Erweiterte EU: Konflikte, Machtverhältnisse, Linke

Ein europäischer militärisch-industrieller Komplex?

Juni 2004

Vor dem Hintergrund der auf vielfältigen Ebenen aufbrechenden Widersprüche der neoliberalen Globalisierung sowie den US-amerikanischen neokonservativen Strategien dieser Krise zu begegnen, erhält die Frage nach einem europäischen militärisch-industriellen Komplex neue Brisanz. Seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes durchläuft die europäische Rüstungsindustrie einen tiefgreifenden Transformationsprozess bei dem die für den Fordismus typischen nationalen militärisch-industriellen Komplexe aufgebrochen und ent lang transnationaler Produktionsketten neu strukturiert werden. Gleichzeitig entdecken die neuen Rüstungsgiganten die europäische Ebene zunehmend als Möglichkeit der strategischen Einflussnahme. Der Strukturwandel der europäischen Rüstungsindustrie wird nur verständlich, wenn sie im widersprüchlichen Prozess und Projekt der Globalisierung unter neoliberaler Hegemonie seit den 80er Jahren und dem damit eng verwobenen diskontinuierlichen Wandel von Staatlichkeit betrachtet wird.

Militärischer Fordismus und europäische Integration

Die USA gingen aus dem zweiten Weltkrieg als die unbestritten dominante Macht hervor: Sie waren der Knotenpunkt internationaler Finanzströme, hatten aufgrund der produktivsten Fertigungs- und Organisationsmethoden den größten Anteil an der internationalen Wertschöpfung und ihre militärische Position war unangefochten. Die Europapolitik der Vereinigten Staaten war von einem doppelten Imperativ geprägt: Einerseits galt es, die amerikanische Vormachtstellung auf Dauer zu stellen und andererseits wurde der Ost-West-Konflikt und die Strategie des containment zur außenpolitischen Handlungsmaxime.

Das wesentliche Moment die amerikanische Vorherrschaft zu konsolidieren, war eine ökonomische Erholung (West-)europas durch die Internationalisierung des fordistischen Wachstumsmodells, bestehend aus Massenproduktion, Massenkonsum und Staatsinterventionismus. Das fordistische Akkumulationsregime (vgl. Aglietta 1979) eröffnete die Möglichkeit, über das gleichmäßige Ansteigen der Reallöhne und der Arbeitsproduktivität zu einer weitgehenden Neutralisierung des Verteilungskonfliktes zu gelangen. In der Rüstungsproduktion führte dies zur Fertigung von Rüstungsgütern in großen Serien durch die bis dato größten Rüstungsunternehmen.

Der militärisch-industrielle Komplex übernahm für das Wachstum innerhalb des fordistischen Akkumulationsregimes eine zentrale Rolle. Die Befürchtungen, dass ein massiver Rückgang der Rüstungsproduktion nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zur Rückkehr der Vorkriegsdepression führen würde, konnte durch den Übergang zu einer permanenten Rüstungswirtschaft teilweise zerstreut werden (vgl. Schmidt 2003, 549). Der militärisch-industrielle Komplex schuf die Möglichkeit, neue Produkte profitabel zu produzieren, in dem er für einen Mindestabsatz sorgte. Die permanente Rüstungswirtschaft stellte zudem einen Mechanismus dar, der der (fordistischen) Tendenz zur Bildung von Überkapazitäten entgegenwirkte (vgl. Kidron 1971, 57ff.; Baran/Sweezy 1967 175ff.). Drittens entwickelte sich ein typischer „spin-off“-Effekt von Innovationen aus dem Rüstungssektor in zivile Bereiche, die zu Produktivitätszuwächsen und der Entstehung neuer Konsumgütermärkte beitrugen.

Die Verbindung aus der Verallgemeinerung des fordistischen Wachstumsmodells und der Übergang zur permanenten Rüstungsproduktion im Rahmen des Kalten Krieges verstärkten sich so wechselseitig und fanden ihren Ausdruck in der amerikanischen Europastrategie. So zielte das European Recovery Programm (Marshall Plan) auf die Wiederherstellung der rüstungsindustriellen Basis in Europa, indem ein Großteil der US-amerikanischen Gelder in Infrastruktur und Industrien mit militärischer Bedeutung flossen. Genauso waren die ersten Schritte der Integration – wie die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) – explizit von verteidigungspolitischen Überlegungen geleitet.

Die (wieder-)entstehende europäische Rüstungsindustrie nahm allerdings nicht die Form eines integrierten europäischen Komplexes an (wie die USA gehofft hatten), sondern entwickelte sich zu nationalen Konfigurationen – häufig in Staatsbesitz – und war auf den nationalen Bedarf ausgerichtet. Dabei waren die Rüstungskomplexe Frankreichs, Großbritanniens und der BRD schon sehr früh in der Lage, die gesamte Bandbreite an modernen Rüstungsgütern herzustellen (mit der wichtigen Ausnahme einiger technologisch äußerst anspruchsvoller Systeme wie Nuklearwaffen und Raketen; in diesen Bereichen blieben sie abhängig von den USA).

