TTIP und Freihandelsideologie

Ein atlantisches Klassenprojekt

Das EU-USA-Freihandelsabkommen (TTIP)

von Guido Speckmann
Juni 2014

Das Versprechen – und damit die Legitimation in der Öffentlichkeit – ist immer ähnlich: Liberalisierungsvorstöße in Gestalt von Freihandelsabkommen sollen Wachstum schaffen. Und somit Jobs und Einkommen. So lauteten die Begründungen für den europäischen Binnenmarkt, für die Einführung einer gemeinsamen Währung in Europa oder zur Schaffung des Nordatlantischen Freihandelsabkommens (NAFTA) zwischen den USA, Kanada und Mexiko. Allerdings: Die tatsächlichen Entwicklungen sehen in der Regel anders aus – und die Verheißungen der Politiker und Wirtschaftsführer entpuppten sich nicht selten als geschickte Deklarierung von Partikular- als Allgemeininteressen.[1]

Auch derzeit sind vergleichbare Argumente zu hören, wenn es um die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union geht. Zudem wird die Hoffnung geäußert, dass sie helfen könnte, die Folgen der Wirtschaftskrise von 2008/09 zu überwinden. Seit dem Juli vergangenen Jahres wird über TTIP verhandelt, bekannt auch unter dem Namen Transatlantisches Freihandelsabkommen (TAFTA). Werbewirksam werden von EU-Seite die Ergebnisse einer Studie ins Feld der Meinungsschlacht geführt, die eine Zunahme des europäischen Bruttoinlandsprodukts um 0,5 bis 1 Prozent prognostizieren. Dieser abstrakte makroökonomische Wert wird auf eine Zahl heruntergebrochen, die jeder EU-Bürger auf seine konkrete Lebenssituation beziehen kann. Mit einem jährlichen Plus von 545 Euro könne demnach ein Vierpersonenhaushalt rechnen. Und die wirtschaftsnahe Bertelsmann-Stiftung rechnet vor, dass die Beschäftigung in Deutschland bei durchschnittlicher Liberalisierung um 181.000 Jobs zunehmen könne. In den USA könnten es sogar eine Million neue Stellen sein.[2] Auf den zweifelhaften Wert dieser Untersuchungen wird zurückzukommen sein.

Doch nicht das vermeintliche Versprechen von mehr Jobs und Wachstum steht derzeit im Zentrum der immer lauter werdenden Kritik an den TTIP-Verhandlungen. Sondern die Furcht vor der Aufweichung von sozialen und ökologischen Standards in Europa. Symbolisch hierfür stehen Chlorhühnchen, genmanipuliertes Essen und Hormonfleisch. All dies werde, so die Befürchtung der Kritiker, mit dem Freihandelsabkommen von den USA aus nach Europa exportiert werden können. Auch die Einführung von Investor-Staat-Klagerechten sowie das Verhandeln hinter verschlossenen Türen erregen die Gemüter. Die Kritik hat erste Früchte getragen, zumindest die Verhandlungen über die Schiedsgerichte sind ausgesetzt. Dennoch bleiben die Fragen, ob wir derzeit Zeuge eines neuen Versuchs eines „Klassenprojekts einer atlantischen Elite“[3] sind, mit Hilfe von TTIP die neoliberalen Dogmen von Deregulierung und Sozialabbau zu verwirklichen. Oder ob das Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA gar ein neuer Anlauf ist, „die Herrschaft der mächtigsten Kapitalgruppen über den Großteil der Welt“ zu zementieren und juristisch abzusichern?“, wie die auf Handelsrecht spezialisierte US-Anwältin Lori Wallach befürchtet.[4] Vieles spricht dafür, doch der Reihe nach.

Der Ursprung: ein Lobbyistenprojekt

Offiziell wurde das Ziel einer Freihandelszone zwischen der EU und den USA am 13. Februar 2013 durch US-Präsident Barack Obama und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bekannt gegeben. Doch erste Überlegungen für das, was zurzeit zwischen der EU-Kommission und der US-Regierung verhandelt wird, gehen zurück auf das Jahr 1990 – und sind eng verwoben mit regen Tätigkeiten von diversen Lobbyorganisationen beiderseits des Atlantiks. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde das Ziel eines gemeinsamen liberalisierten Wirtschaftsraumes auch als Wirtschafts-Nato bezeichnet. In den 1990er Jahren gab es diverse Netzwerke und Erklärungen, die sich zur ökonomischen Zusammenarbeit bekannten.[5] Zudem liegen Entschließungen der EU, über die Schaffung einer Freihandelszone mit den USA zu verhandeln, aus den Jahren 1990, 1998 und 2005 vor. Als wichtiger Schritt hin zu den TTIP-Verhandlungen gilt die Gründung des Transatlantischen Dialogbündnisses 1995, welche das Ziel verfolgt, auf den Außenhandel von EU und USA und die Welthandelsorganisation (WTO) Einfluss zu nehmen. Das Lobbynetzwerk besteht aus Vertretern transnationaler Konzerne wie Nokia, Bayer, Ford, Monsanto, Siemens oder Unilever. Die Gründung des Transatlantischen Wirtschaftsrats (TEC) im Jahr 2007 bot dem Dialogbündnis neue Einflussmöglichkeiten zur Schaffung einer Freihandelszone, die auf der Deregulierung der EU- und US-Märkte basieren soll.

