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„Steuern im III. Reich"

Die Ausplünderung der deutschen Juden mit fiskalischen Mitteln als Teil verdrängter deutscher Vergangenheit

Juni 2005

Die Juden im „Dritten Reich“ wurden bürokratisch und arbeitsteilig organisiert ausgeplündert, deportiert und ermordet. An der systematischen und in aller Öffentlichkeit vollzogenen Entrechtung durch Ausplünderung mit fiskalischen Mitteln war die Finanzverwaltung auf all ihren Ebenen engagiert beteiligt. Erfreulich ist, dass die Aufarbeitung auch aus der Finanzverwaltung heraus betrieben wurde. Die Zahl der bis heute zu diesem Thema publizierten Bücher ist umfangreich geworden. Dies hängt wohl auch damit zusammen, dass die beteiligten Täter aus der (Reichs-)Finanzverwaltung gestorben sind. Dass viele Beweise (in Form von Aktenfunden etc.) darüber, wie sich die „arischen“ Nachbarn am Besitze Deportierter bereicherten, erst jetzt den Weg in die Öffentlichkeit finden, hängt mit der von vielen Zeitgenossen vorgetragenen Schutzbehauptung zusammen, nichts von der Verfolgung der Juden gewusst zu haben. Diese bundesdeutsche Lebenslüge konnte nur Ergebnis einer Verdrängung sein. Alltäglich und in für jeden öffentlich zugänglichen Gebäuden wurden Hinterlassenschaften verfolgter Juden versteigert. In einer Ausstellungsbesprechung der „Frankfurter Rundschau“ vom 30.08.1998 wird dies in einer präzisen Artikelüberschrift zusammengefasst: „Die Schnäppchenjagd auf jüdisches Porzellan“. Korrespondierend zur „Arisierung“ jüdischer Betriebe entstand so – unter tätiger Mithilfe der örtlichen Finanzämter – eine geheime Kumpanei zwischen „Arisierungsgewinnern“ und den ‚kleinen Leuten‘, die aus der Verfolgung der Juden auch ihre Vorteile zogen.

Die Aktenfunde in den Finanzämtern haben durch zahlreiche Dokumente diese Fakten belegt. Von der Alltagspraxis der zuständigen Finanzämter, über die von den Herrschenden des „Dritten Reiches“ geschaffenen Gesetze bis hin zur „Rechtsprechung“ des Reichsfinanzhofes wurde auf die organisierte Entrechtung von Juden und Opponenten hingearbeitet. Diese Praxis wird in den besprochenen Büchern auf je besondere Weise aufgehellt.

„Ein Beitrag zur Rolle der Finanzverwaltung 1933 – 1945“

Als Pionierleistung ist auf zwei Veröffentlichungen der Frankfurter Finanzbeamtin Gundi Mohr hinzuweisen. Die gewerkschaftlich organisierte Personalrätin nahm sich im Zuge der Erinnerungsarbeit zur 50. Wiederkehr der verharmlosend „Reichskristallnacht“ genannten Judenprogrome schon 1988 des Themas an. Die Absicht der Autorin war es, „die Durchführung wirtschaftlicher Boykottmaßnahmen, die ‚Arisierungen‘, die behördliche ‚Entjudung‘ insbesondere hier in Frankfurt am Main näher zu beleuchten“. Wichtig war ihr der im „Vorwort“ geäußerte Hinweis, dass „Staatsverbrechen williger verübt und geduldet (werden), wenn sie ‚rechtmäßig‘ erscheinen“. Die kleine (heute vergriffene) 52-seitige Broschüre sollte „Nachdenken, Erinnern und Betroffenheit“ hervorrufen. Das den nachfolgenden Besprechungen vorab vorzustellen, erscheint angesichts einer noch immer nicht bewältigten Vergangenheit wichtig.

Diese für die Mitarbeiter der Frankfurter Finanzverwaltung gedachte Publikation hat einen würdigen Nachfolger aus dem Jahre 1996 gefunden: „Die fiskalische Ausbeutung der Juden im Dritten Reich“. Der Fokus in der heute noch erhältlichen 26-seitigen Ausarbeitung ist auf die Entwicklung in der Stadt Frankfurt am Main gerichtet. Die Details werden immer unappetitlicher, wenn die Ereignisse auf die Ebene von Städten und Dörfern heruntergebrochen werden.