Im Kern der militärisch-industriellen Komplexe des Kalten Krieges befanden sich die meisten der großen nationalen Rüstungsfirmen der dreißiger Jahre und des zweiten Weltkrieges wie etwa Daimler Benz, British Aerospace oder Aero­spatiale. Hinzu traten einige neuere private Konzerne – speziell aus den Sektoren Elektronik und Luftfahrt – wie z.B. Dassault, Matra oder English Electric-GEC.

Die sicherheitspolitische Einbindung in das amerikanische „Protektoratssystem“ (vgl. Peter Gowan 2002) und damit die Kanalisierung der Rüstungskapazitäten (West-)Europas geschah in den 50er Jahren durch ein Setting von Sicherheitsallianzen zwischen den USA und verschiedenen Staaten. Dabei übernahmen die USA im wesentlichen die Verantwortung für die äußere (und manchmal die innere) Sicherheit. Dieses Protektoratssystem war durch eine Achse-Speiche-Beziehung (hub-and-spokes) zwischen den europäischen NATO-Staaten und den USA gekennzeichnet. Dabei nahm dieses System nie die Form eines formellen Imperiums an (im Unterschied z.B. zu dem britischen Empire). Die nationale Autonomie der Speichenstaaten blieb im Sinne von „Souveränität“ gewahrt. Die Sicherheitsstruktur hatte so einen informellen Charakter, auch wenn sie in der NATO institutionalisiert wurde. Die amerikanische militärisch-politische Vorherrschaft konnte sich auf eine breite Zustimmung innerhalb der einzelnen Nationalstaaten stützen, boten die USA doch den Schlüsselstaaten große Vorteile: Deutschland und Japan z.B. erhielten enorme wirtschaftliche Hilfen und so die Chance, zu „regionalen Achsen“ zu avancieren oder Italien und Frankreich starke Unterstützung in der Auseinandersetzung mit der internen kommunistischen Opposition, sowie speziell Frankreich die Möglichkeit, die führende Rolle bei der europäischen Integration zu spielen um so der verbreiteten Angst vor einem wieder erstarkenden Deutschland zu begegnen. Dieses informelle Empire zeichnete sich also durch einen „Imperialismus per Einladung“ aus (vgl. Panitch/Gindin 2003, 13).

Die frühe Phase der europäischen Integration war somit durch die Organisation des Westens als US-hegemonialer Block überdeterminiert. Im Prozess der Integration überwogen die Maßnahmen zur Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes (negative Integration). Die einsetzende Inter- und Transnationalisierung der Produktion ließ die Rüstungskomplexe weitgehend unberührt. Sie blieben mit dem Artikel 223 des Vertrags von Rom von der Wirtschaftsintegration ausgenommen, somit auf den nationalstaatlichen Rahmen beschränkt und streng reguliert: Die Beziehung zwischen dem „fordistischen Sicherheitsstaat“ (vgl. Hirsch 1998) und seiner Rüstungsindustrie war geprägt von einem umfassenden Kontrollsystem und von Staatseingriffen in die Waffenproduktion (vgl. Senghaas 1972, 146 ff.). Bis in die achtziger Jahre war die europäische Rüstungslandschaft von einer sinkenden Anzahl großer Unternehmen dominiert. Deutschland, Frankreich und Großbritannien produzierten etwa 90 Prozent ihres Bedarfs an militärischem Equipment innerhalb der eigenen Grenzen.

Neoliberale Globalisierung und die Transformation von Staatlichkeit

Schon Ende der sechziger Jahre begann das fordistische Akkumulationsregime unter dem Druck verringerter Produktivitätszuwächse, intensivierten Verteilungskonflikten zwischen Kapital und Arbeit und einem Sinken der Profitrate bei gleichzeitig steigender organischer Zusammensetzung des Kapitals zu erodieren. In der Krise des Fordismus verdichteten sich die Interessen der neoliberal gewendeten Regierungen und des mächtiger gewordenen multinationalen Kapitals zu einer Strategie, die sich unter den spezifischen Kräfteverhältnissen – transnationalisierte Fraktionen des globalen Kapitals gewinnen zunehmend an Definitionsmacht über national gebundene Kapitalfraktionen – schließlich durchsetzen konnte. Sie zielte auf die Reorganisation der Verwertungsbedingungen des Kapitals und führte schließlich zu einer nachhaltigen Erhöhung der Profitrate. „Das wesentliche Charakteristikum des neuen Akkumulationsregimes (…) ist die Durchsetzung einer neuen Form der Internationalisierung der Produktion, die durch die Liberalisierung der Waren-, Finanz- und Kapitalmärkte sowie durch neue Kommunikations- und Transporttechnologien ermöglicht wurde.“ (Hirsch 2002, 100) Die Transnationalisierung der Produktion unter verschärfter Konkurrenz auf dem Weltmarkt schreitet zusammen mit globalen Konzentrations- und Zentralisierungsprozessen voran. Alte und für den Fordismus charakteristische nationale Oligopole werden aufgebrochen, neue globale Oligopole treten an ihre Stelle. Dabei ist die aus der Befreiung und Globalisierung der Finanzmärkte erwachsene zunehmende Orientierung auf ein shareholder value nicht nur im Interesse der institutionellen Anleger, sondern funktional für die industriellen Kapitalgesellschaften die ihre Aktien als Akquisitionswährung in den Übernahmeschlachten einsetzen.