Im November 2011 wurde im Rahmen des TEC die Gründung einer ‚High-Level Working Group on Jobs and Growth’ gegründet. Ihre Mitglieder blieben lange geheim – bis die Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory Licht in ihre Zusammensetzung brachte.[6] Dem Beratungsgremium gehören demzufolge in erster Linie liberale Technokraten von BusinessEurope, einem Arbeitgeberverband mit Sitz in Brüssel, und der für ihre neoliberalen Expertisen bekannten deutschen Bertelsmann-Stiftung an. Dieselbe NGO deckte überdies auf, dass die EU-Kommission mehr als 100 vertrauliche Treffen mit Vertretern von Großkonzernen hatte, während die „Zivilgesellschaft“ außen vor gelassen wurde. Insgesamt wurden zur Vorbereitung der Verhandlungen mit den USA 130 Treffen mit Interessenvertretern abgehalten, davon rund 120 mit Lobbyisten von Konzernen.[7]

Die erste offizielle Verhandlungsrunde zu TTIP fand im Juli vergangenen Jahres statt. Infolge der von Edward Snowden aufgedeckten Überwachung des Internets durch amerikanische und britische Geheimdienste gab es europäische Stimmen, die die Aussetzung oder das Ende der Verhandlungen forderten. Sie konnten sich nicht durchsetzen. Im März fand die nunmehr vierte Verhandlungsrunde in Brüssel statt.

Das Versprechen: angeblich mehr Wachstum und Jobs

Der Abbau von protektionistischen Barrieren und die Beseitigung von Zollschranken fördere die wirtschaftlichen Aktivitäten, Freihandel schaffe Wachstum und Jobs – so oder ähnlich lautet das Mantra der Befürworter einer neoliberalen Globalisierung. Dass Studien dieses mit guten Gründen in Zweifel ziehen,[8] verunsichert sie nicht. Vielmehr entlarvt das Beharren auf den Freihandel diesen als ein Instrument, das die fortgeschrittenen kapitalistischen Staaten einsetzen, um ihre Machtposition in der globalisierten Welt zu verteidigen und auszubauen – und die ehemaligen Kolonialstaaten in einem Zustand der Abhängigkeit zu halten. Zwar ist das ökonomische Entwicklungsniveau zwischen der EU und den USA recht ähnlich und das Niveau der Zölle sehr niedrig. Dennoch wird TTIP mit dem Versprechen auf mehr Wachstum und Jobs gerechtfertigt.[9]

Von verschiedenen Seiten ist darauf hingewiesen worden, dass die oben erwähnte Studie des Londoner Centre for Economic Policy Research einseitig benutzt wird. Auch die EU-Kommission greift werbewirksam wenige Zahlen heraus, so die über die Einkommenszuwächse für die Vierpersonenhaushalte. Ein genauer Blick in die Studie zeigt indes, dass die Wohlfahrtsgewinne der geplanten Freihandelszone nicht sonderlich groß sind. Nicht mit einem Zuwachs von 545 Euro pro Jahr könne der Vierpersonenhaushalt rechnen, vielmehr ziehe sich diese Entwicklung bis zum Jahr 2027 hin. „Auf 14 Jahre gerechnet bedeutet dies ein Plus von drei Euro im Monat oder ein jährliches Lohnplus in Deutschland von ca. 1,5 Promille.“[10] Des Weiteren ist nicht plausibel, warum es zu einer gleichmäßigen Verteilung des Einkommens kommen sollte.

Der „Informationsbrief Weltwirtschaft und Entwicklung“ urteilt, dass die bescheidenen Einkommenszuwächse von maximal einem halben Prozentpunkt sich trotz aller Werbung angesichts des Zeitraumes ihrer Realisierung doch eher bescheiden ausnähmen: „Bis dahin sind die Beschäftigungs- und Einkommensgewinne marginal und könnten durch kurz- und mittelfristige Anpassungsverluste sogar aufgewogen werden.“[11]

Sehr bescheiden nimmt sich auch die vom ifo-Institut prognostizierte Auswirkung auf die Arbeitslosenquote aus. Eine Abschaffung der Zölle hätte gar keine Folgen für die strukturelle Arbeitslosigkeit in den USA und in der EU. „Wenn das Abkommen zu einer ambitionierten Absenkung nichttarifärer Barrieren führt, dann entstehen bis zu 110.000 neue Arbeitsplätze in Deutschland und insgesamt 400.000 Arbeitsplätze in der EU.“ Die Beschäftigungszuwächse in den USA seien geringer.[12] Allerdings kommt eine ambitionierte Absenkung nichttarifärer Barrieren laut ifo-Instituts einem „Binnenmarktszenario“ gleich – eine äußerst unrealistische Erwartung. Das realistischere Szenario sagt dann auch nur 25.000 neue Jobs für Deutschland und ca. 69.000 für Europa voraus. Wohl gemerkt: nicht pro Jahr, sondern auf eine Dekade gerechnet. Die EU-Arbeitslosenquote würde in diesem Szenario von 6,9 auf 6,85 Prozent sinken.

Die Bertelsmann-Studie, häufig angeführt, um die positiven Aspekte des Abkommens zu unterstreichen, wurde im Wesentlichen von den Wissenschaftlern des ifo-Instituts durchgeführt und kommt zu denselben – bescheidenen – Ergebnissen. Mit einer Ausnahme: Für Deutschland prognostiziert die Untersuchung aufgrund anderer Modelle mehr neue Jobs als die ifo-Studie. „So könnten in Deutschland nun (bei durchschnittlicher Liberalisierung) statt 25.000 zusätzlich 181.000 Jobs entstehen, und in den USA statt 68.800 sogar 1.08 Millionen, also um den Faktor 15 mehr“, zitiert Klimenta hieraus – und kommentiert: „Nimmt man die Studienergebnisse ernst, so bedeutet dies, dass die Realität jedes Ergebnis zeitigen kann.“ Denn die möglichen Prognosefehler sei größer als die Ergebnisse selbst. Zwei jeweils ausführlich begründetet Studiendesigns produzierten somit völlig unterschiedliche Ergebnisse – und seien somit unbrauchbar, um zukünftige Entwicklungen auch nur abzuschätzen.[13] Studien des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung[14] unterstützen diese Ergebnisse, sodass als Fazit festgehalten werden kann: Die Wachstums- und Jobversprechungen sind so gering, dass sie die im Folgenden diskutierten Risiken bei Weitem nicht aufwiegen.

