Klimakrise & Klimapolitik

Kapitalbewegung und Klimageschehen

Grußwort zur "Konferenz für Ökologie und Sozialismus"

Juni 2010

Wärme die kritische Form der Bewegung, die eine historische
Entwicklung hereinbringt
.
Friedrich Engels 1882 (
MEGA IV/31, 609, vgl. auch 985)

Guten Tag, ich freue mich, Sie hier begrüßen zu dürfen. In Kassel gibt es eine alte ökologisch-soziale Tradition, verknüpft mit der Universität, die 1971 als Gesamthochschule den Lehrbetrieb aufnahm. Bald danach haben hier zum Beispiel Ingenieurstudenten im Projektstudium Solarkollektoren konstruiert; wurden hier Ende der siebziger Jahre ingenieurwissenschaftliche Szenarien zur Transformation des gesellschaftlichen Stoff- und Energieregimes erarbeitet und gelehrt; kooperierten Wissenschaftler und Gewerkschafter bei Untersuchungen zur sozial-ökologischen Entwicklung hiesiger Regionen; und wenig später begannen agrarwissenschaftliche Lehr- und Forschungsaktivitäten zum ökologischen Landbau sowie Studien zur neokolonialen Zerstörung der Lebens- und Umweltbedingungen indigener Völker. – Das sind ein paar frühe Beispiele. Was ich damit zeigen will, ist: Überall auf der Welt wissen Menschen seit Jahrzehnten, daß ihre Beziehungen zur übrigen Natur schwer gestört sind; vielerorts überlegt man, was dagegen zu tun ist, und versucht man, Mittel für eine Umkehr zur Geltung zu bringen. Trotz eines erheblich gesteigerten Bewußtseins dieser Krise – die jetzt in der Welt-Klima- und -Ernährungskrise kulminiert – wurden aber durchgreifende umfassende Gegenmaßnahmen nicht verwirklicht. Warum nicht?

Widerstände gegen Richtungswechsel

Vorab gibt es Widerstände und Irreführungen seitens kapitalistischer Unternehmen und Konzerne2, vor allem im Agrar-, Biotechnik-, Chemie-, Energie- und Fahrzeugbaubereich, die in dieser oder jener Weise auch über Ressourcen und Medien der natürlichen Um- und Mitlebewelt verfügen. Diesbezügliche Rücksichtslosigkeit entspringt ihrem Interesse an möglichst profitabler Verwertung von Kapital und Ausbeutung von Arbeitskräften. Dieses Interesse kann in der kapitalistisch formierten Gesellschaft mehr oder minder ungebremst verfolgt werden, wobei diese Wirtschaftsweise verzahnt ist mit einer staatlichen und patriarchalen Steuerung zumal der Territorial-, Infrastruktur-, Technologie- und Populationsentwicklung. Die kapitalistische Produktionsweise ist daher auch mit diversen Formen der Verfolgung von Fremden und der Dienstbarmachung von Frauen verflochten. Es ist wichtig zu klären, wie sich eine Theorie dieser Gewaltverhältnisse zur materialistischen Kritik der Politischen Ökonomie verhält.3 Immerhin weiß man: Unternehmensleiter investieren in der Regel nur dann in ressourcen- und umweltschonende Prozesse und Produkte, wenn sich dies zu rentieren scheint; Regierungschefs setzen Einsichten in ressourcen- und umweltpolitische Erfordernisse bestenfalls insoweit in angemessene Taten um, als dies dem Grundmechanismus kapitalistischer Produktionsweisen4 nicht widerspricht; Haushaltsvorstände folgen erkannten ressourcen- und umweltgerechten Notwendigkeiten wohl nur dann, wenn sie es sich leisten können.

Daß Wissen nur sehr begrenzt in angemessene Entscheidungen umgesetzt wird, hat auch mit dem Wirken symbolischer Gewalt zu tun, mit Denkschran­ken aus gesellschaftlich verschuldeter Unmündigkeit in den Köpfen vieler, oft auch linker Leute. Operieren mit abstrakten Konzepten gehört dazu. Immer noch gibt es Fetischisierungen des Abstraktums „Wachstum der Wirtschaft“, selbst bei Wirtschaftswissenschaftlern mit ehrenwerten sozial- und umwelt­politischen Absichten. Übersehen wird insbesondere, daß das kapitalistische Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, des BIP, zu erheblichen Teilen einer in der Regel erweiterten Reproduktion fixen Kapitals dient, somit dem Er­satz und Ausbau von Ausrüstungen und Bauten mit meist negativen Effekten auf Menschen und ihre übrige Umwelt, aber positiven Resultaten für die Eigen­tümer dieser Produktionsmittel5; eine Dynamik, die regelmäßig zu ökonomi­schen Krisen führt.6 Insoweit diese Kapitalreproduktion technisch im wesentli­chen die Wiederherstellung und Vermehrung ge- und verbrauchter Produktionsmittel des traditionellen Rationalisierungstyps beinhaltet, dient das BIP-Wachstum wesentlich der Fortsetzung des Ressourcenverschleißes, der Umweltzerstörung und meist auch einer Freisetzung von Arbeitskräften, selbst dann, wenn die Masse der erzeugten Konsumgüter umwelt- und menschengerecht gestaltet wäre.7 Daß Vorschläge zu einer alternativen Wirt­schafts- und Sozialpolitik mit Klagen über Rückgänge des BIP-Wachstums einhergehen, ist daher recht verwunderlich.8 Es gibt ferner eine Fixierung auf das Abstraktum „Wirkungsgrad einer Maschine“, auch bei solchen Ingenieurwissenschaftlern, denen es durchaus um Ressourceneinsparung und Umweltentlastung geht. Vergessen wird, daß der technische Wirkungsgrad sagen wir einer Energieumwandlungs- oder Stoffverarbeitungsanlage sich nur auf ein Glied einer langen Kette technischer Prozesse und Produkte bezieht, die insgesamt zur Herstellung, zum Betrieb und zum Abwracken dieser einen Maschine beitragen. Diese meist transnationale Kette reicht von Förderanla­gen und Kraftwerken über Transportmittel bis zu Müllverbrennungsanlagen und Atommülllagern und weist in der Regel ein miserables Verhältnis der Summen aller energetischen und stofflichen Inputs zu den gewünschten Out­puts auf. Erhöhungen der Wirkungsgrade sinnvoller Anlagen, Bauten und Ge­räte sind zwar dringend erforderlich, aber für die Verbesserung der Mensch-Umwelt-Beziehungen reichen Steigerungen anlagen- und gerätespezifischer Effizienzen nicht aus, selbst dann nicht, wenn man kein Mengenwachstum des Einsatzes dieser Dinge in Rechnung stellen müsste. Die Reduktion der Ziele von Ressourcen- und Umweltpolitik auf eine Effizienzrevolution9 und Förde­rung entsprechender Technologien lenkt ab vom Ursprung der Ressourcen- und Umweltprobleme, von den gesellschaftlichen Produktions-, Transport- und Konsumtionsstrukturen.10

