionellen Kapazitäten haben, die Federführung in der Forschung und Entwicklung von CCS zu übernehmen oder sich an anderen proaktiven Klimaschutz-Programmen zu beteiligen. Unsere Analyse könnte die Basis für die Berechnung der Kohlenstoffmenge liefern, die durch die verschiedenen Unternehmen abgeschieden und gespeichert werden müsste, um ihre bisherigen Beiträge zum Klimawandel zu kompensieren, und somit eine tatsächliche Grundlage für Denkansätze schaffen, wie ein fairer Vorschlag aussehen könnte.

Schließlich, und das ist vielleicht am wichtigsten, besitzen die in diesem Papier behandelten „Carbon Majors“ nachgewiesene förderbare Kohlenstoffreserven, die, wenn gewonnen und emittiert, den anthropogenen Klimawandel intensivieren und die damit verbundenen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Probleme wesentlich verschärfen würden (Carbon Tracker 2011). Die Analyse der historischen Emissionen kann auch auf die eigenen Kohlenstoffreserven der einzelnen Unternehmen angewendet werden und damit auf die Anteile ihrer künftigen Kohlenstoffproduktion, die in jährlich wachsenden Prozentsätzen abgeschieden und gespeichert (oder durch andere Maßnahmen ausgeglichen) werden müssen (Allen et al. 2009a).

In der Tat verfügen die in dieser Analyse festgestellten Unternehmen über zwei wichtige Vermögenswerte, nämlich Produktionskapazitäten und nachgewiesene förderbare Reserven. Zusammen mit Profitmotiven und steuerlichen und politischen Anreizen, neue Reserven fossiler Brennstoffreserven zu entdecken und zu gewinnen, haben sie eine Schlüsselfunktion für künftige Produktion und Emission fossiler Brennstoffe (Allen et al. 2009b), und damit wohl für die Zukunft des Klimasystems des Planeten. Die Internationale Energie Agentur kam zu dem Schluss, dass „bis 2050 nicht mehr als ein Drittel der nachgewiesenen fossilen Brennstoffreserven verbraucht werden darf, wenn die Welt das Zwei-Grad-Ziel einhalten soll“ (IEA 2012b); die Mehrheit dieser Reserven ist in der Hand von „Carbon Majors“. Selbst eine Verdopplung internationaler Bemühungen für ein wirksames Klimaabkommen reicht wahrscheinlich nicht aus, sofern keine Mittel gefunden werden, die Carbon Majors einzubeziehen und sie zu bewegen, ihre Reserven in der Erde zu lassen oder angemessene Anstrengungen zu unternehmen, Emissionen in die Atmosphäre vorzubeugen oder sie zu kompensieren.

7. Fazit

Die hier präsentierte Analyse richtet das Augenmerk auf die privaten und staatlichen Unternehmen, die fossile Brennstoffe und Zement produzieren und damit die Hauptquellen anthropogener Treibhausgase, die den Klimawandel bestimmt haben und weiterhin bestimmen. Es zeigt sich, dass fast zwei Drittel der historischen Kohlendioxid- und Methan-Emissionen auf neunzig Unternehmen zurückgeführt werden können.

Diese Analyse liefert eine etwas veränderte Sicht auf die Ursachen von und die Verantwortung für die gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems. Ohne die Verantwortung von Annex-I-Nationen oder der viel diskutierten Staaten China oder Indien zu bagatellisieren, hebt die Analyse die Rolle einiger non-Annex-I-Nationen hervor wie Saudi Arabien, Venezuela, Mexiko, Iran, Kuwait, Abu Dhabi, Libyen, Nigeria, Indonesien, Brasilien und anderer Länder, die bisher nicht im Mittelpunkt der Diskussionen über die Verantwortung für Emissionskontrolle standen. Einige dieser Nationen sind in ihrer Rolle als Kohlenstoffproduzenten genauso wichtige Verursacher des Klimawandels wie die Annex-I-Nationen, auf denen bis heute das Hauptaugenmerk liegt.

Bisher betrachten sowohl die meisten Analysen als auch die UNFCCC-Leitlinien die Verantwortung für den Klimawandel rein nationalstaatlich. Solche Analysen passen in den Rahmen internationalen Rechts, da Verträge und Übereinkommen auf Vereinbarungen zwischen Nationalstaaten beruhen. Allerdings kann Verantwortung auch anders aufgefasst werden, nämlich so, wie in der vorliegenden Analyse, welche die Emissionen auf die hauptsächlichen Kohlenstoffproduzenten zurückführt. Die Verschiebung des Blickwinkels von Nationalstaaten auf Unternehmen, sowohl private als auch staatliche, eröffnet neue Chancen für diese Unternehmen, Teil der Lösung zu werden, anstatt passive (und profitable) Zuschauer der anhaltenden Klimastörung zu sein.

Sozialer Druck auf private Unternehmen könnte als zusätzlicher Anstoß wirken, Treibhausgasemissionen zu reduzieren oder CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. Vorschriften, Gerichtsverfahren und Aktionärsklagen, die auf die Verantwortung privater Unternehmen für Tabak-bedingte Erkrankungen zielten, spielen eine wesentliche Rolle in der Geschichte der Anti-Tabak-Maßnahmen; man könnte sich vergleichbares Handeln gegenüber privaten Unternehmen vorstellen, die an der Produktion fossiler Brennstoffe beteiligt sind, insbesondere soweit einige dieser Unternehmen, die in dieser Analyse vorkommen, an den Versuchen mitwirkten, eine Gesetzgebung zu verhindern, welche die Produktion und den Verkauf kohlenstoffhaltiger Brennstoffe hemmen könnte. Die Brennstoffunternehmen haben starke finanzielle Anreize, ihre Reserven zu fördern und zu vermarkten und Forderungen, ihre wertvollen Vermögenswerte im Boden zu lassen, entgegenzutreten (Grantham 2012); aber sozialer und rechtlicher Druck kann diese Anreize einschränken. Zu wissen, wer die hauptsächlichen Kohlenstoffproduzenten sind und historisch waren, kann eine geeignete Grundlage für künftigen sozialen und rechtlichen Druck sein.

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[1] Übersetzung mit freundlicher Genehmigung des Verfassers von: Richard Heede (2014), Tracing anthropogenic CO2 and methane emissions to fossil fuel and cement producers 1854-2010, Climatic Change, vol. 122(1): 229-241; doi:10.1007/s10584-013-0986-y. URL: http://link.springer.com/article/10.1007/s10584-013-0986-y?view=classic. Geringfügig gekürzt. Übersetzung: Winfried Schwarz.

[2] Subsidiary Body for Scientific and Technical Advice (SBSTA) und Subsidiary Body for Implementation (SBI) sind die zwei wichtigen Nebenorgane der Klimarahmenkonvention. Die Nebenorgane tagen zweimal jährlich – jeweils im Sommer in Bonn und während der Vertragsstaatenkonferenzen (COP) am Ende jeden Jahres. (Red.)

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