Die Gefahren: Absenkung von Standards

Angst vor Chlorhühnchen oder gen-manipulierten Nahrungsmitteln, die mit der Schaffung einer Freihandelszone aus den USA nach Europa eingeführt werden könnten, sind in der europäischen Öffentlichkeit weit verbreitet. Das Ziel der Freihandels-Befürworter ist, mit dem TTIP-Pakt einheitliche Verbraucherschutzstandards einzuführen und die Regeln im Sozial-, Arbeitnehmer-, Gesundheits- oder Umweltbereich anzupassen. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn der höhere Standard als Maßstab genommen würde. Danach sieht es jedoch nicht aus. Nach allem, was von den Verhandlungen an die Öffentlichkeit dringt, geht es um eine Angleichung nach unten. Beziehungsweise darum, das europäische Vorsorgeprinzip durch die US-amerikanische ‚wissenschaftlich’ basierte Risikoabschätzung zu ersetzen. Das bedeutet, dass das Verbot von Nahrungsmitteln, Chemikalien oder anderen Produkten erst dann erfolgt, wenn bewiesen ist, dass diese schädliche Auswirkungen auf Mensch und/oder Umwelt haben. In Europa indes wird mit dem Vorsorgeprinzip gewährleistet, dass Hersteller zunächst beweisen müssen, dass ihre Produkte keine gesundheitlichen Risiken bergen oder die Umwelt belasten.

EU-Kommission wie auch die deutsche Bundesregierung behaupten, dass durch das TTIP-Abkommen keine qualitativen Verschlechterungen im Verbraucher- und Umweltschutz, bei Arbeitnehmerrechten und beim Datenschutz entstünden. Doch Skepsis ist angebracht. Die Linksfraktion im Bundestag drückt diese wie folgt aus: „Laut Ergebnisbericht der EU-Kommission zur 4. Verhandlungsrunde, der über das kritische Netzwerk deutscher Nichtregierungsorganisationen (ttip-unfairhandelbar) veröffentlicht wurde, hat sie [die EU-Kommission, G. Sp.] insbesondere das für den europäischen Verbraucher- und Umweltschutz essentielle Vorsorgeprinzip nur sehr halbherzig verteidigt. Erwogen wird vielmehr eine gleichwertige Anerkennung der US-amerikanischen wissenschaftlich basierten Risikoabschätzung (science-based risk assesment), was die Beweislast für ein Verbot bestimmter Produkte und Verfahren umkehrt und das Vorsorgeprinzip aushebeln kann.“[15]

Die Beseitigung von nicht-tarifären Handelshemmnissen – so der handelspolitische Begriff für Verbraucher-, Umweltschutz- und Sozialstandards – kommt für die global operierenden Konzerne dem gleich, was der Abbau von Zöllen bei anderen Freihandelsabkommen ist: eine preisliche Entlastung ihrer Exporte. Nicht-tarifäre Handelsbeschränkungen würden in einzelnen Industriesektoren in der Europäischen Union eine geschätzte (preisliche) Belastung erreichen, die in etwa einem Zollsatz von über 50 Prozent entsprächen, heißt es mit Bezug auf die einschlägige Studie des ifo-Instituts in einem Papier der IG Metall.[16] Zu diesen Sektoren gehören Chemie, Papierprodukte und Lederproduktion.

Ein Beispiel, wie eine Harmonisierung aussehen könnte: In Europa ist im Gegensatz zu den USA die Reinigung von Hühnchen mit Chlor verboten. Drei Möglichkeiten gibt es, wie diese unterschiedlichen Standards angeglichen werden könnten: Erstens könnte der Einsatz von Chlor in Europa erlaubt werden. Das würde eine Absenkung der gesundheitlichen Schutzstandards bedeuten. Zweitens könnte Chloreinsatz auch in den USA verboten werden – doch damit ist nicht zu rechnen. Drittens könnte sich beiderseits des Atlantiks auf die gegenseitige Anerkennung der Standards geeinigt werden. Folge: Die USA könnten in Zukunft auch Chlorhühnchen in Europa verkaufen – dort würde mithin der Standard abgesenkt.

Wie ernst zu nehmen ist die mehrfache Versicherung von EU-Handelskommissar Karel De Gucht, ein Aufweichen der europäischen Regeln nicht zuzulassen? So beteuerte er: „Ich werde sicherstellen, dass das TTIP kein Unterbietungsabkommen wird.“ Von den kritischen Beobachtern warnen zumindest einige vor der Konzentration auf einzeln symbolträchtige Fälle wie „Chlorhühnchen“ und „Hormonfleisch“. So hält die taz-Redakteurin Ulrike Herrmann De Guchts Beteuerungen durchaus für glaubhaft: „Die Anti-TTIP-Bewegung manövriert sich in eine Sackgasse, wenn sie weiterhin mit Schlagworten wie ‚Hormonfleisch’ mobilisiert. Diese Ekel-Begriffe sind zwar publikumswirksam, könnten sich aber als Bumerang erweisen“. Die EU-Kommission müsse sich nur mit den Amerikanern einigen, dass Chlorhühnchen ausgeschlossen seien, und schon sei es spielend einfach, die Kritiker vorzuführen und mundtot zu machen, schreibt Herrmann.[17] Sie bezieht sich dabei auf Aussagen von Corporate Europe Observatory, denen zufolge es durchaus sei könne, dass der endgültige TTIP-Text keine unmittelbaren Zugeständnisse in Bezug auf das Gesundheitswesen oder Umweltrichtlinien enthalte. Möglich sei auch, dass sich die EU und die USA zunächst auf Standards einigten, die wenig Verhandlungsaufwand erforderten, weil sie bereits recht ähnlich seien.