Im Zuge der neoliberalen Globalisierung wird der fordistische „Sicherheitsstaat“ in den „nationalen Wettbewerbsstaat“ transformiert (vgl. Hirsch 2002). Dabei konzentriert sich staatliche Politik zunehmend auf die Schaffung günstiger Verwertungsbedingungen für ein global flexibel agierendes Kapital. An die Stelle des Staatsmanagements in den nationalen Rüstungskomplexen tritt die Förderung von „centers of excellence“, die in der Lage sein sollen, im globalen Wettbewerb erfolgreich zu konkurrieren. Vor dem Hintergrund abnehmender Finanzierungsmöglichkeiten der Nationalstaaten wird der Modus staatlicher Regulierung auf ein angebotsorientiertes Modell umgestellt, dass generell eher mikroökonomischen Überlegungen folgt. Damit einher geht die Befreiung der Rüstungskonzerne aus den engen Vorgaben der jeweiligen Regierungen bei der Entwicklung neuer Produkte und der Etablierung von Kooperationen und Allianzen zwischen verschiedenen Rüstungskonzernen. „As a director in one leading European defence company put it, ‚industry isn’t waiting for these things ... the restructuring of the defence industry will be determined by/led by the industry itself rather than the politicians’.” (Lovering 1998; 219)

Die Restrukturierungsstrategien der Rüstungsindustrie werden durch tiefgreifende Umwälzungen in den äußeren Bedingungen geleitet und dynamisiert. Die wichtigsten sind erstens die militärtechnologische Revolution (Revolution in Military Affairs), zweitens das Ende des Ost-West Konflikts und die schrumpfenden Rüstungshaushalte der westlichen Staaten, drittens die „amerikanische Herausforderung“ durch die umfassenden Restrukturierungen des amerikanischen Rüstungssektors und viertens die Vormachtstellung neoliberaler Wirtschaftsstrategien.

Die militärtechnologische Revolution

Die Einführung elektronischer Systeme und die Dynamik in der Entwicklung von Mikroelektronik führen zusammen mit der durch die modernen Kommunikationstechnologien ermöglichten neuartigen Organisationsform der Streitkräfte zu einer „Revolution in Military Affairs“ (RMA) (vgl. Müller/Schör­ning 2001, 8ff.). Durch den Einsatz der neuen Technologien sollen bereits vorhandene Waffensysteme effizienter und ökonomischer zusammengebunden werden, um „neue Qualitäten“ in der Kriegsführung zu erreichen. Dieser Anspruch kommt in der gestiegenen Bedeutung von übergreifenden Konzepten (umbrella concepts), die die existierenden Informations- und Waffentechnologien systemisch zusammenfassen, zum Ausdruck:

„This US concept [RMA d. Verf.] envisages the integration of new intelli­gence, surveillance and reconnaissance (ISR) and command, control, commu­nications and computing systems (C4), and long-range precision weapons, into a single ‘system of systems’ that gives complete dominance of the battlefield. The key RMA technologies are digitisation, data processing and global posi­tioning. Consequently, space and cyberspace are becoming dimensions in the conduct of war in the same way as land, sea and air” (Schmitt 2000: 8, vgl. auch Grant 1998).

Diese militärtechnologischen Umwälzungen führen zu einer prinzipiellen Aufwertung elektronischer Waffenkomponenten. Sie werden von einem Bauteil auf einer Waffenplattform (etwa einem Panzer oder Flugzeug) zu einem unverzichtbaren Element einer Waffe, neben dem die Waffenträger und andere mechanische Elemente in der Funktion wie im Wert zu nebensächlichen Komponenten abgewertet werden.

Ein entscheidendes Charakteristikum der neuen Technologien ist ihre kommerzielle Herkunft: So lässt sich im Schlüsselbereich des „digital warfare“ ein Technologietransfer vom zivilen zum militärischen Sektor beobachten und somit eine Umkehrung des vormals typischen „spin-off“ Paradigmas (vgl. Larcher 1998). Unternehmen aus den „klassischen“ Bereichen der Rüstung sind zunehmend gezwungen auf Technologien zurückgreifen, die sie selber nicht produzieren. In gleichem Maße wird es schwieriger, eine Trennungslinie zwischen ziviler und militärischer Produktion zu ziehen. In dem Maße, indem der zivile Markt durch den Rückgang der Rüstungshaushalte für Rüstungsfirmen aufgewertet wird, werden „dual use“ Güter[1][1] wichtiger. Daraus ergibt sich eine Verschiebung in der Struktur des Rüstungskomplexes. Der Fahrzeugbau als Leitsektor der fordistischen Rüstungsindustrie erleidet einen relativen Abstieg, während mit dem Aufstieg der Militärelektronik und der Systemintegration zu den profitabelsten Bereichen der Rüstungsindustrie Bereiche aus der Peripherie der traditionellen Rüstungswirtschaft zum neuen Zentrum der Rüstungsindustrie werden. Insbesondere der Luft- und Raumfahrtsektor bildet nun das Herz des postfordistischen Rüstungskomplexes.

