Schuldenpolitik und Steuerpolitik

Kommentar aus Z 142 (Juniheft; Vorabveröffentlichung)

22.05.2025
von Peter Behnen

Die neue Regierungskoalition hat die sogenannte Schuldenbremse nicht aufgehoben, sondern im Zusammenhang mit den Milliardenprojekten für Aufrüstung und sonstige Militärausgaben und dem Sondervermögen für Infrastruktur vor Einberufung des neu gewählten Bundestages, in dem sie keine Zweidrittelmehrheit für Verfassungsänderungen hat, nur umgangen. Theoretisch könnte sie auch die großen Vermögen zur Finanzierung von Staatsausgaben heranziehen – da muss man nach den Koalitionsgesprächen aber mehr als skeptisch sein.

Einen wichtigen Beitrag zu einer progressiven Steuerpolitik hatte einen Monat vor den Wahlen ein breites Bündnis, genannt Allianz »Vermögen besteuern jetzt«, vorgelegt. Es handelt sich um eine Allianz von 35 Organisationen, u. a. von Attac Deutschland und dem Deutschen Gewerkschaftsbund. Folgende Hinweise und weiterführenden Vorschläge wurden gegeben bzw. gemacht.

1. Die Allianz stellt fest, dass Schulen und Straßen verfallen, Krankenhäuser schließen, Züge und Busse zu spät kommen, LehrerInnen und ErzieherInnen fehlen und die Benachteiligungen von ärmeren Familien bestürzend seien. Der Investitionsstau betrage in den nächsten 10 Jahren 600 Mrd. Euro. Die Kommunen seien völlig unterfinanziert und benötigten mindestens 177 Mrd. Euro für die Sanierung öffentlicher Infrastrukturen. Die Allianz kritisiert, dass die sich anbahnende Koalition aus CDU und SPD lediglich 100 Mrd. Euro für Länder und Kommunen vorgesehen habe. Neue Schulden seien nur eine kurzfristige Lösung der Probleme, gebraucht würden eine neue Vermögenssteuer, Erbschaftssteuern ohne Lücken und die Abschaffung von zahlreichen Steuervorteilen von Superreichen.

2. Hohe Steuern für Reiche seien eine wichtige Grundlage für die prosperierende Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg gewesen. Das Vorbild war die Politik des US-Präsidenten Roosevelt. Es habe damals in den USA zeitweise einen Spitzensteuersatz von 94 Prozent und stark angehobene Erbschaftssteuern gegeben. Nach dem 2. Weltkrieg seien hohe Einkommen- und Vermögensteuern in vielen Ländern akzeptiert worden, auch in Deutschland. Mit dem Neoliberalismus ab den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts kam es zur Senkung der Steuern auf hohe Einkommen bei einem Spitzensteuersatz von 45 Prozent. Im Jahre 1997 setzte die Regierung Kohl die Vermögensteuer ganz aus, parallel dazu verrotteten die Infrastrukturen in Bund, Ländern und Gemeinden. Lobbyorganisationen der Reichen gelingt es bis jetzt, Versuche zur Wiedereinführung der Vermögensteuer abzuwehren.

3. Die Allianz kritisiert, dass die 30 reichsten Familien in Deutschland in fünf Minuten pro Kopf so viele klimaschädliche Emissionen verursachen wie ein Durchschnittsbürger im ganzen Jahr. Viele Reiche investieren in fossilintensiven Branchen und führen ein CO2-intensives Privatleben (Jachten, Privatflugzeuge usw.) Die Klimakrise dagegen treffe vor allem Arme z. B. durch Extremwetterlagen in armen Ländern.

4. Die Allianz zieht aus allem den Schluss, dass nun Superreiche gerecht zu besteuern seien. Milliardäre in Deutschland und anderen Ländern zahlten prozentual deutlich weniger Steuern als Durchschnittsverdiener. Der französische Ökonom Gabriel Zucman habe ein Modell entwickelt, wonach Privatpersonen mit einem Vermögen über 100 Mio. Euro jährlich mindestens 2 Prozent ihres Vermögens als Steuer entrichten sollten. Damit kämen 25 Mrd. Euro jährlich zusammen und es könnten bis 2035 Investitionen in Schienennetze, Brücken, in die Deutsche Bahn, in Krankenhäuser und 350.000 zusätzliche Pflegekräfte finanziert werden. Das wäre allerdings noch nicht genug für die nötigen Investitionen von 60 Mrd. Euro jährlich in die Infrastruktur und die Klimapolitik. Die Koalition aus CDU und SPD wolle das alles über Schulden finanzieren. Eine Vermögensteuer könne helfen, schuldenfinanzierte Investitionen mit sozialer Gerechtigkeit zu verbinden.

Die gewerkschaftliche und politische Linke sollte die Vorschläge der Allianz »Vermögen besteuern jetzt« aktiv unterstützen. Sie sollte allerdings deutlich machen, dass die neue Regierung diesen Weg kaum gehen wird. Sie wird vermutlich eine massive Aufstockung der Rüstungsausgaben mit Abstrichen bei sozialen Leistungen verbinden. Steuererhöhungen werden besonders von den Konservativen abgelehnt werden. Die Linke sollte darauf dringen, dass nicht undifferenziert über Steuererhöhungen geredet wird, sonders dass es darauf ankommt, bei den Einkommen und Vermögen SpitzenverdienerInnen zu belasten und DurchschnittsverdienerInnen zu entlasten. Wenn das nicht geschieht, ist damit zu rechnen, dass sich die krasse soziale Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen weiter verschärft, die Wirtschaftsentwicklung blockiert wird und sich die autoritären Strukturen unserer Gesellschaft weiter verfestigen.