An diesem Argument könnte durchaus etwas dran sein. Da die Öffentlichkeit jedoch nicht über den Inhalt und den Stand der Verhandlungen informiert wird, fällt eine Beurteilung schwer. Hinzuweisen ist noch auf einen weiteren problematischen Aspekt: nämlich der mitunter erweckte Anschein, dass die USA in sämtlichen Bereichen die niedrigeren Standards hätten. Dies gilt zum Beispiel nicht für die Bankenregulierung. Infolge der Finanzkrise würden derzeit in Amerika striktere Finanzmarktregeln als in Europa gelten, meint etwa Michael Krätke.[18] Auch ist daran zu erinnern, dass in Amerika aus durchaus nachvollziehbaren Gründen Angst vor mit BSE verseuchtem Rindfleisch aus Europa besteht.

Demokratiedefizit: Verhandeln hinter verschlossenen Türen

Gravierendster Kritikpunkt aus demokratiepolitischer Sicht ist, dass das, worüber verhandelt wird, der Öffentlichkeit und selbst Parlamentariern und Regierungen von EU-Ländern nicht bekannt bzw. einsehbar ist. Demgegenüber haben mehr als 600 Berater von transnationalen Konzernen Zugang zu wichtigen Dokumenten und können Vorschläge einbringen. Handelspolitik findet in Europa in einem weitgehend vordemokratischen Raum statt, stellt daher Jörgen Maier, Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung, fest.[19] Seit dem Vertrag von Lissabon kann die EU-Kommission Freihandelsabkommen autonom aushandeln – also eine Institution, deren demokratische Legitimierung umstritten ist. Begründet wird die Geheimhaltung seitens der EU mit dem Verweis auf taktische Nachteile in den Verhandlungen.[20]

Aus diesen und weiteren Gründen ist die Kritik inzwischen so stark geworden, dass die EU-Kommission sich genötigt sah, auf diese einzugehen. Zumindest die Verhandlungen über die Schiedsgerichte sind ausgesetzt. Ende März begann ein dreimonatiges Konsultationsverfahren im Internet, in dem jeder EU-Bürger seine Kritik vortragen kann. Das wird jedoch als „Pseudo-Rückzug“ interpretiert.[21] Und konterkariert durch die klammheimliche Verabschiedung eines Gesetzes über „Rahmenbedingungen für die Regelung der finanziellen Zuständigkeit bei Investor-Staat-Streitigkeiten vor Schiedsgerichten“ durch das Europaparlament kurz vor Ostern. Medienberichten zufolge soll damit ein zentraler Pfeiler von TTIP abgesegnet worden sein.[22] Überdies soll EU-Handelskommissar De Gucht vor dem Europäischen Gerichtshof eine Klage gegen EU-Mitgliedsstaaten vorbereiten – in der Hoffnung, dass ausschließlich die Kommission über das Investitionsabkommen entscheiden darf.[23] Offensichtlich sitzt den europäischen Eliten der Schrecken über das noch im Geheimeren ausgeklüngelten ACTA-Abkommen im Nacken. Im Frühjahr 2012 war sehr plötzlich eine europäische Protestbewegung gegen dieses Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen entstanden – mit dem Resultat, dass es im Juli 2012 im Europaparlament mit großer Mehrheit durchfiel. Ebenso dürfte das Beispiel des Multilateralen Investitionsabkommens (MAI) noch in Erinnerung sein. Nach Protesten, die zur Entstehung der globalisierungskritischen Bewegung führten, und des Widerstandes Frankreichs scheiterte dieses Vorhaben, die Rechte von Investoren zu stärken, im Jahr 1998.

Im Dezember 2013 wurde wiederum vom Corporate Europe Observatory ein Papier der EU-Kommission veröffentlicht,[24] das auf einen weiteren demokratiepolitisch bedenklichen Aspekt aufmerksam machte. Es hört auf die Namen „regulatorische Kooperation“ bzw. „regulatorischer Rat“ und „living agreement“. Im Prinzip würde die Umsetzung auf eine Außer-Kraftsetzung parlamentarischer Verfahren zugunsten großer Konzerne hinauslaufen. Auch die zunächst denkbare Ausnahme von der Angleichung der Standards bei Fleisch könnte sich langfristig durch die Anwendung dieser Prinzipien als obsolet erweisen.