„Die Juden sind keine Deutschen Volksgenossen“

Das fast 300 Seiten starke Buch „Die Reichsfinanzverwaltung im Nationalsozialismus – Darstellung und Dokumente“ wurde von sieben Autoren, die überwiegend der bundesdeutschen Finanzverwaltung entstammen, verfasst. Sehr ausführlich werden verschiedene Seiten der „Gegnerverfolgung“ und der Vermögenseinziehung anschaulich behandelt. Die von den Nationalsozialisten geschaffenen Gesetze richteten sich mit aller Härte gegen politisch Missliebige und aus anderen Gründen Verfemte. Die durch Gesetze des „Dritten Reiches“ fundierte Enteignung fußte auf dem „zweiten Einziehungsgesetz“ und dem „Gesetz über den Widerruf der deutschen Staatsbürgerschaft“ vom 14.07.1933. Auf der ersten veröffentlichten Liste – datiert vom 25.08.1933 – , in der die Vermögen beschlagnahmt und zu Gunsten des „Dritten Reiches“ für verfallen erklärt wurden, befanden sich 33 illustre Personen. Die Veröffentlichung erfolgte im Deutschen Reichsanzeiger und dem Preußischen Staatsanzeiger Nr. 198 und umfasste Personen wie die Schriftsteller Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger, Kurt Tucholsky und Politiker der SPD (wie Philipp Scheidemann, Friedrich Stampfer, Otto Wels) bzw. der KPD (Wilhelm Pieck, Heinz Neumann). Bevor sich die Vermögensbeschlagnahme vollends auf jüdische Emigranten konzentrierte, wurde mit dem „Gesetz über die Einziehung kommunistischen Vermögens“ vom 26. Mai 1933 das Parteivermögen der KPD durch den Staat angeeignet; knapp zwei Monate später wurde mit dem „Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ vom 14. Juli 1933 auch das Parteivermögen der anderen Linkspartei – der SPD – zu Gunsten des NS-Regimes eingezogen. Hierbei leisteten die „Finanzämter des Reiches wirkungsvolle Unterstützung“ (S. 11). Weitere gesetzliche Instrumente des NS-Staates gegen (politisch) Unerwünschte und die jüdische Bevölkerung waren im Kontext der (erzwungenen) Auswanderung die „Reichsfluchtsteuer“ und später, nach den antijüdischen Pogromen vom 9. und 10. November 1938, die „Judenvermögensabgabe“. Die Erhebung und Einziehung dieser „Sonderabgaben“ oblag den Finanzämtern. Die (einkommens-)steuerliche Sonderbehandlung der Juden kündigt sich schon durch das „Steueranpassungsgesetz – StAnpG“ vom 16.10.1934 an. Die hierfür geschaffene zentrale Rechtsnorm lautete: „Die Steuergesetze sind nach nationalsozialistischer Weltanschauung auszulegen“ (§ 1 (1) S. 1 StAnpG).

Diese „Diskriminierungen auf konventionellem Steuerrechtsgebiet“ (S. 16) werden durch Verwendung zahlreicher Dokumente belegt. Der Folter der Nazis in Kellern und Konzentrationslagern folgte die erste Emigrationswelle. Auf dem Fuße begann die Ausplünderung missliebiger Personen und Personengruppen mit gesetzlichen und fiskalischen Mitteln.

Die „Reichsfluchtsteuer“ indes war keine Erfindung der Nazis, sondern wurde von der Regierung Brüning 1931 eingeführt. Die 1929 von den USA ausgehende Weltwirtschaftskrise hatte in Deutschland, verstärkt durch die harte brüningsche Sparpolitik zu einer beachtlichen Kapitalflucht ins Ausland geführt. Mit der „Reichsfluchtsteuer“ sollten potentielle Auswanderer von ihrem Vorhaben abgehalten und so als deutsche Steuerzahler erhalten werden. Die Darstellung dieser Zusammenhänge wird auf 22 Seiten ausgebreitet und mit zahlreichen nur schwer zugänglichen Dokumenten belegt.