Das Ende des Ost/West-Konflikts

Das Ende des Kalten Krieges und der daraus resultierende Zusammenbruch des weltpolitischen Handlungsrahmens war der Katalysator für das Aufbrechen der nationalen Rüstungskomplexe. Mit dem beispiellosen Aufrüstungsprogramm der Reaganadministration (Star Wars) erreichten die weltweiten Rüstungsausgaben 1987 ihren bisher historischen Höchststand von etwa 1.000 Milliarden US-Dollar, wobei 80 Prozent der Gelder auf die beiden Paktorganisationen entfielen (45 Prozent auf die NATO und 35 Prozent auf den Warschauer Pakt) (vgl. Schméder 1998, 11ff.). Ab 1990 begann dann eine kontinuierliche Abnahme der weltweiten Rüstungsausgaben um ab 2001 wieder anzusteigen (vgl. Tabelle 1). Aufgrund des Rückgangs der Beschaffungsausgaben auf den größten Rüstungsmärkten der Welt, orientieren sich die großen Rüstungsfirmen zunehmend auf die Exportmärkte um. Europäische Rüstungskonzerne sehen sich auf diesen –meist in der Peripherie, wie in Südostasien oder Nordafrika, gelegenen – mit starker Billigkonkurrenz, vor allem aus Russland auf der einen Seite und mit radikal restrukturierten US-amerikanischen Rüstungskonzernen auf der anderen konfrontiert. So entfaltet dieser Konkurrenzdruck bei gleichzeitigen Kürzungen der Rüstungshaushalte in den Kernstaaten starke Anreize für eine verstärkte Konzentration und Rationalisierung in der Rüstungsindustrie.

Tabelle 1: Anteil an den weltweiten Rüstungsausgaben 2002 in Prozent; Rüstungsausgaben 1987, 1993, 1999, 2001 in Prozent des BIP

Tabelle siehe Datei zum Download!

Quelle: SIPRI Yearbook 2003, SIPRI Yearbook 1995

Dabei hatte die Aufrüstung immer einen qualitativen und einen quantitativen Aspekt. Unter den Bedingungen der Revolution in Military Affairs kommt es zu einem Auseinanderdriften dieser beiden Aspekte: Während die für den Kalten Krieg typische massenhafte Produktion von Vernichtungsgütern in einem Abstieg begriffen ist, hält die qualitative Aufrüstung unvermindert an. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung wurden kaum abgesenkt und erreichten z.B. in den USA schon vor dem Aufrüstungsbeschluss der Bushadministration 2002 47,5 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der weltweiten Rüstungsausgaben 1987 lagen diese in den USA bei 52,4 Milliarden Dollar (vgl. Serfati 2004, 32).

Die „amerikanische Herausforderung“

In den USA führten die angegebenen Tendenzen schon zwischen 1993 und 1997 zu einer enormen Konzentrationswelle, die Rüstungsgiganten mit einem Umsatz produzierte, der den der europäischen „nationalen Champions“ mehrfach übertraf. Diese Rüstungsfirmen orientierten sich mit breiter politischer Unterstützung zunehmend auf den Weltmarkt. Dabei machten die Rüstungsfirmen keinen Hehl aus ihrer Zielsetzung, die Präsenz auf den europäischen Märkten zu erhöhen. In den wichtigsten europäischen Märkten ist dies nur möglich über Verbindungen mit lokalen Unternehmen, etwa durch Übernahmen. Die beachtliche Größendifferenz zwischen den US-amerikanischen Konzernen und den europäischen „Champions“ machte letztere somit zu einem (lohnenden) Ziel für die Expansionspläne amerikanischer Konzerne und erhöhte den Druck auf die europäische Industrie in ein ‚Rennen um die kritische Masse’ einzutreten. Schmitt (2000, 25) zitiert aus der Cahier d’Etudes strategiques 23: „The tremendous restructuring of the defence industry, the new importance of exports for american firms, the increased pugnancity of these groups on international markets and the clear intention of the Administration to use arms sales as a way of perserving and developing its technological lead mean that we are now witnessing a new type of arms race between the US and European defence industries ... “