Worum geht es? Maier fasst das so zusammen: Die Kommission möchte mit diesem Abkommen die Art und Weise grundlegend verändern, „wie in der EU Gesetze verabschiedet werden“. Und weiter: „Lange bevor Parlamente Vorschläge zu Gesicht bekämen, will man künftig der US-Regierung und Unternehmen großzügige Einflussmöglichkeiten gewähren. Auf gut Deutsch: Die Kommission schlägt den USA eine weitreichende Entmachtung gewählter Parlamente und der Zivilgesellschaft vor.“[25]

Laut Corporate Observatory Europe bekämen die Verhandlungspartner mit der regulatorischen Kooperation eine Möglichkeit an die Hand, mit ihren unterschiedlichen Positionen langfristig besser umzugehen und Unternehmen mehr Einfluss zu gewähren. Es könnte gut sein, so die Einschätzung der NGO, dass der finale TTIP-Text zunächst keine Konzessionen in den Bereichen Gesundheit oder Umwelt enthält. Stattdessen könnte aber eine Klausel für die Zukunft enthalten sein, die den Bürgern sagt, dass Regulierung nicht euch, sondern in erster Linie die Geschäftswelt etwas angeht. Regulierende Kooperation, so heißt es weiter, sei ein Langzeitprojekt. Es ziele auf den Umgang mit Gegensätzen, die nicht sofort am Verhandlungstisch gelöst werden konnten und die auch auf neue auftauchende Regulierungsversuche zielten. „Die Idee ist, TTIP als ‚living agreement’ zu gestalten, nicht beschränkt auf das, über was sie sich zunächst einigen können, sondern als einen kontinuierlichen Prozess einer tiefer reichenden Integration.“[26]

Ulrike Herrmann fasst zusammen, dass das Abkommen also vorsehen würde, „dass bei jedem neuen Gesetz sehr frühzeitig geprüft werden muss, ob es einen ‚wesentlichen’ Einfluss auf die Handelsbeziehungen hätte. Derartige Klauseln würde es europäischen und amerikanischen Unternehmen erlauben, ihren Lobbyismus extrem auszuweiten, weil sie auf beiden Kontinenten ständig einbezogen werden müssten.“[27] Die eigentliche Gefahr bestünde also in der Etablierung undemokratischer Verfahren, die den Konzernen im Vergleich zu den Parlamenten mehr Macht einräumen. Das zeigt sich auch in einem weiteren Punkt: den sogenannten Schiedsgerichten, die Investoren Schutz vor „indirekten Enteignungen“ bzw. Profitausfall gewähren sollen.

Investor-Staat-Klagerechte: Privatjustiz für Multis

Die sogenannten Investor-Staat-Klagerechte gehören zu den am stärksten kritisierten Aspekten bei den Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen. Die Kritik wurde in Europa so stark, dass – wie erwähnt – EU-Handelskommissar Karel De Gucht gezwungen war, einen Schritt zurückzuweichen und zunächst eine Online-Anhörung durchzuführen.

Warum die Aufregung? Die nachteiligen Folgen des Investorenschutzes beschrieb ein kanadischer Regierungsbeamter fünf Jahre nach Inkrafttreten des ebenfalls Investorenschutzklauseln beinhaltenden NAFTA-Freihandelsabkommens zwischen Mexiko, Kanada und den USA wie folgt: „Bei beinahe jeder neuen umweltpolitischen Maßnahme gab es von Kanzleien aus New York und Washington Briefe an die kanadische Regierung. Da ging es um chemische Reinigung, Medikamente, Pestizide, Patentrecht. Nahezu jede neue Initiative wurde ins Visier genommen, und die meisten haben nie das Licht der Welt erblickt.“[28]

Das heißt, dass Konzerne gegen nationalstaatliche Regelungen – seien es umwelt-, sozial-, gesundheits- oder wirtschaftspolitische – klagen können, weil diese ihre Aussichten auf Gewinne verringern. Ursprünglich wurden Investorenschutzbestimmungen in Verträgen zwischen Industrieländern und „Entwicklungsländern“ aufgenommen, weil befürchtet wurde, dass aufgrund von politischen Instabilitäten Investitionen verloren gingen. Doch in den letzten Jahren haben sich die Investorenschutzbestimmungen von diesem Motiv entfernt. In den Vordergrund rückte ein neues: der Schutz vor sogenannten indirekten Enteignungen. Damit kann jegliche staatliche Regulierung gemeint sein, die die Profite der global agierenden Konzerne schmälern könnte – aber der Mehrheit der Bevölkerungen zugute kommt. Zum Beispiel Mindestlöhne oder Umweltauflagen wie das derzeit diskutierte Verbot von Fracking, einer umstrittenen Förderungsmethode von unkonventionellen Gasen und Ölen.[29]

Zurzeit gibt es ungefähr 3000 Investitionsschutzabkommen, die Unternehmen Klagerechte einräumen – und zwar vor einem weitgehend abgeschotteten und parallelen Rechtssystem. In der Regel laufen die Verfahren vor internationalen Schiedsgerichten, die aus drei von den Streitparteien selbst ernannten Privatpersonen bestehen. Die zumeist hinter verschlossenen Türen gefällten Schiedssprüche lassen keine Revision zu – und sind bindend. Bis Ende 2012 gab es mindestens 514 Investor-Staat-Klagen. Doch die Dunkelziffer dürfte höher liegen, die Tendenz sei ansteigend, schätzt Pia Eberhardt.[30] 244 Verfahren seien abgeschlossen. Die Bilanz: „Etwa 42 Prozent der Klagen gingen zugunsten des Staates aus, rund 31 Prozent wurden im Sinne des Investors entschieden. 27 Prozent wurden durch einen Vergleich beendet, dessen Einzelheiten vertraulich blieben.“[31]

Ein prominentes Beispiel für eine Investor-Staat-Klage ist die des schwedischen Konzerns Vattenfall gegen die deutsche Bundesregierung, weil diese als Reaktion auf den Atomreaktorunfall in Fukushima den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen hat. Für Vattenfall ein Geschäftsausfall, für den es 3,7 Milliarden Euro Schadensersatz fordert. Ein weiteres Beispiel ist die Klage des kanadischen Öl- und Gaskonzerns Lone Pine. Dieser prozessiert über eine US-Tochter gegen die kanadische Regierung. Der Grund ist ein Fracking-Moratorium der Provinz Quebec, weil Umweltschäden durch diese Förderungstechnik befürchtet werden. Und ein letztes Exempel betrifft die Klage des französischen Konzerns Veolia gegen die ägyptische Regierung, weil diese die Löhne an die Inflationsrate anpassen möchte.

