Trump schwächt den Dollar

Kommentar aus Z 142 (Juniheft; Vorabveröffentlichung)

22.05.2025
von Lucas Zeise

Trump schwächt den Dollar

Donald Trump dürfte gelingen, was bisher noch keiner US-Regierung gelungen ist: die Rolle des Dollars als Weltwährung erheblich zu schwächen. Das ist keine besonders originelle oder gar radikale Meinung. Vielmehr finden sich auch in der seriösen deutschen Presse vermehrt derartige  Urteile. Lukas Menkhoff, emeritierter VWL-Professor an der Berliner Humboldt-Uni, stellt ausführlich dar (FAZ, 22.4.25), dass das Trump-Team mit den berüchtigten Einfuhrzöllen nicht nur das enorm hohe Außenhandelsdefizit der USA verringern will, sondern explizit vorhat, die Rolle des US-Dollars als Weltwährung aufzugeben und stattdessen den Dollar nur noch denen gewähren will, die bereit sind, eine gewisse Schutzgebühr zu bezahlen. Er nimmt ernst, was Trumps Berater Stephen Miran, der heute im Finanzministerium unter Scott Bessent dem Council of Economic Advisers vorsitzt, schon im November vorigen Jahres in einer »Anleitung zur Neustrukturierung des internationalen Handelssystems« vorgeschlagen hatte.

Im Einleitungssatz müsste es eigentlich heißen, dass es noch fast keiner US-Regierung zuvor gelungen ist, den Dollar erheblich zu schwächen. Die Ausnahme war der »Nixon-Schock«, als im August 1971 US-Präsident Richard Nixon und sein Finanzminister John Connally die Einlösepflicht von 35 Dollar je Unze Gold gegenüber anderen Zentralbanken aufhob und damit die globalen Finanzregeln und festen Wechselkurse aller kapitalistischen Länder praktisch aufhob. In der Folge verlor der Dollar im Verlauf der 1970er-Jahre gegenüber den anderen Währungen etwa ein Drittel seines Wertes. Offiziell hatte er den Status als Weltwährung verloren, weil es die Goldbindung nicht mehr gab. Aber im Rückblick wurde der Dollar als weltweit wichtigste Währung im »System« frei schwankender Devisenkurse durch die Abwertung sogar wichtiger. Die Parallele zu Trumps Zollpolitik besteht auch darin, dass Nixon und Connally 1971 einen generell gültigen Importzoll von 10 Prozent auf den Einfuhrwert erhoben. Dieser wurde allerdings vier Monate später, nach einer Einigung mit den Haupthandelspartnern, wieder aufgehoben.

Wie hoch Trumps Zölle am Ende sein werden, welche Importländer und welche in die USA importierten Waren tatsächlich wie hoch verzollt werden müssen, weiß wahrscheinlich Trumps Regierungsmannschaft selbst noch nicht. Der letzte Stand (Ende April) war ein Importzoll für alle Waren aus China von sage und schreibe 145 Prozent und 10 Prozent auf Importe aus dem Rest der Welt. Dazu kommen Sonderzölle auf Aluminium und Stahl, auf die Einfuhr von Autos, sowie neue Einfuhrzölle für die Nachbarländer Mexiko und Kanada. Dass die Zollpolitik Trumps, wenn auch clownesk vorgetragen, ernst gemeint ist, haben mittlerweile auch die Aktien-, Bond- und Devisenmärkte begriffen. Nach Trumps »Liberation Day« am 2. April gingen die Kurse talwärts, Zinsen stiegen, der Dollar rutschte ab und Gold erreichte neue Preisrekorde (erstmals 3500 Dollar je Unze). Der IWF schätzt in seinem Weltwirtschaftsausblick Ende April die effektive Zollbelastung aller US-Importe auf zwischen 25 bis 30 Prozent und damit höher als seit den frühen 1900er Jahren.

Damals waren die USA bereits die größte Industrienation und auch die größte Exportnation des Globus. Die hohen Zölle zum Schutz der heimischen Industrie zunächst vor allem gegen britische, dann aber auch andere europäische Importe waren kaum mehr erforderlich und wurden reduziert. Nach dem 2. Weltkrieg waren die USA Verfechter des freien Welthandels. Gegenseitig wurden zwischen kapitalistischen entwickelten Ländern Zölle und andere Handelshemmnisse – keineswegs konfliktfrei – abgebaut. Angesichts des hoch bewerteten Dollars verloren US-Industriewaren in Westeuropa und Japan Marktanteile, Importe in die USA stiegen. Der früher enorm hohe Außenhandelsüberschuss der USA sank von Jahr zu Jahr und erreichte 1971 die Nullgrenze. Seit 1975 haben die USA Defizite in der Außenhandels- und in der Leistungsbilanz (die auch die über Grenzen gelieferten und bezahlten Dienstleistungen enthält). Diese Defizite weiteten sich aus. Der bis 1995 abwertende Dollar reichte zwar aus, um die Konkurrenz Westeuropas und Japans einigermaßen in Schach zu halten, nicht aber die der sich entwickelnden billig produzierenden Schwellenländer. Das US-Defizit der Leistungsbilanz erreichte kurz vor der großen Weltfinanzkrise 2007/08 den Höhepunkt und wurde zum damals viel beachteten »Ungleichgewicht des Weltfinanzsystems« von über 6 Prozent des BIP des ökonomischen Riesenlandes USA. Heute macht das US-Leistungsbilanzdefizit jährlich 1,1 Billionen Dollar aus.

Erstaunlich ist nach wie vor, dass die USA die enormen Importe scheinbar problemlos finanzieren können. Das »Geheimnis« besteht in der seit den 1980er-Jahren forcierten neoliberalen Aufblähung des Finanzsektors, an der alle kapitalistischen Volkswirt- schaften Anteil haben, in deren Zentrum aber das US-Finanzkapital steht. Nicht mehr die Warenströme bewegen in erster Linie das Auf und Ab der Wechselkurse, sondern die Kapitalströme. Die USA sind kreditwürdig, obwohl sie seit Jahrzehnten mehr konsumieren als produzieren. Sie waren und sind immer noch »der Konsument letzter Instanz«. In einer Weltwirtschaft, in der chronisch Überproduktion herrscht, sind die USA letztlich das Land, in dem sich Käufer finden, die sich die produzierten Waren auch leisten können. Tatsächlich bieten die USA, wie es heißt, den »tiefsten« und umfassendsten Finanzmarkt. Der Dollar ist Weltwährung und ist auch deshalb und trotz der enormen Handelsdefizite ähnlich teuer wie der Euro.

Die Schattenseite dieser Entwicklung ist die zunehmende Deindustrialisierung in den USA. Die Kapitalisten des Landes selber betreiben die Deindustrialisierung, weil sie erstens nach neuen Anlagemöglichkeiten für ihre wachsenden Profite suchen und weil sie zweitens in weniger entwickelten Ländern niedrigere Löhne und damit höhere Mehrwert- und Profitraten vorfinden. Auf diese Weise wurden China und andere süd- und ostasiatische Länder in den vergangenen drei bis vier Jahrzehnten zur kapitalistischen industriellen Schwerpunktregion des Globus.

All das wieder zurückdrehen zu wollen, ist aussichtslos. Das Beste, was Donald Trump durch seine Zollpolitik erreichen kann, ist eine Schwächung des Dollars am Devisenmarkt. Seine Rolle als Weltwährung ist bereits beschädigt.