Neoliberale Wirtschaftsstrategien

Mit dem Wegfall der ideologischen Klammer die die Rüstungskomplexe noch als „die letzte große Bastion der Ära des Fordismus“ (Albrecht 2002, 266) bewahrten, wurden auch in diesem Bereich neoliberale Wirtschaftsstrategien hegemonial. „This reorientation of social and economic philosophy – rather than changes in the security environment, defence strategies and equipment requirements – is the driving force behind the new volatility in the European defence industry“ (Lovering 1998, 228). Auf der einen Seite wurde im Prozess der europäischen Integration die Dominanz einer auf Preisstabilität verengten Wirtschaftspolitik – vor allem über den Stabilitätspakt – festgeschrieben. Auf der anderen Seite führt die gestiegene Bedeutung der Finanzmärkte für industrielle Restrukturierungen – durch Übernahmen etc. – auch in den Konzernetagen der Rüstungsgiganten zu einer Abkehr von den Bedarfsplanungen „ihres“ Nationalstaates hin zu einer shareholder value Orientierung. Um im internationalen Konkurrenzkampf um neue Märkte zu bestehen, ist der (steigende) Börsenwert von zentraler Bedeutung. Aus der Sicht der Konzernleitungen ist es somit unumgänglich, dass der Staat sich aus der Planung neuer Kooperationsbeziehungen und der Entwicklung neuer Produkte zurückzieht. An die Stelle des „Staatsmanagements“ und damit des nationalen Bedarfs als zentraler Entscheidungsinstanz tritt nun ungeschminkt das Profitkriterium und damit die Aufwertung der Konzernleitungen im Prozess der Restrukturierung. Im Ergebnis sind heute alle großen Luftfahrt- und Elektronikkonzerne privatisiert und an der Börse notiert. Ihre konkurrenzgetriebenen Restrukturierungsstrategien sind es, die die Konfiguration des europäischen militärisch-industri­ellen Komplexes maßgeblich bestimmen.

Der Druck sinkender Rüstungsausgaben und die steigende Durchdringung (penetration) der heimischen Märkte vor allem durch eine radikal reorganisierte US-amerikanische Rüstungsindustrie,[2][2] führen zu Konsolidierungsversuchen der europäischen Rüstungsanbieter durch Konzentration, einer Neudefinition von Kernbereichen, Rationalisierung und Internationalisierung.

Abhängig von Land und Sektor setzten in der EU am Ende der achtziger Jahre nationale Konzentrationsprozesse ein. Im Bereich der Luft- und Raumfahrt entstand in der BRD schon Anfang der neunziger Jahre der „nationale Champion“ Dasa, während die nationale Konzentration im Bereich der Landsysteme erst 1999 zu einem aus Rheinmetall und Krauss-Maffei bestehenden Duopol führte. In Frankreich war dagegen die Land- und Seerüstung seit jeher bei GIAT und DCN konzentriert, während im Elektroniksektor erst 1998 mit der Fusion von Aerospatiale und Matra und der Privatisierung von Thomson-CSF von einem Ende des nationalen Konzentrationsprozesses gesprochen werden kann.

Bei der Neudefinition der Aktivitäten im Rüstungssektor lassen sich sehr unterschiedliche Strategien feststellen: Einige Akteure sind aus dem Wettbewerb ausgeschieden, andere festigen ihre Präsens durch Zukäufe. Bei den verbleibenden Akteuren lässt sich eine zweifache Veränderung festmachen: Einerseits der Übergang von Plattformherstellern zu Systemintegrateuren und andererseits der Übergang von Systemherstellern zu Dienstleistungsanbietern, die den Nachfragerückgang durch die Übernahme privatisierter vormaliger Armeeaufgaben besonders in den Feldern Logistik und Instandhaltung (teilweise) kompensieren.

In dem Prozess der verstärkten Konzentration lässt sich eine Integration von vormals getrennten Produktionsschritten feststellen, die mit einem Abbau von Überkapazitäten und einer Erhöhung der Profitrate einhergehen.

Erst in den letzten Jahren lässt sich von einer wirklichen Internationalisierung der Produktion sprechen. Die steigende Exportorientierung der Rüstungsgiganten führt zu einer Durchdringung lokaler Märkte durch Aufkäufe lokaler Firmen. Da es selbst unter den Bedingungen des Kalten Krieges nicht zu der Herstellung von Interoparabilität des Rüstungsarsenals der NATO gekommen war, ist hier eine wirkliche Neuerung zu sehen.

Internationalisierung der Produktion

Obwohl in fast allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Rüstungsindustrie existiert, ist eine Konstante der Entwicklung, dass sich die Produktion von Großwaffen in steigendem Maße in den Zentrumsstaaten der Union konzentriert. So wie die Restrukturierung der Rüstungssektoren global zu einer drastischen Verringerung von Rüstungsanbietern geführt hat, konzentriert sich die Produktion von modernen Produkten in zentralen Rüstungskategorien auf die USA, Japan, Russland und China sowie die europäischen Staaten. Versuche in der Peripherie, eine autarke Rüstungsproduktion zu installieren und so eventuell auch Weltmarktanteile zu erringen, können als gescheitert betrachtet werden. Staaten, die in der zweiten Reihe der globalen Rüstungsproduktion stehen, sind in bisher stärkstem Maße abhängig von kritischen Technologien und Komponenten, die in den Zentren der globalen Rüstungsindustrie produziert werden. Im Zuge einer transnationalisierten Rüstungsproduktion werden die Industrien entlang einer „feudalen“ Interaktionsstruktur oder Achse-Speichen-Beziehung in die transnationalen Wertschöpfungsketten eingebunden oder spezialisieren sich auf Nischen (vgl. dazu Bitzinger 2003).