In den Jahren seit der Finanzkrise von 2008 zeichnet sich überdies eine neue Tendenz ab. Gerade Staaten, die eine wirtschaftliche Krise durchleiden, sind von Investor-Staat-Klagen betroffen. Argentinien, das 2002 vor dem Bankrott stand, ist ein frühes Beispiel. Im Zuge der europäischen Staatsschuldenkrise sind aber auch europäische Länder wie Griechenland und Zypern zunehmend Opfer von Investor-Staat-Klagen geworden, wie die Studie „Profiting from Crisis“ erstmals zeigt.[32]

Pia Eberhardt und Peter Fuchs bewerten internationale Investitionsabkommen daher „als Instrumente zur Durchsetzung transnationaler Kapitalinteressen gegen Regulierungen, Umverteilung und gegenhegemonialer Kräfte.“ Sie ließen sich als Teil des sogenannten neuen Konstitutionalismus verstehen – „also als politisch-rechtliche Strukturen, die den Neoliberalismus und bestehende Eigentumsverhältnisse durch die Einschränkung staatlicher Interventionen demokratischer Kontrollmöglichkeiten quasi konstitutionell absichern.“[33] Und Michael Krätke urteilt: „De facto ist der Ruf nach überstaatlichen Schiedsgerichten, in denen Wirtschaftsanwälte statt Richtern das Sagen haben, ein Affront und eine Herausforderung der Souveränität aller beteiligten Staaten. Große Konzerne und Vereinigungen privater Geschäftemacher maßen sich an, eine Sondergerichtsbarkeit für ihre Privatinteressen zu verlangen, die es ihnen erlauben soll, gegen jede Regelung, jede Gesetzgebung eines Staates, die ihnen nicht passt, milliardenschwere Schadensersatzklagen anzustrengen.“[34]

Inzwischen haben sich selbst Staaten wie die Bundesrepublik Deutschland gegen die Investor-Staat-Klagerechte als Bestandteil der möglichen Freihandelspartnerschaft ausgesprochen. Mit dem Verweis auf das Grundgesetz wurde dieser Schritt indes nicht begründet. Doch das wäre durchaus angebracht, wie manche Kritiker meinen, die den Investorenschutz als unvereinbar mit der im Grundgesetz festgeschriebenen Sozialpflichtigkeit des Eigentums erachten.

Der geostrategische Hintergrund: Angst vor China

Wird das 21. das chinesische Jahrhundert, wie das 20. ein US-amerikanisches war? Der viel diskutierte Aufstieg Chinas sowie anderer sogenannter Schwellenländer zu hoch industrialisierten, exportorientierten Staaten ruft Ängste in den etablierten kapitalistischen Zentren wie Europa und den USA hervor. Auch die vor gut einem Jahr vorgelegte Einschätzung über die Lage der Welt im Jahr 2030 des US-amerikanischen National Intelligence Council (Nationaler Geheimdienstrat) schätzt realistisch ein, dass heutige Schwellenländer in Asien, Afrika und Südamerika zusammen mächtiger sein werden als der Westen. Wenige Jahre später könnte China allein die USA und die EU überholt haben.

Aus diesem Grund wird das Streben nach einem transatlantischen Freihandelsabkommen auch als Versuch gedeutet, die Vormachtstellung der alten Zentren zu wahren. Äußerungen von Hillary Clinton und des einflussreichen Geostrategen Zbigniew Brzezinski belegen das. Clinton sprach von einer „ökonomischen Nato“. Und Brzezinski erhofft sich von der Handelsgemeinschaft „mehr Lebenskraft, mehr Sicherheit und einen stärkeren Zusammenhalt im Westen“.[35]

Die prognostizierten Folgen im Falle einer Realisierung der Investitionsgemeinschaft deuten in der Tat darauf hin, dass es den USA und der EU gelingen könnte, die „nachholenden“ Industriestaaten auf Distanz zu halten. Vor allem aber hätten die wenig industrialisierten Länder des globalen Südens unter den Folgen zu leiden. In der Zusammenfassung der Studie der Bertelsmann-Stiftung heißt es: „Weitere Verlierer wären die Entwicklungsländer; vor allem in Afrika und Zentralasien.“ Der Grund? Die Intensivierung der Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EU hätten, so heißt es, zur Folge, dass diese Volkswirtschaften weniger Güter und Dienstleistungen aus dem Rest der Welt importieren würden. Es käme dort zu einer Verringerung des realen Pro-Kopf-Einkommens. Wenngleich die Zahlen auch hier mit Vorsicht zu genießen sind, seien sie hier angeführt: „Das beträfe vor allem traditionelle Handelspartner der USA wie Kanada (minus 9,5 Prozent) und Mexiko (minus 7,2 Prozent). Auch in Japan würde sich das langfristige Pro-Kopf-Einkommen um fast 6 Prozent vermindern.“[36]

Das TTIP-Abkommen richtet sich in erster Linie gegen China.[37] Die Überlegung: Die alten kapitalistischen Zentren erbringen noch die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung. Im Falle des Erlasses einheitlicher Regeln und Standards „würde das wahrscheinlich Chinas Bemühungen beenden, eigene autonome Standards zu setzen“, meint der US-Experte Edward Alden vom Außenpolitik-Institut Council on Foreign Relations.[38] Sven Hilbig von der NGO Brot für die Welt spricht von einem neuen handelspolitischen globalen Paradigma. Die USA und die EU würden in dem mit Abstand größten Wirtschaftsblock der Welt Normen und Standards schaffen, „um die Wettbewerbsvorteile, welche die USA und die EU in vielen Wirtschaftsbereichen genießen, weiter auszubauen und abzusichern.“[39]

