Diskussion – Kritik – Zuschriften

Über den verdinglichten Sprachgebrauch einiger Marxisten – Zum Bericht über die Berliner Marxismus-Konferenz in Z 67

Dezember 2006

Aus verschiedenen Berichten über die Berliner Konferenz „Zukunftsfähiger Marxismus“ am 24./25. Juni dieses Jahres, so auch demjenigen in Z 67, S. 182-185, ist zu ersehen, daß einige Beiträge offenbar nicht voll verstanden worden sind. Das ist nicht weiter verwunderlich, mir selber ist das bei Referaten einiger Kollegen ebenso ergangen. Im Z-Bericht von Edgar Radewald hat das in bezug auf meinen Beitrag (wie auch ein Vergleich mit dem kurzen Bericht in „junge Welt“ vom 26./27.08.2006 zeigt) zu einer fehlerhaften Darstellung geführt, deren Mängel nicht untypisch für den Sprachgebrauch einiger Marxisten (die weibliche Form scheint hier entbehrlich) sind.

Natürlich habe ich nicht von einem „Zusammenhang von wissenschaftlichem Sozialismus und Arbeiterbewegung“ gesprochen, dessen Fehlen die Nichtexistenz eines zukunftsfähigen Marxismus bedinge – ich weiß gar nicht, was wissenschaftlicher Sozialismus überhaupt ist. Selbstverständlich habe ich nicht vor dem Gebrauch des Begriffs „Produktivkraft der Arbeit“ gewarnt, ein Begriff, den ich als von Marx „klar definiert“ bezeichnet habe, sondern vielmehr „Produktivkräfte“ als das „schillernde Allerweltswort“ benannt, welches es ist. Ich habe auch nicht einfach Engels’ „Theorie der Zivilisationsentstehung“ gepriesen, sondern Engels’ „Theorie der Zivilisation“, in der „Grundmerkmale [...] insbesondere der westlich-europäischen [Gesellschaften]“, darunter der inzwischen „kapitalistisch geprägten“, dargestellt werden. Ich hänge keiner „Theorie der notwendig aufeinander folgenden Produktionsweisen“ an, sondern habe die Auffassung vorgetragen, daß sich die Marxsche Produktionsweisensequenz lediglich auf „einen west-europäischen Entwicklungsweg“ bezieht. Ich habe mich nicht abstrakt für eine „Kritik der kapitalistischen Ökonomie“ ausgesprochen, sondern konkret deutlich gemacht, daß die Theorien der ökonomischen Reproduktion und des tendenziellen Profitratenfalls unverzichtbare Bestandteile der Marxschen Kapitalkritik sind. Dabei sehe ich mich übrigens zum Teil durch das Lob der Reproduktionstheorie in Horst Richters Rezension des verdienstvollen Buches von Eva Müller in Z 67 sowie durch frühere Aussagen und Arbeiten dieser und anderer Autor/inn/en zum Reproduktionsproblem in der Politischen Ökonomie des Sozialismus bestätigt.

Wodurch kommt es zu so fehlerhaften Darstellungen, in denen nicht benutzte Begriffe untergeschoben, schillernde Schlagworte und klare Begriffe miteinander verwechselt, Theorieobjekte verkürzt wiedergegeben, historische Aussagen durch Gesetzesaussagen ersetzt und konkrete Kritik durch eine abstrakte Formel verhüllt werden? Das liegt vermutlich daran, daß ein gut Teil dessen, was sich als „marxistische Theorie“ darstellt und womit sich unser Autor wahrscheinlich identifiziert, eben aus solchen abstrakten Formeln und verabsolutierten Konzepten besteht, auf gut Deutsch: aus einem Klappern mit verdinglichten Begriffen, deren Bedeutung sich klar zu machen man nicht für nötig gehalten hat. Der verdinglichte Sprachgebrauch einiger (nicht weniger) Marxisten ist eines der Merkmale jenes kommunistisch-sozialistischen Konservativismus, den Heinz Jung 1989/90 in einem Text kritisiert hat, den „Z“ erfreulicherweise ebenfalls in Heft 67 (hier S. 10) wieder abgedruckt hat: „Die Wirklichkeit muss dann unter die Doktrin gebeugt werden, und in der wechselseitigen Bestätigung der Gleichgesinnten erfährt eine so rekonstruierte Welt ihre Bestätigung.“