Während in den Bereichen der Land- und Seerüstung die nationalen Konsolidierungsprozesse noch nicht abgeschlossen sind, übernehmen die Luft- und Raumfahrtkonzerne die Führungsrolle in der Internationalisierung der Rüstungsproduktion. Da die militärische Produktion innerhalb dieses strategischen Leitsektors des postfordistischen Rüstungskomplexes besonders kostenintensiv (vor allem aufgrund der enormen Forschungs- und Entwicklungskosten) ist, existiert in diesem Bereich eine lange Kooperationserfahrung. Einerseits schien bis etwa 1998 diese Kooperation dazu zu dienen, nationale Kapazitäten aufzubauen, die nicht als Bausteine für eine transnationale Integration der Rüstungsproduktion genutzt wurden (vgl. Albrecht 2002, 277), andererseits entstanden in den neunziger Jahren verschiedene Joint Ventures, wie z.B. Eurocopter (1991), als eigenständige Unternehmen und somit Strukturen, die als Basis für eine Fusion/Integration genutzt werden können. Damit eröffnet sich für die Mutterkonzerne auch die Möglichkeit das Prinzip des ‚juste retour’[3][3] bei europäischen Rüstungsprojekten zu unterlaufen.

Die „amerikanische Herausforderung“ stärkte nicht nur innerhalb der Führungsetagen der Rüstungskonzerne die Überzeugung, dass eine Notwendigkeit zur Konsolidierung des europäischen Luft- und Raumfahrtsektor besteht. In diesem Punkt bestand ein breiter Konsens zwischen den europäischen Regierungen und den Rüstungsfirmen. So forderten die Regierungen der BRD, Englands und Frankreichs am 9. Dezember 1997 in einer trilateralen Erklärung ihre nationalen Champions dazu auf, bis zum 31. März 1998 ein klares Konzept und einen detaillierten Zeitplan für eine industrielle Restrukturierung und Integration zu unterbreiten. Das Ergebnis war für die Regierungen eher enttäuschend: Die Airbuspartner Aerospatiale (Frankreich), BAe (England), CASA (Spanien) und Dasa (Deutschland)) einigten sich am 27. März 1998 lediglich auf eine Rahmenkonstruktion: die European Aerospace and Defence Company (EADC) in der wichtige europäische Konzerne nicht vertreten waren, wie z.B. Finmeccanica (Italien) oder Saab (Schweden). Diese sechs Konzerne fanden sich später noch zu weiteren Diskussionen zusammen, letztlich scheiterten aber die Gespräche (nicht zuletzt an den „hidden agendas“ von BAe und Dasa). Damit war der europäische „große Wurf“, den die entsprechenden Regierungen (und die europäische Kommission) gefordert hatten, außer Reichweite. Nichts desto trotz blieb der Konsolidierungsdruck bestehen.

In Frankreich wurde unter dem Druck speziell von Dasa die nationale Konsolidierung vorangetrieben. Dies hieß vor allem die Privatisierung und Restrukturierung von Aerospatiale. Schließlich, nach der Fusion von Aerospatiale mit Matra, wurde der neue Luftfahrtkonzern privatisiert und im Juni 1999 an der Börse notiert.

In Großbritannien übernahm BAe seinen Konkurrenten Marconi (entgegen der Präferenzen der britischen Regierung, die eine Fusion von Marconi und dem französischen Rüstungskonzern Thomson-CSF bevorzugte). Damit erreichte der britische Rüstungskonzern einen direkten Zugang zum US-ameri­kanischen Markt. Unter dem neuen Namen BAe Systems ist der Konzern nun einer der größten Rüstungslieferanten für das Pentagon mit einem größeren Umsatz in den Vereinigten Staaten als in Großbritannien. Damit ist BAe Systems der führende amerikanische Konzern in Europa und umgekehrt der führende europäische Konzern in den USA.

In Spanien privatisierte die Regierung CASA, den kleinsten der sechs führenden europäischen Rüstungskonzerne und entsprach so den Forderungen von Dasa, dem aussichtsreichsten Bieter, nach einem Rückzug des Staates aus den Konzernangelegenheiten.

Etwa zur gleichen Zeit verhandelten Dasa und der inzwischen privatisierte Konzern Aerospatiale über eine Fusion. In weniger als vier Monaten wurde man sich einig und so wurde am vierten Oktober die Gründung des ersten transnationalen europäischen Rüstungskonzerns EADS bekannt gegeben. Am zweiten Dezember wurde dann schließlich auch CASA in den neuen Rüstungsgiganten integriert.