Resultate des kapitalistischen Industrieprozesses

Im Gegensatz zu Ideologen, die die kapitalistische Produktionsweise und ihre ökonomische und technische Leistungsfähigkeit fetischisieren, versuchen die Verfechter eines „Ökosozialismus“11 (obwohl auch diese zuweilen fragwürdige Abstrakta ins Spiel bringen12) unsere gegenwärtige Situation realistisch zu zeichnen, nämlich als soziales und ökologisches Desaster. In den vergangenen zwei Jahrhunderten wurden, ausgehend vom europäischen Westen, mehr und mehr Gesellschaften von einer Produktionsweise durchherrscht, deren Grundzug eine aggressive Verwertung von Kapital und Ausbeutung von Lohnarbeitern ist und deren säkulare und globale Expansion folgende Resultate erbracht hat: erstens förderten fortgesetzte Einsparungen von bezahlter Arbeit und entsprechende Freisetzungen von Arbeitskräften in der kapitalistischen Warenproduktion die Entwicklung von Überarbeit, von Massenarbeitslosigkeit und von elenden Lebensbedingungen ausgegrenzter und bedrängter Menschen, zu denen zumal in südlicheren Erdgegenden auch landarme Kleinbauern und Landarbeiter gehören. Mit diesem sozialen Problem ging und geht zweitens das meist so genannte ökologische Problem einher: der sich steigernde Einsatz von arbeitssparender Technik und entsprechende Rückgriff auf nicht-menschliche Energie in der kapitalistischen Warenproduktion führte zu Beschleunigungen der gesamtgesellschaftlichen Energie- und Stoffumsätze und somit zu zerstörerischen Überbeanspruchungen von Naturpotentialen und Umweltmedien, insbesondere zu Lasten südlicher gelegener Gebiete der Erde und ihrer Armutsbevölkerung.13 Aber nicht nur dort, auch hierzulande gehen soziale und ökologische Verelendung meist Hand in Hand. Sehr knapp auf eine theoretische Formel gebracht: Der kapitalistische Fortschritt der Industrie in den letzten beiden Jahrhunderten ist, um es sowohl ökonomisch als auch technisch auszudrücken, insgesamt gekennzeichnet durch ein Vorantreiben der Anhäufung von Sachkapital und des Einsatzes von Produktionsmitteln verbunden mit einer Beschränkung der Erzeugung von Neuwert und der Beschäftigung von Arbeitskräften, also durch die gewalttätige Entwicklung eines Mißverhältnisses zwischen vergegenständlichter und lebendiger Arbeit, das zugleich ein Gewaltverhältnis zwischen menschlichen Lebewesen und übriger Natur ist. Das drückt sich aus in unterschiedlichen, imperialistisch reproduzierten Formen sozialen und ökologischen Elends im Norden und im Süden des Erdballs. Ein hiergegen gerichteter Fortschritt müßte eine Umkehrung der Entwicklungsrichtung dieser gesellschaftlichen Arbeitsverhältnisse beinhalten: durch Begrenzung des Sachkapitaleinsatzes und Produktionsmittelgebrauchs auf sinnvolle Zwecke verbunden mit einer Vermehrung der Vollerwerbsstellen und Neuwertschöpfung für nützliche Ziele.14

Produktionsverhältnisse und Klimaverhältnisse

Der Blick auf die gesellschaftlichen Arbeitsverhältnisse und die durch sie geprägten Mensch-Umwelt-Beziehungen kann helfen, Zusammenhänge zwischen der Art und Weise des Produzierens und dem Klimageschehen zu verstehen. Solche Zusammenhänge haben unübersehbar seit der Vor- und Frühgeschichte unserer Zivilisation eine Rolle gespielt, als sich im Westen Eurasiens mit dem Auslaufen der letzten Eiszeit ein wärmeres Klima so wie Ansätze des Produzierens von sog. Nutzpflanzen und -tieren Hand in Hand entwickelten, und zwar nicht unbedingt zum Guten. Das wurde schon vor mehr als eineinhalb Jahrhunderten erkannt, wie eine offenbar zustimmende Bemerkung von Friedrich Engels zeigt, die dieser (in Gestalt eines Exzerptes aus ei-nem auch von Marx sehr geschätzten, 1847 erschienenen Buch von Carl Nikolaus Fraas) formuliert hat. Dieser weise nach, „daß die Civilisation ein antagonistischer Prozeß ist, der in seiner bisherigen Form das Land erschöpft, den Wald verwüstet, den Boden für seine ursprünglichen Produkte unfruchtbar macht & das Klima verschlechtert. Steppenboden & erhöhte Wärme & Trockenheit des Klimas seien die Folgen der Kultur.“15 Was nun die Zusammenhänge von kapitalistischer Produktionsweise und aktuellen Klimaproblemen angeht, wird oft auf ein Profitdenken oder ein Profitstreben verwiesen. Damit ist sicherlich etwas Richtiges gemeint, aber mir scheint dies doch eine ungute, idealistische bzw. psychologistische Denkweise zu sein. Um diese Zusammenhänge zu klären, muß man sich zunächst fragen, was Produktionsverhältnisse und Klimaverhältnisse überhaupt miteinander zu tun haben.

Produktion ist die Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen durch menschliche Arbeit, in der menschliche Arbeitsvermögen sowie Kräfte und Stoffe aus weiteren Quellen genutzt und umgewandelt und Arbeitsgegenstände be- und verarbeitet werden, so daß die genannten Produkte sowie eine große Vielfalt stofflicher und energetischer Abprodukte entstehen. Denn durch solche Arbeit werden Stoff- und Energieströme zwischen Menschen und ihrer Um- und Mitlebewelt vermittelt, geregelt oder gesteuert.16 Dabei trägt die Arbeit in der Pflanzen- und Tierproduktion, in der zudem bestimmte Pflanzen und Tiere neben dem Boden zu Produktionsmitteln gemacht werden, zur Fixierung von Solarenergie in den angebauten Pflanzen sowie zur Transformation von hier bereits fixierter Solarenergie in tierliche Produkte bei.17 Zu letzteren rechnet man auch die Zugkraft von Tieren, die geschichtlich besonders wichtig ist, weil mit ihrer Nutzung ein immer bedeu­tender werdender Ersatz menschlicher Arbeitskraft durch exogene Energie eingesetzt hat. In der (nach heutigem Sprachgebrauch) industriellen Produktion wird, unter der Voraussetzung der Verfügbarkeit von Agrarprodukten, mit maschinellen und anderen Arbeitsmitteln auf im übrigen dieselbe Weise produziert, unter Nutzung mineralischer Rohstoffe und besonders von Vorräten gespeicherter Solarenergie in Gestalt fossiler Roh-, Brenn- und Kraftstoffe; entsprechendes erfolgt, nunmehr auch auf der Grundlage der Industrieprodukte und zunehmend mit informationstechnischen Arbeitsmitteln, in der Dienstleistungswirtschaft. Insoweit diese Arbeitsverhältnisse als (historisch variable) Ausbeu­tungs- und Aneignungsbeziehungen zwischen verschiedenen Gruppen einer Gesellschaft verfasst sind, müssen sie als antagonistische Produktionsverhältnisse begriffen werden.