Hinzu kommt, dass die USA parallel an einem anderen Wirtschaftsbündnis mit ähnlicher Abkürzung arbeiten: TPP (Trans-Pacific Partnership) soll eine Freihandelszone für den pazifischen Raum werden, die zwölf Staaten einschließt, darunter Japan, die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. China ist nicht Teil dieser Bestrebungen. Es fällt auf, dass die USA in den Verhandlungen auf klare Regeln für Staatsbetriebe drängen, obwohl diese in den meisten TPP-Staaten keine große Rolle spielen. »Ziel ist, Regeln zu schaffen, die China Fesseln anlegen, wenn es am Ende feststellt, auch beitreten zu müssen«, erläutert Alden.[40] Wer auch immer sich im Ringen um die geostrategische Vormachtstellung wird durchsetzen können, Verlierer werden vermutlich die „Entwicklungsländer“ des globalen Südens sein. Hilbig resümiert: „Das TTIP birgt die Gefahr, die in der Vergangenheit gemachten Fortschritte in den Nord-Süd-Beziehungen zu unterminieren und möglicherweise neue Konfrontationen zu provozieren, anstatt zur Lösung globaler Probleme wie Hunger, Klimawandel sowie einer fairen und gerechten Verteilung von Rohstoffen und anderer natürlicher Güter für diese und kommende Generationen beizutragen.“[41]

Fazit: Klassenprojekt einer transatlantischen Elite

In den vergangenen Jahrzehnten gab es bereits internationale Liberalisierungs- und Deregulierungsvorstöße. Manche scheiterten: Kaum hatten indes Protestbewegungen einen Kopf der neoliberalen Globalisierung in Gestalt von MAI oder ACTA abgeschlagen, wuchs ein neuer nach. Derzeit heißt der Kopf TTIP oder TAFTA. Sollte auch dieser Versuch infolge von Protesten von Verbraucherschutzorganisationen, Gewerkschaften, von umweltpolitischen und globalisierungskritischen Bewegungen scheitern – es ist bereits ein neues Vertragswerk im Entstehen begriffen: TISA (Trade In Services Agreement).[42] Nach einem Scheitern der TTIP-Verhandlungen sieht es trotz NSA-Affäre und immer stärker werdender Kritik derzeit (noch) nicht aus. Eine Verzögerung ist aber durchaus wahrscheinlich.

Wie dem auch sei, die erste Schlacht um das TTIP könnte bereits verloren sein. Denn es gibt ein weiteres Vertragswerk, das die negativen Auswirkungen des TTIP-Pakts schon vorwegnehmen könnte: nämlich CETA, das europäisch-kanadisches Handelsabkommen. „Denn“, so schreibt Krätke, „die Verhandlungen zwischen der EU und Kanada um ein ganz ähnliches Abkommen namens CETA sind bereits abgeschlossen.“ Und über ihre kanadischen Standorte und Töchter könnten die US-Konzerne jederzeit zu gleichen Bedingungen auf den europäischen Markt vordringen wie kanadische Unternehmen – umgekehrt würde das schon erheblich schwieriger sein. „Eigentlich bräuchten die Amerikaner TAFTA dann gar nicht mehr“, meint Krätke.

Insofern könnte sich die derzeitige Fokussierung von „zivilgesellschaftlichen“ Akteuren und Nichtregierungsorganisationen auf TTIP als problematisch erweisen. Freilich bleiben Kritik und der Widerstand gegen das EU-USA-Freihandelsabkommen wichtig, doch sie müssten stärker ergänzt werden durch eine ebenso fundierte Kritik jeglicher Freihandels-, Liberalisierungs- und Deregulierungsbemühungen sowie der Implementierung von Investor-Staat-Klagerechten. Denn eines, um auf die Eingangsfrage zurückzukommen, steht fest: Gerade vor dem Hintergrund der gescheiterten MAI- und ACTA-Abkommen steht zu befürchten, dass die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft in der Tat ein weiterer Versuch ist, die Herrschaft der mächtigsten Kapitalgruppen über den Großteil der Welt zu zementieren und juristisch abzusichern – mit der Absicht, die sozialen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte zurückzunehmen.

[1] Vgl. Serge Halimi, Transatlantische Falle, in: Le Monde diplomatique, März 2014, S. 23. Halimi bezieht sich auf den Ökonomen Jean-Luc Gréau: „So wurde 1988 in dem Bericht ‚Europa 1992 – Die große Herausforderung’ angekündigt, wir würden dank des Binnenmarkts fünf bis sechs Millionen Arbeitsplätze gewinnen. ‚Tatsächlich‘, so Gréau, ‚trat in Europa nach dessen Durchsetzung eine Rezession ein, die drei bis vier Millionen Stellen kostete.‘“ Vgl. zu den Jobverlusten durch NAFTA: Seattle to Brussels Network, A Brave New Transatlantic Partnership. The proposes EU-USA Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP/TAFTA) and its socio-economic & environmental consequences, Brüssel 2013, S. 9.

[2] Vgl. Harald Klimenta/Andreas Fisahn u.a., Die Freihandelsfalle. Transatlantische Industriepolitik ohne Bürgerbeteiligung – das TTIP, Hamburg 2014, S. 38f. (=AttacBasisTexte 45).

[3] Seattle to Brussels Network, a.a.O., S. 27.