In weniger als zwei Jahren hatte sich die rüstungsindustrielle Landschaft grundlegend verändert. In Europa wird der Luft- und Raumfahrtsektor nun von einem Duopol aus dem Drittgrößten (BAe-Systems) und siebtgrößten (EADS) Rüstungskonzern der Welt beherrscht. EADS und BAe Systems sind über eine ganze Reihe von joint ventures miteinander verbunden: So etwa bei ziviler Flugzeugproduktion (durch Airbus), in der Raketenproduktion (durch MBD), in der Raumfahrt (durch Astrium) und bei Kampfflugzeugen (durch Eurofighter). Im Ergebnis sind diese beiden Konzerne strukturell mit dem Erfolg bzw. Misserfolg des jeweils anderen verknüpft. Die verbleibenden großen nationalen Konzerne gruppieren sich um diese beiden Giganten: Dassault Aviation ist zwar formal unabhängig, aber de facto ein Satellit von EADS. EADS ist zwar ein normaler Aktionär des Unternehmens, aber gleichzeitig in der Lage 2/3 Mehrheiten bei Konzernentscheidungen zu verhindern. Der Kontrolleur des größten Teils der italienischen Rüstungsindustrie, Finmeccanica, wurde 2000 privatisiert. Auf der Ebene von Tochterfirmen ist der Konzern über Rüstungselektronik (AMS), Raketen (MBD), Satelliten (Astrium) u.a. in den europäischen Rüstungskomplex integriert. Saab ist über den Verkauf von Rechten an der Produktion des Kampfflugzeuges Gripen mit BAe Systems verbunden. Der europäische Spitzenreiter im Bereich der Verteidigungselektronik Thomson-CSF (seit Dezember 2000: Thales) ist ausgesprochen widersprüchlich in den europäischen Komplex eingebunden: Er ist Partner (von EADS bei TDA und Eurosam, von BAe Systems bei Thomson Marconi Solar), wichtiger Zulieferer (Eurocopter, Airbus und Dassault) als auch Konkurrent (z.B. in der Raketenentwicklung).

Die gestiegene Bedeutung der europäischen Ebene

Im Zuge der postfordistischen Restrukturierung der europäischen Rüstungskomplexe bilden sich auch auf europäischer Ebene neue Foren der Einflussnahme aus. Durch den Konzentrationsprozess im Bereich der Luft- und Raumfahrtindustrie haben sich hier Akteure herausgebildet, die sich für die Kommission zu relevanten Gesprächspartnern entwickelt haben. Der erste erfolgreiche Versuch der führenden Vertreter der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie besteht in der Idee einer gemeinsam mit der Kommission gegründeten European Advisory Group on Aerospace, STAR 21. Das Ziel dieser Gruppe soll es sein, Grundzüge einer europäischen Industriepolitik für diesen Sektor zu erarbeiten, die wiederum als Basis für weitere Initiativen dienen soll.

Die Kommission nahm dieses Gesprächsangebot gerne an. Hier bot sich nicht zuletzt die Möglichkeit in einem Prozess, der bisher im Wesentlichen von den Nationalstaaten bestimmt wurde, mehr Einfluss zu erlangen (vgl. Jünemann/Schörning 2002: 33; 37). Bemerkenswert ist, dass STAR 21 nicht von der bereits 1976 gegründeten Lobbying-Gruppe European Defence Industries Group (EDIG) ausging, sondern direkt von einer Gruppe der größten europäischen Rüstungskonzerne initiiert wurde. In gewisser Weise reflektiert sich hier die postfordistische Restrukturierung des militärisch-industriellen Komplexes. Die neuartige Binnenstruktur der Rüstungsindustrie findet auch auf der politischen Ebene ihre ersten Ausprägungen. Es dürfte kein Zufall sein, dass die Versuche der traditionellen Rüstungslobby, auf die Debatte um die Europäische Sicherheit- und Verteidigungsindustrie Einfluss zu nehmen, von geringem Erfolg geprägt waren, wohingegen eine Initiative der europäischen Rüstungsgiganten auf europäischer Ebene gelingt.

Von den Gesprächen zwischen fünf Vertretern der Kommission, sieben bedeutenden Firmenchefs der Luft- und Raumfahrtindustrie und nur zwei Mitgliedern des Europäischen Parlaments, die darüber hinaus nicht vom Parlament beauftragt waren, war die Öffentlichkeit somit weitestgehend ausgeschlossen. Der fragliche Report wurde Mitte Juli 2002 veröffentlicht. Das Papier beschäftigt sich dabei in erster Linie damit, die Bedeutung des Luft- und Raumfahrtsektors für Europa herauszustellen. Die zwei zentralen Argumente im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sind bekannt: Zum einen müssten die Europäer gewissermaßen im Gleichschritt mit den USA moderne Waffensysteme entwickeln, ansonsten drohe: „a real risk that Europe’s ability to act will be determined by the US through its dominance over supply of certain types of equipment, or support to systems already delivered“ (Europäische Kommission 2002). Zum anderen führe kein Weg an einer drastischen Erhöhung der Rüstungshaushalte vorbei. Diese Erhöhung wird schließlich auch in dem Verfassungsentwurf des europäischen Konvents festgeschrieben: „Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ (in der Fassung vom 20.08. 2003: Artikel I-40, Absatz 3 / vgl. für eine Bewertung Pflüger 2003)