Klima ist ein Bündel veränderlicher mittlerer Eigenschaften des Zusammen­hangs der Lufthülle sowie der festen und flüssigen Oberfläche der Erde, zu denen insbesondere der Wärmegrad, die Feuchte, die Luftbewegung, der Nie­derschlag und die Himmelsstrahlung gehören und die durch Vorgänge entste­hen und sich wandeln, welche durch die Sonneneinstrahlung in gang gehalten werden.18 Das Klima kann für bestimmte Orte, Landschaften und Naturräume und für den gesamten Planeten und seine Atmosphäre ermittelt werden. Es wird durch sog. Faktoren bestimmt, zu denen interne Gegebenheiten und Vorgänge gehören wie die Gestaltung der terrestrischen Erdoberfläche, Zustands­änderungen der polaren Treibeisdecke und Bewegungen ozeanischer Wasser­massen, ferner externe Geschehnisse wie Variationen der Sonnenstrahlung und explosionsartige Vulkanausbrüche. Der gesamte Wasser-, Strahlungs- und Wärmehaushalt der Erdoberfläche und dadurch auch das Klima werden durch Interaktionen dieser und anderer Variablen bestimmt, so auch durch solche, die von einem quasi-externen Faktor ausgehen, nämlich durch menschenge­machte („anthropogene“) Einflüsse, zumal aufgrund von gesellschaftlich ver­anstalteten, insbesondere von Produktions-Aktivitäten. Mit der Entstehung und Ausbreitung fester Siedlungen sowie von Landwirtschaft und Tierhaltung gingen im Laufe der Jahrtausende gewaltige Umgestaltungen (insbesondere der Vegetation) der Landmassen einher, nicht zuletzt auch durch regelmäßige umfängliche energetische Holznutzung. Die Entwicklung der industriellen Produktion, die durch massive staatliche Umgestaltungen von Landschaften und Gewässern und durch die Herauslösung der familialen Haushalte aus dem gesellschaftlichen Produktionssystem unterstützt wurde, hat die klimabedeutsa­men Stoffumsätze und korrespondierenden Energienutzungen enorm gestei­gert. Mit dem kolonialistisch-imperialistischen Ausgreifen der „westlichen“ Industrie auf weitere Erdteile wurden die Extraktion von Rohstoffen und Energieträgern und die Emission von Reststoffen und Abwärme klimawirk­sam globalisiert. Die Gesamtzusammenhänge des Klimageschehens im Erd­maßstab einschließlich dieser anthropogenen Interventionseffekte kann man als globale Klimaverhältnisse bezeichnen.

Gemeinsam sind den antagonistischen Produktionsverhältnissen und den glo­balen Klimaverhältnissen in der Gesellschafts- und Erdgeschichte (seitdem in den neolithischen Übergängen zu Pflanzenbau und ggf. Tierhaltung gesell­schaftliche Produktionsaktivität entstanden war) die Stoff- und Energieflüsse im heute oft so genannten Erdsystem und, als deren Teil, die durch gesell­schaftliche Arbeit vermittelten, umgewandelten, umgelenkten oder sonst wie beeinflußten Stoff- und Energieströme.19 Der stofflich-energetische Gehalt der gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsaktivität ist ein für Materialisten selbstverständlicher Sachverhalt, der aber – wie Friedrich En­gels einmal bemerkt hat – nicht dazu verleiten sollte, „ökonomische Verhält­nisse in physikalischen Maßen ausdrücken zu wollen“20 (was wiederum nicht bedeutet, daß man das physische Geschehen nicht beachten solle).

Kapitalistische Produktionsweise, anthropogener Treibhaus­effekt, zwei Doppelkrisen

Die kapitalistische Produktionsweise und der anthropogene Treibhauseffekt sind junge Erscheinungen in der Geschichte unserer Zivilisation. Eine kapita­listische Produktionsweise ist die gesellschaftliche Form der fortgesetzten und sich erweiternden Warenproduktion und Kapitalreproduktion, deren Dynamik vor allem durch die Konkurrenz der Kapitale um Marktanteile und möglichen Profit bestimmt ist. Kostenersparnis wird im Regelfall, abgesehen von mög­lichst billiger oder kostenloser Nutzung von Naturressourcen und Umweltme­dien und Steigerungen der Materialproduktivität, durch Senkung von Arbeits­kosten, seit Entwicklung des Industriekapitalismus vor allem durch Erhöhung der Arbeitsproduktivität angestrebt, was durch sich steigernden Einsatz ar­beitskräftesparender Produktionsmittel erreicht werden kann. Das führt zu Erweiterungen des für Ausrüstungen aufgewandten Kapitals sowie des Pro­duktionsumfangs. Dies führt auch zu einem Anwachsen der Verarbeitung von Rohstoffen sowie der Nutzung von Energieträgern für die nun erforderlichen Kraftmaschinen (im Fortgang der Geschichte vermittels des Komplexes Che­mie-, Erdöl- und Elektrizitätswirtschaft); ferner zum Wachstum der Produkti­ons- und schließlichen Konsumtionsabfälle und der festen, flüssigen und gas­förmigen Emissionen aus Hochöfen und Stahlwerken, Wärmekraftwerken, Kohle-, Erdölverarbeitungs- und Chemieanlagen, Fahrzeugantrieben und an­deren Quellen. Damit sind wir beim Mechanismus des anthropogenen Treibhauseffekts. Dieser verändert das bereits in unserer frühen Geschichte exi­stente, wenn auch variable Muster stofflich-energetischer Wechselwirkungen in der Lufthülle und an der Oberfläche der Erde. Der Strahlungshaushalt der Atmosphäre war, vereinfacht ausgedrückt, seit langem durch ein für unser Le­ben günstiges Verhältnis von einfallender Sonnenstrahlung und Wärmeaus- bzw. Wärmerückstrahlung in den Weltraum gekennzeichnet, das sich komple­xer Absorptions- und Emissionsvorgänge durch Wasserdampf und Kohlendi­oxid und andere „Treibhausgase“ verdankte. Durch Rückhaltung eines Teils der Wärmeabstrahlung konnten lebensfördernde mittlere Wärmegrade auf der Erde aufrechterhalten werden, trotz großer Schwankungen während des Eiszeitalters. Zumal im 20. Jahrhundert nun hat sich die Konzentration der die Wärme­strahlung umlenkenden Treibhausgase in der Atmosphäre stark erhöht, wobei die Mitteltemperatur anstieg. Die Konzentrations- und die Temperaturentwicklung stehen zwar nicht in einem kausalen, sondern in einem weit komplexeren Zusammenhang, doch legen kombinierte Modellierungen, Analysen und Projektionen die Vermutung sehr nahe, daß sich der erhöhte Treibhausgasgehalt mit einer gewissen Verzögerung und vielleicht Heftigkeit (auch) künftig in eine weitere Erwärmung der Erdoberfläche umsetzen wird.21

Kaum strittig ist, daß jene Veränderungen der stofflichen Zusammensetzung der Lufthülle im wesentlichen durch Einträge zustande gekommen sind, die – be­ginnend in der Frühzeit der kapitalistischen Industrialisierung – ökonomisch-sozialen Aktivitäten entstammen, wobei es sich teilweise um an sich natürli­che (z. B. Kohlendioxid, Methan, Lachgas), teils um künstlich hergestellte Stoffe (z. B. Fluorchlorkohlenwasserstoffe) handelt. Diese stammen aus der Nutzung fossiler Brenn- und Kraftstoffe und aus der Chemischen Industrie, aus der Agrarwirtschaft, der Nutztierhaltung, der Wäldervernichtung und an­deren Quellen. Vor allem verdankt die real existierende kapitalistische Produktionsweise ihre typische Dynamik einerseits der erfolgreichen Ausbeutung von Arbeitskräften mittels effektiver Technik, andererseits der Ergänzung und Er­setzung von Arbeitskraft durch eine rücksichtslose Nutzung fossiler Energieträger, wodurch uns das Kapital als Altlast in der Atmosphäre Abgase mit langer Verweildauer hinterlässt, was höchstwahrscheinlich eine gravierende Klima­änderung mit drastischen Konsequenzen nach sich ziehen wird.