[4] Lori Wallach, TAFTA – die große Unterwerfung, in: Le Monde diplomatique, November 2013.

[5] Vgl. Christine Wicht, Die Instrumente des neoliberalen EU-Orchesters, in: NachDenkSeiten, 10.2.2014.

[6] http://corporateeurope.org/trade/2013/06/who-scripting-eu-us-trade-deal

[7] http://corporateeurope.org/trade/2013/09/european-commission-preparing-eu-us-trade-talks-119-meetings-industry-lobbyists

[8] Vgl. Ha-Joon Chang, Bad Samaritans. The guilty secrets of rich nations & the threat to global prosperity, London 2007; Erik S. Reinert, How rich countries got rich … and why poor countries stay poor, London 2007.

[9] Auch wenn der Wachstumsgedanke an sich zu hinterfragen ist, wird dieses Problem an dieser Stelle nicht diskutiert.

[10] Harald Klimenta, in: ders./Fisahn, a.a.O., S. 38.

[11] Stefan Beck/Christoph Scherrer, Die große Fehlkalkulation, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung 02/Februar 2014.

[12] Vgl. Gabriel Felbermayr u.a., Dimensionen und Auswirkungen eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, München 2013, S. 9.

[13] Harald Klimenta, a.a.O., S. 39.

[14] Sabine Stephan/Jonas Löbbing, Außenhandel der EU27. Eine regionale und sektorale Analyse, in: IMK-Report Nr. 83, Juni 2013, S. 14; Jan Behringer/Nikolaus Kowall, Außenhandel der USA. Eine regionale und sektorale Analyse, in: imk-Report Nr. 85, Juli 2013, S. 17.

[15] Deutscher Bundestag, Drucksache 18/1093, Die Verhandlungen zum EU-USA-Freihandelsabkommen stoppen, 8.4.2014.

[16] IG Metall Vorstand, Wirtschaftspolitische Informationen: Wachstum und Wohlstand durch Liberalisierung? Nr. 03/August 2013, S. 9.

[17] Ulrike Herrmann, Freihandel – Projekt der Mächtigen. TTIP EU-USA Freihandels- und Investitionsabkommen, Brüssel 2014, S. 17.

[18] Michael Krätke, TAFTA: Das Kapital gegen den Rest der Welt, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2014, S. 5-9, hier S. 6.

[19] Jürgen Maier, Die Entmachtung der Parlamente, in: Publik Forum Dossier „Der Beutezug. Freihandelsabkommen EU-USA: Die geheimen Pläne und die Folgen“, S. 10f.

[20] Ulrike Herrmann interpretiert dies so: „Indem die EU-Kommission zwischen den Zeilen zugibt, dass es sich beim Freihandel nicht um eine Win-Win-Situation handelt, liefert sie den besten Grund, warum man das Abkommen nicht abschließen sollte.“ Herrmann, a.a.O., S 14.

[21] Vgl. kritisch: Pia Eberhardt, Der Pseudo-Rückzug der Kommission, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung 02/Februar 2014.

[22] Vgl. Investorenschutz durch die Hintertür. Heimlich nickt das Europaparlament eine EU-Verordnung zu Klagen von Investoren ab, in: taz, 17.4.2014; Streit um Investitionsschutz, in: Süddeutsche Zeitung, 22.4.2014.

[23] Vgl. Angst vor den Turboschweinen, in: Süddeutsche Zeitung, 29.4.2014, S. 17.

[24] http://corporateeurope.org/trade/2013/12/regulation-none-our-business

[25] Maier, a.a.O.

[26] http://corporateeurope.org/trade/2013/12/regulation-none-our-business

[27] Herrmann, a.a.O., S. 17.

[28] Pia Eberhard/Peter Fuchs, in: Klimenta/Fisahn, S. 68.

[29] Vgl. Seattle to Brussels Network, a.a.O., S. 12.

[30] Pia Eberhardt, Ein transatlantische Verfassung der Konzerne, in: Ska Keller (Hrsg.), Das Freihandelsabkommen mit den USA in der Kritik, Brüssel 2013, S. 17-24.

[31] Herrmann, a.a.O., S. 19. . Vgl. zur jüngsten Entwicklung auch UNCTAD (Hrsg.): Recent Developments in Investor-State-Dispute Settlement (ISDS), Genf 2014.

[32] Transnational Institute and Corporate Europe Observatory (Hrsg.), Profiting from Crisis. How corporations and lawyers are scavenging profits from Europe’s crisis countries, Brüssel 2014.

[33] Pia Eberhardt/Peter Fuchs in: Klimenta/Fisahn, a.a.O., S. 72.

[34] Krätke, a.a.O., S. 7.

[35] Zit. nach: Angst vor dem Machtverlust: Warum die USA in TTIP die Rettung sehen, in: dpa, 13.02.2014.

[36] http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/bst/hs.xsl/nachrichten_116768.htm

[37] Vgl. auch Vasilis Trigkas: The strategic implications of TAFTA/TTIP: Will it engage or contain China?, in: Daniel Cardoso u.a. (Hrsg.): The Transatlantic Colossus. Global Contributions to broaden the debate on the EU-US Free Trade Agreement, Berlin 2013, S. 54-58.

[38] Angst vor dem Machtverlust, a.a.O.

[39] Sven Hilbig, in: Klimenta/Fisahn, a.a.O., S. 91.

[40] Zit. nach: Angst vor dem Machtverlust, a.a.O.

[41] Sven Hilbig, in: Klimenta/Fisahn, S. 97.

[42] https://www.piratenpartei.de/2014/03/27/diesmal-heisst-es-tisa/

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