Gleichzeitig bilden sich neue Planungsgruppen, in denen sich die Elite der europäischen Rüstungsindustrie mit europäischen Politikern und Angehörigen der entsprechenden Think Tanks über die Gestaltung der europäischen Rüstungspolitik verständigt. So wurde im Frühjahr 2002 die ‚New Defence Agenda’ (NDA) gegründet. Als Schirmherren fungieren Javier Solana (‚Mr. GASP’) und Chris Patten. Die Liste der Unterstützer und Teilnehmer liest sich wie das who-is-who der europäischen Rüstungsindustrie: EADS, BAe Systems, Thales, Finmeccanica, Dassault Aviation usw. Der Initiator Giles Merrit schreibt dazu Ende 2003: „It is less than 18 months since the New Defence Agenda (NDA) launched its monthly roundtables, and in that short time it has created for itself a role as the only regular forum in Brussels where the different worlds of NATO and the EU, industry and think tanks, academia, politics and the media gather to discuss the future course of European and transatlantic defence policies” (Merritt 2003, 3). In welchem Maße die Interessenformierung in diesem Forum Einfluss auf konkrete europäische Projekte entfalten kann, ist noch unklar. Er sollte vor dem Hintergrund der Herausbildung einer „Militärmacht Europa“ (Neuber 2003) jedoch nicht unterschätzt werden.

Zusammenfassung

Die militärtechnologische Revolution, das Ende des Ost-West-Konfliktes, die „amerikanische Herausforderung“ und vor .allem die Vormachtstellung neoliberaler Wirtschaftsstrategien hat zu einem weitreichenden Wandel in den europäischen militärisch-industriellen Komplexen geführt. Der fordistische Leitsektor – Fahrzeugbau – wird unwichtiger, an seiner Stelle werden die Luft- und Raumfahrtindustrie sowie die Bereiche Militärelektronik und Systemintegration zum neuen ‚strategischen Herz’ postfordistischer Rüstungsproduktion. Durch die Transformation des Staates wird das fordistische Paradigma des Staatsmanagements der Rüstungskomplexe durch Privatisierung und eine Strategie der wettberbsorientierten Förderung von „centers of excellence“ ersetzt. Damit nehmen die (privaten) Rüstungskonzerne die zentrale Position im Restrukturierungsprozess der europäischen Rüstungsindustrie ein. Entlang der neuen Binnenstruktur des militärisch-industriellen Komplexes ist festzustellen, dass einerseits Land- und Seerüstung weitgehend im nationalen Rahmen verbleiben und hier „klassische“ Formen der Staat–Industriebeziehungen fortdauern, während im neuen strategischen Leitsektor der Luft- und Raumfahrtindustrie starke Internationalisierungsprozesse zu beobachten sind. Dabei gewinnen die transnationalisierten Bereiche der Rüstungsproduktion zunehmend an Definitionsmacht über nationale Fraktionen der Rüstungsindustrie. Die Restrukturierungen in der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie haben zu einem Duopol aus zwei „global players“ (EADS und BAe-Systems) geführt. Diese Rüstungsgiganten entdecken in der europäischen Ebene zunehmend die Möglichkeit strategischer Einflussnahme. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus sinnvoll den Begriff ‚europäischer militärisch-industrieller Komplex’ zu verwenden.

Literatur:

Aglietta, Michel (1979): A Theory of Capitalist Regulation: The U.S. Experience (London).

Albrecht, Ulrich (2002): Der militärisch-industrielle Komplex im Postfordismus und in der Globalisierung; in: Rüdiger Voigt (Hrsg.): Krieg – Instrument der Politik? Bewaffnete Konflikte im Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert (Baden-Baden).

Baran, Paul A./Sweezy, Paul M. (1967): Monopolkapital. Ein Essay über die amerikanische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung (Frankfurt).

Bitzinger, Richard A. (2003): Towards a Brave New Arms Industry? (Oxford).

Europäische Kommission (2002): STAR 21. Strategic Aerospace Review fort the 21st Century; abgedruckt in: Schmitt, Burkhard (2003) (Hrsg.): European armaments cooperation. Core documents (Paris), S.130-162.

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Hirsch, Joachim (2002): Herrschaft, Hegemonie und politische Alternativen (Hamburg).

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[1][4] ‚Dual use’ bezeichnet die sowohl militärische als auch zivile Verwendbarkeit verschiedener Technologien.

[2][5] In den USA hatte schon Ende der achtziger Jahre ein politisch geförderter umfangreicher Konsolidierungs- und Konzentrationsprozess eingesetzt.

[3][6] Juste retour bezeichnet eine Praxis bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen, nachdem die Industrie jedes teilnehmenden Staates in dem Maße an der Produktion partizipiert, die dem Anteil der Finanzierung durch den jeweiligen Staat entspricht.

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