Ein krisenhaftes Klimageschehen ist bereits wahrnehmbar: in dem säkularen An­steigen der Mitteltemperatur und aktuell z. B. in ungewöhnlichen Witterungser­scheinungen; so wie es ja auch eine krisenhafte Kapitalbewegung gibt, an­gebahnt in der langfristigen Abschwächung des BIP-Wachstums und mündend z.B. in ungewöhnlichem Anlageverhalten. Die jüngste ökonomische Krise ist eine Wiederauflage alter Muster mit neuen Zügen: Die kapitalisti­sche Produktionsweise gerät in regelmäßigen Abständen in eine Krise, auf­grund übermäßiger Akkumulation produktiven Kapitals, die sich schließlich als unrentabel erweist, nicht unbedingt wegen fehlender Nachfrage, sondern wegen des Gewichts des angelegten Sachkapitals, das auf die Profitrate drückt. So war auch im Vorlauf dieser Krise, wohl nicht nur in der BRD, die Profitabilität produktiver Investitionen zurückgegangen, so daß überschüssi­ges Geldkapital zunehmend spekulativ angelegt wurde und die Wirtschafts­krise sich auch als Finanzkrise darstellte.22 Die Klimaverhältnisse werden durch fortgesetzte anthropogene Interventionseffekte offenbar in eine Krise getrieben, deren Ausmaß wegen der Gefahr der Selbstbeschleunigung größer als erwartet sein kann und die sich nicht nur in einer wohl weiteren Erderwärmung darstellt. Deren Ursprünge liegen ja hauptsächlich in der Nutzung fossiler und biotischer Stoffe, die seit langem oft in südlichen Erdgegenden gewonnen bzw. erzeugt werden, sind also mit kolonial/neokolonialer, intensiver oder extraktiver Flächennutzung verbunden, und deren Folgen für die Witterung, etwa in Gestalt von Dürren, können solche Länder schon jetzt hart treffen und, ebenso wie die zerstörerische Stoffaneignung, die Lebensbedingungen ihrer Bevölkerungen zerstören. Die Klimakrise tritt daher global auch als Ernäh­rungskrise in Erscheinung.23 Diese beiden Doppelkrisen und ihre Ursachen sind, was hier nur angedeutet werden kann, ihrerseits durch stofflich-energeti­sche Verhältnisse miteinander verbunden. Klimabedingte Schrumpfungen der heimischen Nahrungsmittelerzeugung in agrarischen Entwicklungsregionen und deren Ersatz durch ökonomisch angereizte Lebensmittelausfuhren aus in­dustriellen Hochentwicklungsregionen mögen ein Beispiel sein. Ein anderes verbirgt sich vielleicht hinter Aktivitäten von Finanzinvestoren auf Rohstoffmärkten zwecks Anlage überschüssigen Kapitals, das wegen des Übergewichts des bereits in­vestierten Kapitals gegenüber der beschäftigten Lohnarbeit in der produktiven Sphäre nicht rentabel angelegt werden kann.24

Wohin soll es gehen, was kann man tun?

Weniger vergegenständlichte, zu Sachkapital gewordene Arbeit, mehr leben­dige, Wertschöpfung bewirkende Arbeit: das sind Prinzipien, denen eine sozi­alistisch und ökologisch motivierte Theorie und Praxis folgen könnte und die auf die Wirtschaftsverfassung einer anzustrebenden Gesellschaft verweisen. Es gibt weitere Kriterien einer sozialistisch-ökologisch konzipierten Ökono­mie. Hierzu wird allerdings fälschlicherweise manchmal gefordert, die Volkswirtschaft sei „auf den Gebrauchswert“ auszurichten.25 Man bemerkt of­fenbar nicht, daß auch der Strom aus Atomkraftwerken und die Pestizide aus Chemiefabriken Gebrauchswert haben. Etwas besser wäre es schon, gute Gebrauchswertdienste anzustreben. Ob forstwirtschaftlich erzeugtes Holz zum Verfeuern oder zum Möbelbau dient, macht klimapolitisch einen riesigen Unterschied.26 Noch besser wäre die Ausrichtung der Volkswirtschaft auf Nutz­effekte, zu denen Ge- und Verbrauchsgüter und -leistungen im Rahmen vernünftiger (= reproduktiver) Zwecksetzungen beitragen, auch Energie­dienstleistungen (beziehungsweise Stoffdienstleistungen) genannt. Oft er­wähntes Beispiel eines solchen Nutzeffekts oder einer solchen Energiedienst­leistung ist die Aufrechterhaltung einer gewünschten Raumtemperatur durch Nutzung einer Energiequelle, wobei verschiedenartige Nutzungssysteme an­gewandt werden können, sowie durch bautechnische Mittel; also ein objekti­ves Resultat kombinierter Faktoren. Überlegungen zur Verfassung einer post­kapitalistischen Volkswirtschaft sollten diese Begriffe nutzen.27 Den Begriff Energiedienstleistung habe ich übrigens aus dem 1980 erschienenen Buch „Energie-Wende“ von Hartmut Bossel und anderen;28 die Betonung des Nutzef­fekts als des ökonomischen Sinns kommunistisch organisierter Arbeit stammt von Friedrich Engels, aus seinem hundert Jahre älteren Werk „Anti-Dührung“.29 Beide Ausdrücke bedeuten meines Erachtens dasselbe. Die Kri­tik der herrschenden Technologie und die Kritik der Politischen Ökonomie passen also gut zusammen.30 Dies deshalb, weil die technisch vermittelten Stoff- und Energie-Ströme zwischen Menschen und übriger Natur sozusagen den Inhalt der ökonomisch geformten Produktions- und Reproduktionspraxen einer Gesellschaft bilden.31 Wie eine Volkswirtschaft, die auf Nutzeffekte oder Energie- und Stoffdienstleistungen gesellschaftlicher Arbeit ausgerichtet ist, als System funktionieren soll, ist freilich nicht geklärt. Man wäre in dieser Frage weiter, wenn nach dem Zusammenbruch der real existierenden staatsso­zialistischen Ökonomien in Europa weniger über deren repressive Züge gere­det, sondern mehr über Möglichkeiten „gesellschaftlichen Eigentums“ und „gesellschaftlicher Planung“ nachgedacht worden wäre.32