Der zweite Teil des Bandes ist dem „Reichsfinanzhof“ und der Judikatur des „Dritten Reiches“ gewidmet. Der erläuternden Ausarbeitung „Der Reichsfinanzhof und seine Rechtsprechung in steuerlichen Angelegenheiten von Juden“ ist ebenfalls ein ausführlicher Dokumententeil angehängt. Hier sind vor allem Auszüge aus (judenfeindlichen) Urteilen des Reichsfinanzhofes versammelt.

Nicht uninteressant ist – auch mit Blick auf Kontinuitäten für die Zeit nach 1945 – das Kapitel „Die Ausbildung in der Reichsfinanzverwaltung von 1933 bis 1945“. Auf den letzten 20 Seiten des Besprechungsbandes sind Porträts führender Leute der Finanzverwaltung des NS-Staates zu finden.

Der erwähnten Ausplünderung stand bezeichnenderweise ab 1934 die Steuerfreistellung Hitlers gegenüber. Der diese Praxis deckende Präsident des Landesfinanzamtes München, Ludwig Mirre (1978-1945), wurde schon 1935 zum Präsidenten des Reichsfinanzhofes berufen. Mit dieser Berufung wird eine Zäsur markiert. Die Rechtsprechung in steuerlichen Angelegenheiten von Juden zeigt sich in über 60 Urteilen des Reichsfinanzhofes in der Zeit von 1933 bis 1943.

Die Judikatur war eindeutig antisemitisch und gegen die „jüdische Rasse“ gerichtet. Das Urteil des Autors dieses Kapitels fällt eindeutig aus, wenn er formuliert, „dass die Institution Reichsfinanzhof Systembestandteil des NS-Staates geworden war und an der Entrechtung der deutschen Juden mitwirkte ...“ (S. 156). Der den Urteilen des Reichsfinanzhofes vorgestellte jeweilige Tenor lässt hieran keine Zweifel zu: „Die Arisierungsabgaben an die NSDAP sind als eine Personensteuer bei der Einkommensteuer nicht abziehbar“ oder: „Die Vermögensteuerbefreiung wegen Verfolgung mildtätiger Zwecke kommt nicht in Frage, wenn Juden unterstützt werden sollen. Die Juden sind keine Deutschen Volksgenossen.“ (S. 177)

Vom Zusammenhang der Finanzierung des Krieges über Steuern und der „legalen“ Ausplünderung der Juden

Wer eine finanzwissenschaftliche Studie zum Thema „Steuern im Dritten Reich“ sucht, ist mit dem gleichnamigen Buch aus dem C. H. Beck Verlag aus München gut bedient. Der vom ehemaligen Präsidenten des Finanzgerichts Hamburg, Reimer Voß, 1995 vorgelegte Band trägt den weiterführenden Untertitel „Vom Recht zum Unrecht unter der Herrschaft des Nationalsozialismus“. Der Verfasser arbeitet heraus, dass das Steuerrecht des „Dritten Reiches“ eines der wichtigsten Herrschaftsinstrumente des Nationalsozialismus war. Der Einfluß nazistischer Ideologie auf die Entwicklung des Steuerrechts wird unter Heranziehung zahlreicher Quellen nachgewiesen. Dies wird durch wesentliche Elemente kenntlich gemacht: Das durch die Steuerreformen der Weimarer Republik modernisierte Steuerrecht wurde durch „technische Verbesserungen“ für die Zwecke der Nationalsozialisten in Dienst genommen. Zahlreiche steuerliche Maßnahmen dienten der Finanzierung des 2. Weltkriegs. Dem Terror der Nazis folgte die steuerliche „Sonderbehandlung“ politisch und rassisch Verfolgter durch die Entrechtung mittels gesetzlicher Bestimmungen. Diese Gesetzgebung wurde durch die judenfeindliche Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes flankiert. Eine durch das Gesetz zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ auch von Juden „gereinigte“ willfährige Steuerverwaltung half den Nationalsozialisten in ihrer alltäglichen Praxis bei der Umsetzung ihrer menschenfeindlichen Ziele. Auch die Vertreter der Steuerpflichtigen gegenüber den Finanzbehörden mussten als erste Voraussetzung für die Zulassung zum Steuerberater die „Reinheit des Blutes“ nachweisen. Wer unter den vier Großeltern einen jüdischen Großelternteil hatte, wurde nicht als Steuerberater zugelassen („Gesetz über die Zulassung von Steuerberatern“ vom 6. Mai 1933).