Eine Volkswirtschaft, die auf die Unterhaltsbedarfe aller Menschen und ihrer Um- und Mitlebewelten ausgerichtet ist, läßt sich offenbar nicht von heute auf morgen verwirklichen. Was kann man also zwischenzeitlich machen? Man sollte die zum Himmel schreienden Mißstände kapitalistischer Wirtschaft mit dem Blick auf eine Überwindung letzterer bekämpfen, nach dem Prinzip der bestimmten Negation oder des „So nicht!“, und auch die Notwendigkeit nicht aus dem Auge verlieren, patriarchaler, staatlicher und symbolischer Gewalttä­tigkeit entgegen zu treten. Das Rezept eines kommunikativen Handelns, das hat die Kopenhagener Konferenz 2009 gezeigt, reicht dazu ebenso wenig wie das Postulat eines „Kampfes gegen das Kapital selbst“ aus der Erklärung von Belém 2009, denn das Kapital ist kein allgemeiner Gegenstand unseres Den­kens und Tuns, sondern läßt sich nur in seinen vielfältigen Verhältnissen und Tätig­keiten wahrnehmen und erfassen. Es bedarf daher, wie es in jener Erklärung ebenfalls heißt, durchaus zielgerichteter Reformen, und diese bezeichne ich als Übergangsforderungen und Übergangsmaßnahmen33, sofern sie auf kon­krete Umgestaltungen der gesellschaftlichen Arbeitsbeziehungen abzielen, einschließlich der Stoff- und Energieströme und der Herrschaftsverhältnisse.34 Was bewirkt werden muß, sind Einschränkungen, Abbau und Überwindung dominierender ökonomischer Verfügungsgewalten und -rechte ineins mit Be­schränkungen, Um- und Rückbau und Stillegung aggressiver technischer Aus­rüstungen und Bauten. Die ökonomische Produktionsweise und der technische Produktionsmodus unserer Gesellschaft, die das Ergebnis eines mehrtausend­jährigen Zivilisationsprozesses im Westen Eurasiens sind, sind so Schritt für Schritt zu überwinden.35 Es reicht nicht, einen alternativen ökonomischen Ent­wicklungstyp zu fordern, ebenso nicht, umwelt- und klimapolitische Ziele bloß zu beschwören. Es bedarf vielmehr integrierter alternativer Beschäfti­gungs- und Investitionsprogramme, die zugleich Schutzprogramme für Res­sourcen, Umwelt, Arbeit und Gesundheit sind und sich auf konkrete, raum-zeitlich definierte Realitäten beziehen. Dies schließt die Abschaffung von Produkten und Prozessen ein, welche regelmäßig Menschen und Umwelten verletzen, einschließlich der hierzu gehörenden Arbeitsplätze.

Was hierdurch an Transformationen in den Dimensionen Energie, Transport sowie Produktion und Konsumtion von Gütern zu bewirken ist, hat die Be­lém-Erklärung grundsätzlich benannt.36 Szenarien der wünschenswerten, mit­einander zu verzahnenden Entwicklungspfade sind hierbei besonders wichtig. Dabei können Konfrontationen konservativer und emanzipativer Perspektiven einer demokratischen Entscheidungsfindung förderlich sein, bezüglich der Energiewirtschaft zum Beispiel die Gegenüberstellung der ökonomisch und ökologisch höchst verschiedenen Zielvorstellungen „Weiternutzung der Kern­energie, Kohlekraftwerkszubau, CO2-Bunkerung, Agrotreibstoffe“ versus „Blockheizkraftwerke, heimische Solarenergie, Windkraft, intelligente Stromnetze“.37 Es bedarf systematischer Transformationen der gesellschaftli­chen Reproduktion im regionalen, nationalen, kontinentalen und globalen Maßstab. Erforderlich ist dafür die gesellschaftliche Entwicklung und Umset­zung vielfältiger Planungen, nicht zuletzt raum- und flächenbezogener Nut­zungs- und Umbaupläne, und entsprechender vielfältiger Maßnahmen, insbe­sondere zur Steuerung oder Verhinderung von Investitionsprojekten in den verschiedenen Produktions- und Infrastrukturbereichen.38 Es geht hier zweifel­los um eine radikale Reduktion der Treibhausgas-Emissionen (wozu neuerdings für die BRD ein breit angelegtes Szenario und Aktionsprogramm durch Öko-Institut und Prognos vorgelegt wurde39). Aber wenn man nicht mo­nokausal denkt, weiß man, es geht um noch viel mehr: um eine globale Umstellung der gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zueinander und zur bereits bedrohlich veränderten nicht-menschlichen Natur, im Norden wie im Süden des Erdballs. Die Zielrichtung dieser Transformation ist (wenn­gleich sie technisch intelligent verfolgt werden muß) nicht produktivistisch, sondern reproduktiv: im Sinne der Erhaltung und des Unterhalts der mensch­lichen Lebewesen und ihrer Um- und Mitlebewelten. Die Realisierung dieser Perspektive erfordert hierzulande als Erstes: die Verwirklichung der ökolo­gisch notwendigen Vorsorge-, Anpassungs- und Umbaumaßnahmen, durch die nicht zuletzt schlechte Arbeitsplätze durch gute ersetzt und letztere zu­sätzlich vermehrt werden; und damit zugleich der sozial erforderlichen Be­grenzung der Verfügungsgewalten, -rechte und Machtstellungen, die bislang den Akkumulationsprozess des Kapitals vorantreiben und die Aktionsspiel­räume der arbeitsabhängigen Menschen einengen. Der Unterschied zu Kon­zepten eines nachhaltigen Kapitalismus40 ist, daß hiermit ein Ende der transnati­onalen Macht-Ohnmacht-Verhältnisse einer autokratischen kapitalis­tischen Akkumulation und Exploitation ins Auge gefasst wird – auch wenn dieses Ende in weiter Ferne liegt.

Zum Schluß wünsche ich allen Bemühungen Erfolg, theoretische und prakti­sche Perspektiven und Projekte zu entwickeln, um gegen lebensfeindliche In­stitutionen, Praxen und Effekte unserer Zivilisation anzugehen, die insbeson­dere durch die kapitalistische Produktionsweise entwickelt und verwirklicht worden sind.

Fußnoten:

1) Konferenz für Ökologie und Sozialismus der Bildungsgemeinschaft Soziales Arbeit Leben & Zukunft (SALZ) e.V. in Kassel 13.-14. 03. 2010. – Der vorliegende Text ist gegenüber dem mündlich vorgetragenen Grußwort erheblich erweitert.

2) Beeindruckende Beispiele bei Al Gore 2009, Kapitel Sechzehn, 350-369.

3) Hierauf hat Frieder Otto Wolf zu Recht hingewiesen: F. O. Wolf 2009; eine systematisch-historische Darstellung der Interaktionen ökonomischer, patriarchaler und staatlicher Verfügungsgewalten (am Beispiel einer Reihe west-europäischer Gesellschaften) wird in unserem Buch: Tjaden-Steinhauer/Tjaden 2001 versucht.

4) Nämlich dem Mechanismus einer Mehrwertaneignung und Kapitalverwertung durch partikulare Unternehmen als makroökonomisches Prinzip. Sehr wohl möglich und tatsächlich in großer Vielzahl vorhanden sind demgegenüber politische (z.B. ordnungsrechtliche) Beschränkungen einzelwirtschaftlichen Gewinnstrebens. Es ist m.E. eine offene Frage, ob und ggf. inwieweit die staatliche Protektion des genannten Mechanismus mit politischen Akkumulationslimitierungen (die sich gesamtwirtschaftlich als Beschränkungen des BIP-Wachstums darstellen können) vereinbar ist. – Daß in obigem Text von einem Grundmechanismus kapitalistischer Produktionsweisen im Plural gesprochen wird, meint, daß das ökonomische System der kapitalistischen Produktionsweise in verschiedenen historisch-geographischen Ausprägungen, die sich zudem vielleicht als unterschiedliche Typen darstellen lassen, realisiert worden ist bzw. werden kann.

5) Das gilt auch für die ansonsten lesenswerte Kritik des „Wachstumsoptimismus“ von Fred Luks (der, nebenbei bemerkt, Volkseinkommen und Bruttoinlandsprodukt verwechselt); Luks in BUND [etc.], Hrg., 2009, 91-114. Vgl. zu den Funktionen der (krisenvermittelten und diskontinuierlichen) Reproduktion des fixen Kapitals: Katzenstein 1971.