Die Erhebung von „Sonderabgaben“ und der Verlust von Steuervergünstigungen bildeten wichtige Teilstücke der Ausgrenzung der Juden aus dem bürgerlichen Leben: „Die Besteuerung von Auswanderern nach der Reichfluchtsteuerverordnung war zwar ursprünglich nicht spezifisch gegen Juden gerichtet, wie sich schon dem Zeitpunkt der Einführung dieser Steuer entnehmen lässt. Man wird jedoch annehmen müssen, dass diese Steuer sich praktisch schon vor 1933 vornehmlich gegen Juden richtete, die weitsichtig genug waren, das kommende Unheil vorauszusehen, und die deshalb schon vor 1933 auswanderten.“ (S. 181) Diese Auswanderer wurden gegebenenfalls „steuersteckbrieflich“ gesucht.

Im „Dritten Reich“ geschaffene „Rechtsinstitute“ (wie z.B. die steuerliche „Betriebsaufspaltung“) haben diese Periode überdauert. Die Finanzierung des Krieges wird im Einzelnen geschildert (S. 105 ff.): So wurden u.a. „Kriegszuschläge“ auf Einkommens-, Körperschafts- und Verbrauchsteuern erhoben. Der kriegerische Hintergrund zahlreicher Steuern ist uns heute nicht mehr bewusst. Drei Tage vor dem Angriff auf Polen wurden durch Hitler als Reichskanzler am 28.08.1939 Maßnahmen zur „Vereinfachung“ der (Steuer)Verwaltung getroffen. Unter anderem wurde auch der Rechtsschutz gegen Akte der allgemeinen und der Steuerverwaltung eingeschränkt. Defakto wurden die Finanzgerichte – ohne sie ausdrücklich zu erwähnen – abgeschafft (S. 111). Fiskalische Mittel wurden zielgerichtet für kriegerische Zwecke genutzt.

Ein umfangreiches Personen- und Sachregister macht das 278-seitige Werk zugänglicher. Solide gegliedert, ist das Inhaltsverzeichnis eine wahre Fundgrube für den (auch finanzwissenschaftlich) Interessierten. Bis in kleinste Verästelungen wird die Indienstnahme des Steuerrechts für nazistische Zwecke beschrieben und dargestellt. Der Autor scheut dennoch klare und wertende Aussagen nicht.

„Ausplünderung mit Volksfestcharakter“

Komplementär zu den bisher vorgestellten Publikationen kann die Feldstudie „Legalisierter Raub – die Ausplünderung der Juden im Nationalsozialismus durch die Reichsfinanzverwaltung in Hessen“ aus dem Jahr 2004 gelesen werden. Hier wird das Verwaltungshandeln zahlreicher Finanzämter des Landes Hessen untersucht und der Anteil am Raub jüdischen Eigentums benannt. Die mit 745 Seiten umfassende Ausarbeitung zweier Wissenschaftlerinnen ist als Band 10 der wissenschaftlichen Reihe des in Frankfurt ansässigen Fritz-Bauer Institutes entstanden. Fritz Bauer betrieb als hessischer Staatsanwalt 1964 den gegen die Täter gerichteten „Auschwitz-Prozeß“ in Frankfurt am Main. Die vorliegende Arbeit soll – so ausdrücklich in der Einleitung – Aufforderung zum eigenen Nachforschen sein; sie soll: „dem Fachpublikum wie dem interessierten Laien eine eigene Recherche ermöglichen und als Basis für die weitere regionalhistorische Auseinandersetzung mit dem Thema dienen.“ (S. 18).

Von den über 745 Seiten nimmt allein der Apparat „Anmerkungen“ mit Tausenden von Hinweisen 150 (!) Seiten ein. Hier wird detailreich auf die „Ausplünderung mit Volksfestcharakter“ (so die „Frankfurter Rundschau“ vom 12. November 2004 in ihrer Vorstellung der Studie) hingewiesen.

Das 6. Kapitel mit der Überschrift „Opfer, Täter, Nutznießer“ benennt die „kleinen Profiteure“. Der „Ausverkauf“ von Vermögen ermorderter, deportierter und geflohener Juden fand in Auktionshäusern, auf offener Straße, zum Teil sogar in den Wohnungen der Vertriebenen oder in Turnhallen von Schulen statt. Vor zwei Jahren wurde an der in Frankfurt am Main befindlichen Klinger-Schule – heute ein berufliches Gymnasium – eine Gedenktafel mit folgender Inschrift angebracht: „’Das Vergangene ist nicht tot. Es ist nicht einmal vergangen.’ Christa Wolf. – Dieses Schulhaus war ein Ort nationalsozialistischer Verbrechen, von 1933 bis 1945 war dieses Haus eine SS-Kaserne. Menschen aus dem Widerstand wurden hier gefoltert. 1941 bis 1943 hat man in der Turnhalle den Hausrat von jüdischen Nachbarn versteigert, die im Holocaust ermordet wurden.“

Versteigert und verkauft wurde vom kleinsten Hausrat bis zum teuren Gemälde alles, was die Juden zurücklassen mussten. Den an Versteigerungen Beteiligten konnte der Hintergrund der Versteigerungen nicht verborgen geblieben sein. Eine heute auch bekannte „Schnäppchen“-Mentalität lässt den „arischen“ Nachbarn als Profiteur und Mitwisser deutlich werden.

Die unappetitlichen Details scheinen im Unterkapitel „Der ‚Volksgenosse‘ als Profiteur: Käufer und Interessenten im Spiegel der überlieferten Akten“ (S. 199-203) auf. Der sichtbare tägliche Andrang auf „jüdischen Hausrat“ galt auch den Häusern und Grundstücken jüdischer Eigentümer. Auch die Verwaltung und Verwertung jüdischen Eigentums hatte mit Blick auf die (Steuer)Eingänge eine entsprechend große Bedeutung für die NS-(Kriegs)Wirt-schaft. In Tausenden von „Bewerbungsschreiben“ um Liegenschaften und Hausrat, die bei der Finanzverwaltung eingingen, wird die antisemitische Grundhaltung der „Volksgenossen“ kenntlich.

Auf reichlich über 100 Seiten wird das Verwaltungshandeln der (Landes)Finanzämter im Spiegel der Aktenfunde nachvollziehbar. Spätestens seit 1935 existierten detaillierte Vorschläge zur „steuerlichen Schlechterstellung der Juden“ (S. 295). Dies wurde bis zum „Sonderausgabenabzug“ ‚durchgeregelt‘. Natürlich sind die Akten nicht vollständig erhalten geblieben. Belastendes Material ist in der Zeit bis kurz vor Kriegsende gezielt vernichtet worden. Zudem wurden durch Kriegseinwirkungen Akten unbrauchbar bzw. zerstört. Heute jedoch lagern „Steuer-“, „Liegenschafts-“, „Verwertungs-“ und „Rückerstattungsakten“ als wichtige Quellen in hessischen Staatsarchiven. Sie bedürfen einer weiteren kritischen Sichtung und Bearbeitung. Die „Nachgeborenen“ sollten sich dringend der (eigenen) Geschichte stellen, weil nur der zu Bewusstsein gekommene Antisemitismus tilgbar ist.

Mit der vorgestellten Materialsammlung ist aber auch intendiert „uns selbst und der Nachwelt durch Erschließung der Quellen die Möglichkeit (zu) erhalten, die Menschen zu würdigen, die sich den Nazis nicht angeschlossen haben, sondern Verfolgungen ausgesetzt waren und/oder Widerstand geleistet haben“. (S. 567)

Literatur

Die fiskalische Ausbeutung der Juden im Dritten Reich – Ein Beitrag zur Rolle der Finanzverwaltung 1933-1945 (von Gundi Mohr), Frankfurt/M. 1996 (erhältlich beim Institut für Stadtgeschichte, Karmelitergasse 5, 60311 Frankfurt am Main, Kostenbeitrag ca. 2,50 Euro plus Versandkosten)

Die Reichsfinanzverwaltung im Nationalsozialismus – Darstellung und Dokumente, Hrsg.: Martin Friedberger, Klaus-Dieter Gössel, Eberhard Schönknecht, Edition Temmen, Bremen 2002

Steuern im Dritten Reich – Vom Recht und Unrecht unter der Herrschaft des Nationalsozialismus, von Reimer Voß, C. H. Beck, München 1995

Legalisierter Raub – Die Ausplünderung der Juden im Nationalsozialismus durch die Reichsfinanzverwaltung in Hessen, Campus Verlag, Frankfurt/M. 2004