6) Für den Zusammenhang solcher Kapazitätserweiterungen mit der Profitratenentwicklung und mit den realen, finanziellen und territorialen Aspekten der jüngsten Wirtschaftskrise vgl. Brenner 2009.

7) Daher ist auch die Forderung eines an „ökologisch-soziale“ Zwecke gebundenen, sog. „qualitativen Wachstums“ (z. B. im SPD-Wahlprogramm 2009, Steinmeier 2009) kurzsichtig. Angesichts einer zunehmenden Zahl wachstumskritischer Stimmen ist zu bemerken, daß es nicht darum geht, das übliche Merkmal der sog. wirtschaftlichen Leistung, das Bruttoinlandsprodukt (BIP), durch irgendwelche Wohlfahrts-, Wohlstands- oder Wohlfühl-Indikatoren zu ergänzen oder zu ersetzen, sondern darum, die autokratische Kapitalakkumulation und ihre negativen Effekte zu verhindern, die dem BIP-Wachstum normalerweise innewohnt. Vgl. auch die Auseinandersetzung zwischen Klaus Steinitz und Götz Brandt in dem lesenswerten Heft 87 der „Pankower Vorträge“ mit dem Titel „Wirtschaftswachstum und ökologische Nachhaltigkeit“ („Helle Panke“ e.V. 2006). Es ist sehr interessant zu lesen, daß Steinitz, einst Koautor wichtiger Werke zur Politischen Ökonomie des Sozialismus bzw. zur Sozialistischen Reproduktionstheorie und daher mit reproduktionstheoretischen Problemen und Kategorien wie der Reproduktion des fixen Kapitals bestens vertraut, diese einerseits fruchtbar in die Diskussion des Wachstumsbegriffs einbringt, letzteren aber schließlich als BIP-Wachstum bis zu einem gewissen Grade akzeptiert und dabei anscheinend völlig vergisst, daß die an Marx anknüpfende Politische Ökonomie andere begriffliche Bestimmungen wirtschaftlicher Entwicklung, darunter das Wachstum des Nationaleinkommens oder der Wertschöpfung, kennt und in einem „wachstumskritischen“ Sinn anzuwenden vermag (was bis zu einem gewissen Grade sogar für das entwickeltere gesamtwirtschaftliche Rechnungswesen in der DDR gegolten hat). Vgl. zu letzterem meine Kurzdarstellung der Geschichte, der Leistungen und der Grenzen der „Sozialistischen Reproduktionstheorie“ in Tjaden 2007a. – Daß die vorstehend erwähnten Charakteristika kapitalistischen Wirtschaftswachstums es verbieten, klimapolitische Strategien aufgrund ihrer (behaupteten) ökonomischen Wachstumseffekte zu bewerten und gegeneinander abzuwägen (so z. B. Lomborg 2009), dürfte klar sein. Solchen Irrungen und Wirrungen gegenüber gewinnt die theoretische Möglichkeit eines BIP-Nullwachstums bei Beschränkung der Investitionen auf Ersatzinvestitionen und ökologischer Umgestaltung insbesondere des Konsums an Gewicht, die Karl Georg Zinn im Anschluß an Keynes zu erwägen vorschlägt, wobei die Frage der Kapitalismusverträglichkeit dieser Umwälzung offen bleibt. (Zinn 2010; vgl. zum Null-Wirtschaftswachstum auch Spangenberg 2009). – Dabei ist m.E. auch zu bedenken, daß eine Stagnation der BIP-Entwicklung mit einer Expansion der Wertschöpfung (zulasten der Abschreibungen) einhergehen kann.

8) Vgl. z.B. Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik 2009, wo man angesichts des „Wachstumseinbruchs“ 2008 den „Abschwung wirkungsvoll abfedern“ wollte und lediglich ein weiteres, wenn auch in seinem „Charakter“ verändertes „Wirtschaftswachstum“ forderte: 59ff, 141, 170f.

9) Die ressourcen- und umweltpolitische Beschränkung auf Wirkungsgradsteigerungen (zur „Effizienzrevolution“ kritisch bereits BUND/Misereor 1996, 79f) verbindet sich elegant mit der Forderung eines „qualitativen Wachstums“ zum affirmativen Leitbild einer kapitalistischen brave new world, in der nichts grundlegend anders läuft als bisher, so z. B., trotz interessanter Einzelforderungen, bei Steinmeier 2009. – Eine gemeinverständliche Kritik des Effizienz-Trugbildes, welches der Wirkungsgrad einzelner Maschinen oder Geräte nach dem Ersten Hauptsatz der Thermodynamik unter Umständen darstellt, findet sich in Grube 1980, S. 83-95.

10) Vgl. z.B. die aktuell propagierte Konzentration von Energieforschungen auf Effizienzanalysen – vom Atom- und Kohlestrom bis zur Wind- und Wasserkraft. Über einen entsprechenden Vorstoß „deutscher Akademien der Wissenschaften“ berichtet die Süddeutsche Zeitung vom 16. 10. 2009.

11) Ich deute die Problematik dieses Konzepts nur an: was Sozialismus sein soll, ist in der Arbeiterbewegung allenfalls ansatzweise und jedenfalls nicht einvernehmlich geklärt worden. Und die Spezifizie­rung eines Sozialismus-Konzepts durch Kategorien der Ökologie setzte zumindest eine Über­setzung von Begriffen dieser naturwissenschaftlichen Disziplin in die Gesellschaftslehre vor­aus. Die Unklarheit des Begriffs Ökosozialismus scheint mir Resultat eines gut gemeinten, jedoch wenig durchdachten Reagierens auf das Problem zu sein, daß die übergroße Mehrzahl de­rer, die sich der „Linken“ zurechnen, die in den letzten Jahrzehnten deutlich werdenden katastrophalen Störungen der Mensch-Umwelt-Beziehungen nicht wirklich wahrgenommen und begriffen hat, darin vergleichbar der Blindheit der deutschen Linken gegenüber der freilich viel rascheren Entwicklung des Hineintreibens in den Weltkrieg im Sommer 1914 (vgl. J. Kuczynski 1957).

12) Ich denke hier an inhaltsleere Wörter wie „Systemfrage“ oder „Interessen der menschlichen Gat­tung“. Was letztere betrifft: die Gattung Homo ist ein Produkt biologischer Klassifikation von fragwürdigem diagnostischen Wert. Unter diesem Etikett werden als menschlich geltende Arten aus den letzten Millionen Jahren zusammengefasst. Diesem Gedankending spezifische „Gattungsinteressen“ zuzuschreiben, ist geisteswissenschaftlicher Unfug, der an reaktionären Biologismus grenzt (vgl. hierzu Dupré 2002). Was ökologisch orientierte Sozialist/inn/en anstelle solcher Fiktionen ansprechen und worauf sie sich beziehen sollten, sind konkrete Gesellschaften und gesellschaftliche Klassen und Gruppen unterdrückter und verletzter Menschen mit ihren beschädigten Um- und Mitlebewelten (einschließlich vor allem der bedrängten freilebenden Tiere und der gequälten sog. Nutztiere; vgl. hierzu die theoretischen Arbeiten in Witt-Stahl, Hrg., 2007) sowie die Möglichkeiten, diesen Leiden und Verwundbarkeiten entgegenzutreten.

13) Zum „Environmentalism of the poor“ vgl. das hervorragende gleichnamige Buch von Joan Martinez-Alier 2002.

14) Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß es ein Irrtum ist zu meinen, es gäbe in einer Volkswirtschaft ein bestimmtes Erwerbsarbeitsvolumen, das für einen anstehenden Planungs- oder Entwicklungszeitraum als konstant zu unterstellen sei, so daß Erwerbslosigkeit lediglich mittels genereller Arbeitszeitverkürzung und Arbeitsumverteilung verringert werden könne; das Arbeitsvolumen kann vielmehr durch Schaffung neuer, insbesondere nicht-kapitalintensiver Arbeitsplätze vergrößert werden. Was im Rahmen des kapitalistischen Systems, aber durchaus über diesen hinausweisend, verändert werden kann und muß, ist, genauer gesagt, das (zu steigernde) Verhältnis der Wertschöpfung durch lebendige Arbeit zum (zu verringernden) eingesetzten (wie zum in der Erzeugung des BIP verbrauchten) fixen und zirkulierenden konstanten Kapital und damit zur vergegenständlichten Arbeit. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, daß die erweiterte und oft auch die einfache Reproduktion des fixen Kapitals bei der Verwendung des BIP meistens mittels Produktivitätssteigerungen (bezogen auf Arbeitsstunden) zur Freisetzung von Arbeitskräften führt, was einer Zunahme von Erwerbslosigkeit und Verringerung der Neuwerterzeugung (Wertschöpfung) förderlich ist. Die zentrale Bedeutung der zumindest relativen Beschränkung der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung im kapitalistischen BIP-Wachstum in Verbindung mit der Überakkumulation von Sachkapital für die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Profitrate sowie für die Möglichkeiten einer Veränderung nicht nur der Primärverteilung, sondern auch der Umverteilung des Volkseinkommens wird selten erkannt. (Eine Ausnahme unter den Wirtschaftswissenschaftlern: Roth 2009, z.B. 48 f, vgl. jetzt auch Müller 2009; unter den Sozialpolitikern: Boeckh u. a. 2006, z. B. 148. Demgegenüber mangelt es der policy-analytischen Betrachtung der Grenzen des Sozialstaat [seiner hier so genannten „Erschöpfung“] völlig an einer Wahrnehmung der ökonomischen Selbstbeschränkung der kapitalistischen Wirtschaft und der durch sie geprägten Politik; vgl. Trampusch 2099, 19ff u. pass.) – Die durch den Fortschritt kapitalistischer Ökonomie und Technik geförderte Massenerwerbslosigkeit in Verbindung mit der Überausbeutung von Arbeitsvermögen und Naturpotenzialen ist deshalb eines der größten Übel, weil sie nicht nur Urgrund sozial-ökologischer Verelendung ist, sondern auch der Grund dafür, daß diesem Elend mit Umverteilungsmaßnahmen kaum begegnet werden kann. Auch eine (Um-)Verteilung des gesellschaftlichen Beschäftigungsvolumens auf alle Erwerbspersonen mittels allgemeiner Arbeitszeitverkürzung, so wünschenswert letztere aus anderen Gründen sein mag, ist, wie oben angedeutet, nicht der Weisheit letzter Schluß, zumal mit ihr die volkswirtschaftliche Wertschöpfung nicht erhöht und die Kapitalintensität der Produktion nicht verringert wird. Abhilfe gibt es hier vor allem durch Schaffung zusätzlicher vernünftiger Arbeitstätigkeiten und -stellen, und zwar nicht nur im Tertiären Sektor, sondern auch in den produzierenden (landwirtschaftlichen und gewerblichen) Bereichen, deren kapitalintensive aggressive Aufblähungen zugunsten arbeitsintensiver Erzeugung (also auch zusätzlicher [Vollerwerbs-]Arbeitsplätze) rückgängig zu machen sind. Das würde eine Steigerung der Wertschöpfung (und u. U. sogar des BIP) bedeuten.

15) Engels 1999, 512, vgl. auch die Erläuterungen im Apparat: MEGA IV/31, 892f; das Buch von Fraas: Klima und Pflanzenwelt in der Zeit, Landshut 1847.

16) In der bekannten Formulierung eines Arbeitsbegriffs in Marxens Kapital, der ich hier im wesentlichen folge, ist nur von einem „Stoffwechsel mit der Natur“ die Rede, obwohl Marx hier zweifellos auch an arbeitsvermittelte Energieströme gedacht hat. (Marx 1989, 192). – Häufig wird der Stoff- und Energieaustausch mit der Arbeit gleichgesetzt, was ein folgenreicher Irrtum ist.

17) Das hat Friedrich Enges in zwei Briefen an Marx 1882 herausgestellt: Engels 1967, 133-136.

18) Hierzu und zum folgenden: Flohn 1988 und Latif 2009.

19) Dabei wird heute vor allem die Intervention in die globalen Stoff- und Energieflüsse durch menschliche Produktions- und Reproduktionsaktivitäten thematisiert, Nicht weniger wichtig sind aber die Einwirkungen der globalen Klimaverhältnisse, einbegriffen Entwicklungen des Strahlen- Wärme- und Wasserhaushalts, auf die Bodenbeschaffenheit und die Tier- und Pflanzenwelt der Landschaften und Naturräume als Voraussetzungen und Randbedingungen der gesellschaftlichen Arbeit und Lebensweise und ihrer Geschichte.

20) Engels 1967, 134.

21) Die Komplexität dieser Umsetzung ist u. a. Folge einerseits der Trägheit der Klimaverhältnisse, andererseits von Selbstverstärkungsvorgängen im Klimawandel. Vgl. hierzu und zum folgenden Latif 2009, 55-64, 133-201; Luhmann 2009, 28ff; UBA Hrg. 2009.

22) Vgl. Brenner 2009; Roth 2009; Zinn 2009.

23) Dazu: Bergstreser (u. a.), Hrg., 2009 und den Themenschwerpunkt in Lunapark21, 7/2009.

24) Vgl. Jörg Goldberg, Spekulation mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln, in Bergstreser (u. a.), Hrg., 2009, bes. 110.

25) Vgl. neben zahlreichen anderen Äußerungen dieser Art z. B.: Die ökosozialistische Erklärung von Belém 2009, die für die Volkswirtschaft „eine grundsätzliche Abwendung vom quantitativen Wachstum hin zu qualitativen ökonomischen Kriterien und eine Schwerpunktsetzung auf den Gebrauchswert anstatt den Tauschwert“ fordert oder das „Internationale ökosozialistische Manifest, 2001“ von Löwy/Kovel, 2008.

26) Hierzu vgl. Czeskleba-Dupont 2009b mit der Hervorhebung der wichtigen Tatsache, daß die Annahme einer sog. CO2-Neutralität von Holzverfeuerung in die Irre führt, insbesondere deshalb, weil eine Emission von CO2 in der Gegenwart allenfalls in ferner Zukunft durch die Assimilation mittels nachwachsender Bäume wieder ausgeglichen werden kann; bei der Verwendung von Holz für konstruktive Zwecke ist demgegenüber eine längere Kohlenstoff-Bindung gewährleistet. Vgl. auch Czeskleba-Dupont 2009c, 41-52 u. pass.. – „Gebrauchswertdienste“ ist meine freie Übertragung von „user services“ (bei Czeskleba-Dupont).

27) So etwa wie im folgenden Satz: Eine „ökologisch“ informierte Volkswirtschaft muß eine ressourcen- und umweltverträgliche Erzeugung und Verwendung von Gütern und Leistungen anstreben, bei denen die Aufwendungen für erforderliche Energie- und Stoffdienstleistungen durch Wahl des günstigsten Nutzungssystems möglichst gering gehalten werden; ökonomisch gesprochen: sie muß so das Verhältnis von gesamtgesellschaftlich insgesamt eingesetzter lebendiger und vergegenständlichter Arbeit zu ihren bedarfsgerechten Nutzeffekten möglichst günstig gestalten. – Das „Erforderliche“ und „Bedarfsgerechte“, allgemein die „vernünftigen Zwecksetzungen“ einer sozial und ökologisch orientierten Volkswirtschaft müssen selbstverständlich theoretisch und praktisch bestimmt werden; ich habe dafür einen weit gefassten (nicht auf die im Feminismus gebräuchliche Wortbedeutung beschränkten) Begriff der Reproduktivität vorgeschlagen: Tjaden 1990, 165-216 (2. Aufl. 1992: 190-248). Vgl. für den Begriff Nutzungssystem: Henseling 2008, 201-204.

28) Krause/Bossel/Müller-Reißmann 1980, S. 27ff. Vgl. hierzu auch: Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik“, 1980.

29) Die Relation Arbeitsaufwand : Nutzeffekt soll „alles“ sein, „was in einer kommunistischen Gesellschaft vom Wertbegriff der politischen Ökonomie übrig bleibt“, so Engels 1878 in der ersten Auflage des Anti-Dühring: Engels 1988, 469; hier wird auch auf eine frühere ansatzweise Äußerung dieses Gedankens durch Engels verwiesen.

30) Die Korrespondenz der Krause-Bosselschen „Energiedienstleistung“ und des Engelsschen „Nutzeffekts“ habe ich zuerst dargestellt in Tjaden 1990, 175-189 (2. Aufl. 1992: 202-217).

31) Jemand, der das gut begriffen und dargestellt hat, ist der US-amerikanische Ökologe Barry Commoner, vgl. z.B. Commoner 1976 (die 1977 bei Rowohlt unter dem Titel „Energieeinsatz und Wirtschaftskrise“ erschienene deutsche Übersetzung taugt nicht viel).

32) Vgl. zu „gesellschaftliches Eigentum“ Th. Kuczynski 2009; zu „gesellschaftliche Planung“ die Stellungnahmen einer Reihe von Fachleuten im Rahmen des Sammelbandes Mies/Tjaden, Hrg., 2009, 400-436, ferner meinen Beitrag im gleichnamigen Schwerpunktheft des Forum Wissenschaft (Tjaden 2007b).

33) Die ökosozialistische Erklärung von Belém 2009. – Der Gedanke der politischen Teil- und Übergangsforderung, z. B. der einer „Produktionskontrolle“, ist in der Arbeiterbewegung während der Zeit der Weimarer Republik (vor allem von August Thalheimer) entwickelt worden. (Vgl. Tjaden 1964, Bd. I, 7ff, 20-25) Der Begriff Übergangsforderung wurde seit den 1950er Jahren insbesondere in der Politiktheorie Wolfgang Abendroths ausgearbeitet und als zentrale Kategorie kritischer Praxis begriffen: Abendroth 1967, 364-392, 463-493 u. pass., vgl. auch Tjaden 2001. Der Begriff setzt, so wie ich ihn verstehe, nicht voraus, daß der real existierende Kapitalismus zielstrebig auf seinen Zusammenbruch zusteuert, wie manche linken Denker meinen.

34) Dies im Unterschied zu sog. Brückentechnologien. – Um entsprechende Schritte auf einem richtigen Entwicklungspfad zu tun, sollte man alle sachdienlichen Mittel einsetzen, seien diese gesetzesförmig, aktionsförmig, vertragsförmig, auch marktförmig oder sonstwie gestaltet, sofern sie mehr als nur abstrakte Anreize für Verhaltensänderungen erbringen. Damit kein Mißverständnis entsteht: eine im wesentlichen auf Staaten- und/oder Unternehmens-Emissionshandel beschränkte Ressourcen-, Umwelt- und Klimapolitik kann der hier als Bedingung genannten Zielrichtung „konkrete Umgestaltungen“ nicht genügen, da sie die Art und Weise der Umsetzung der vorzunehmenden Emissionsreduktionen grundsätzlich offen lässt und damit individueller (oft: betrügerischer) Willkür überlässt, was übrigens dazu verleiten mag, letzterer einen Freibrief auszustellen (vgl. in diesem Zusammenhang Felix Ekardts Version eines Primärenergie-Emissionshandels, Ekardt 2009, S. 88-104, 127, 133 u. pass.).

35) Es geht also nicht, wie Michael Löwy in einem sonst sehr lesenswerten Aufsatz meint, nur um einen „Bruch mit der kapitalistischen materiellen Zivilisation“ (Löwy 2005, 315), sondern um den Bruch mit der westeurasischen Zivilisation überhaupt; vgl. meine zivilisationstheoretische Interpretation kapitalistisch formierter Gesellschaften in Mies/Tjaden, Hrg., 2009, 40-130.

36) Die ökosozialistische Erklärung von Belém, 2009; es gibt allein in der BRD bzw. in Deutschland eine Reihe solcher Transformationskataloge, -skizzen und sogar ausgearbeitete -szenarien. Auf das folgenschwere Versäumnis, in der friedenversprechenden historischen Situation zu Beginn der 1990er Jahre ein radikales Konversionsprogramm (wie das von Barry Commoner, 1990) zu realisieren, hat Rolf Czeskleba-Dupont (2009a) hingewiesen. Allgemein kommt es wohl vor allem auf die Ausarbeitung systemarer Relationen von Um- und Rückbauvorhaben in verschiedenen Bereichen gesellschaftlicher Arbeit und auf deren Vernetzung an; vgl. hierzu neuerdings besonders Henseling 2008, 187-253.

37) Vgl. jetzt als detaillierte Konzeptionen einer Transformation des Verkehrsbereichs: Winfried Wolf 2009 und der Nahrungsgütererzeugung: Detlef Bimboes 2009; zur erwähnten vergleichenden Szenarien-Methodik vgl. den bereits genannten wegweisenden Bericht der Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik“, 1980.

38) Das gilt insbesondere, weil „die warenförmigen Lösungen für [...] das Problem des anthropogenen Klimawandels, d. h. die Emissionszertifikate und ihre Märkte, [...] in eine tiefe Krise geraten [sind].“ (Lohmann 2009, 733 u. pass.] Mehr oder minder grundsätzliche Überlegungen zu solchen Planungen und Maßnahmen werden hierzulande verschiedentlich wieder verfolgt, z.B., wie erwähnt, im diesbezüglichen Schwerpunktheft der Zeitschrift Forum Wissenschaft, Heft 4/2007 sowie im Themenkomplex „Ist gesellschaftliche Planung ein sinnvolles Vorhaben?“, in: Mies/Tjaden, Hrg., 2009, 400-436. Daß die erforderlichen Planungen und Maßnahmen angesichts der ökologischen und klimatischen Krise weit über das Feld der – im engeren Sinn – Warenproduktion hinausreichen müssen, zeigen eindrucksvoll neuerdings z. B. Winfried Wolf 2009 und Jochen Hanisch 2009. Zur internationalen Nord-Süd-Klimapolitik: Brunnengräber/Dietz 2009.

39) Öko-Institut e.V., Prognos 2009.

40) Vgl. z.B. Gore 2009, 346.

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